Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Es gibt nicht viele Themen, die die Menschen so intensiv beschäftigen wie das aktuelle Flüchtlingsdrama. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, viele suchen auch hierzulande Schutz und Obdach. Ob in Parlamenten, an Stammtischen und manchmal sogar im trauten Familienkreis - überall wird leidenschaftlich diskutiert und häufig auch gestritten, wie wir’s mit Flüchtlingen halten. Häufig gehen die Meinungen weit auseinander. Doch das Thema ist viel zu kompliziert und das Schicksal der Betroffenen ist viel zu bewegend, als dass man nur mit Halbwissen oder gänzlich ohne Hintergrund argumentieren dürfte. Deshalb hat die Journalistin Christine Schulz-Reiss ein Buch geschrieben, in dem sie unter dem Titel „Nachgefragt: Flucht und Integration“ jungen Lesern ab zwölf Jahren anschaulich und kenntnisreich das nötige Hintergrundwissen vermittelt. Bei den Esslinger Literaturtagen LesART hat die Autorin ihr neues Buch nun in Schulen und in einer öffentlichen Lesung im Kutschersaal vorgestellt.

Christine Schulz-Reiss ist seit vielen Jahren politische Journalistin, und sie hat erfahren, was Elend und Not in der Welt bedeuten können. Das zeigt sie in ihrem Buch (Loewe-Verlag, 6.95 Euro) am Beispiel einiger Kinder und Jugendlicher, deren Leben in ihrer Heimat durch Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung und wirtschaftliche Not Tag für Tag aufs Neue bedroht ist. „Mit den Flüchtlingen, die aus Angst ums nackte Überleben hierher kommen, steht das Elend der Welt plötzlich vor unserer Tür“, gab sie ihren jungen Zuhörern zu bedenken. Christine Schulz-Reiss kann es nicht verstehen, weshalb viele hierzulande all jenen, die in Europa Zuflucht suchen, am liebsten die Türen vor der Nase zuschlagen würden. Und sie erinnert daran, dass es Zeiten gab, in denen auch viele Deutsche auf der Flucht waren: Manche flohen schon im 19. Jahrhundert vor Armut und politischer Verfolgung von hier nach Amerika. Andere kamen zum Beispiel aus Polen hierher, um in den Zechen des Ruhrgebiets die Arbeit zu finden, die sie in ihrer Heimat nicht bekamen. Und wieder andere kamen nach dem Zweiten Weltkrieg durch Flucht und Vertreibung aus dem Osten hierher. Damals wie heute gelte: „Freiwillig geht keiner.“

Umso weniger kann es Christine Schulz-Reiss akzeptieren, wenn viele gleichgültig, manche abweisend und einige sogar offen feindselig den Flüchtlingen, die aus Syrien, Afghanistan oder von anderswo hierher kommen, gegenübertreten. Sie warb dafür, Fremdes nicht einfach rundheraus abzulehnen und in jedem Flüchtling zunächst einmal den Menschen zu sehen: „Ich glaube fest an die Menschenrechte und daran, dass alle Menschen gleich sind. Wir sollten nicht vergessen, dass Adam und Eva die ersten Flüchtlinge waren, weil sie aus dem Paradies vertrieben wurden.“

Dass es immer wieder - „mitten im christlichen Abendland“ - zu Übergriffen gegen die Schwächsten der Schwachen kommt, geht Christine Schulz-Reiss gehörig gegen den Strich - genau wie die Tatsache, dass manche Angst schüren und Hass gegen Fremde säen. Dass dabei das Internet bisweilen eine unselige Rolle spielt, mochte die Autorin nicht unterschlagen. Und sie empfahl den Schülern: „Glaubt nicht alles, was man Euch auf Facebook und in anderen sozialen Medien erzählt.“ Diejenigen, die am lautesten gegen die angebliche „Lügenpresse“ polemisieren, seien oft die schlimmsten Lügner. Pauschale (Vor-)Verurteilungen seien keinem dienlich. Deshalb hat Christine Schulz-Reiss ihr Buch geschrieben: „Wenn man die Fakten kennt, steht es jedem frei, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Doch bevor man etwas sagt, sollte man wissen, worum es geht.“ Mit ihrem neuen Buch hat sie ihren Teil zu einer sachlicheren Diskussion beigetragen.