Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Klaus Franke (Fotos)

Ob man die Kollektion „Energy“, „Colours in Love“ oder „Abenteuer Regenwald“ für sein Strickprojekt wählt oder sich für eine der wollig-weichen Hundertwasser-Variationen entscheidet: Das Ausgangsprodukt kommt eher unspektakulär daher. „So sieht die Wolle aus, wenn sie bei uns ankommt“, sagt Frederic Zwerger und stellt eine große Spule mit feinem, naturweißem Garn auf den Tisch. Bis das Rohgarn - gefärbt, zum Knäuel gewickelt und mit einer Banderole versehen - an den Fachhandel ausgeliefert werden kann, wird mehr als eine Arbeitswoche vergehen. „Wolle ist ein Naturprodukt“, erklärt der Geschäftsführer. „Und weil bei uns die Qualität an oberster Stelle steht, braucht der Verarbeitungsprozess einfach seine Zeit.“ Wie die Produktion handgestrickter Socken, Schals, Mützen oder Pullis ist auch die Herstellung der kunterbunten Wollknäuel mit viel Handarbeit verbunden. „Jedes Kilo Wolle wird bei uns 17 Mal in die Hand genommen.“

Dass man mit Qualität der ausländischen Billigkonkurrenz trotzen kann, haben Wolfgang Zwerger und Beate Göhring-Zwerger bewiesen, die Mitte der 90er-Jahre in einer ehemaligen Textilfabrik in Hechingen die Firma Tutto gegründet haben, in der heute 26 Leute arbeiten. „Die Geburtswiege unserer Firma steht aber eigentlich in Berlin“, erzählt Frederic Zwerger. Dort hatten seine Eltern, im Hauptberuf Erzieher und Kinderkrankenschwester, 1978 damit begonnen, nebenher pflanzengefärbte Naturwolle und handgefertigte Nadeln aus Buchenholz zu verkaufen. „In den 80er-Jahren war Stricken ja total angesagt“, weiß Henrike Zwerger aus Erzählungen ihrer Eltern. „Der Boom ist aber auch bald wieder abgeebbt, und damals sind viele traditionsreiche Hersteller eingegangen“, fügt Bruder Frederic hinzu. Die Idee, nicht nur unifarbene Wolle anzubieten, sondern sie bunt zu bedrucken, verhalf auch der Marke Opal zum Durchbruch. „Es ist einfach viel spannender, wenn man mit einer Wolle strickt, die sich selbst mustert“, sagt Henrike Zwerger. „Und vor allem muss man am Ende nicht irre viele Fäden vernähen.“

Doch mit Fantasie alleine lässt sich kein Geschäft machen. „Wer sich beim Stricken viel Arbeit macht, dem ist gutes Material wichtig“, sagt Frederic Zwerger. Deshalb werde in der Handarbeitsszene auch viel Wert auf „made in Germany“ gelegt. „Den Leuten wird es zum Glück immer wichtiger, dass Umweltauflagen eingehalten und Produkte nicht um die halbe Welt geschippert werden.“ Der Familienbetrieb kauft ausschließlich Wolle, die von deutschen und südamerikanischen Schafen stammt. „Unsere herkömmliche Wolle kommt zu 50 Prozent, die Schafpatenwolle zu hundert Prozent aus Deutschland.“ Um die Wanderschäferei im Biosphärengebiet Schwäbische Alb zu unterstützen, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und die Verbraucher für regionale Produkte zu sensibilisieren, hatte der vor einigen Jahren verstorbene Firmenchef Wolfgang Zwerger das Schafpaten-Projekt initiiert. Mit dabei ist die Süssener Firma Schoeller, langjährige Geschäftspartnerin der Hechinger Garndruckerei und Produzentin der „Esslinger Wolle“.

Das Engagement des Vaters führen die Kinder fort. So unterstützt der Familienbetrieb bis heute das 2004 zusammen mit dem Verein Rettet den Regenwald gestartete Projekt für den Erhalt von Regenwäldern und den Schutz ihrer Bewohner. „Da unsere Firma sowie die Groß- und Einzelhändler von jedem verkauften Wollknäuel etwas spenden, sind durch die bisherigen Regenwald-Kollektionen schon 187 000 Euro zusammengekommen“, berichtet Frederic Zwerger. Der Erlös des Sockenstrickertreffens, das in diesem Jahr am 11. und 12. Mai in Hechingen über die Bühne geht, bleibt in der Region. Der Erlös kommt der Stiftung für kranke Kinder in Tübingen zugute.

Damit die regionale Wirtschaft gestärkt wird, bezieht der Familienbetrieb nicht nur Kartonagen und Verpackungsmaterial aus der Umgebung. „Wir lassen auch unsere Banderolen, Poster und sonstiges Werbematerial in Hechingen drucken“, erzählt Frederic Zwerger. Bis das aus Schurwolle und 25 Prozent Polyamid gesponnene Garn im Versandkarton landet, durchläuft es einen aufwendigen Prozess. Die erste Station der Rohgarnspulen ist die Färberei. Dort wird die Farbe nicht auf einmal auf die Wollfäden aufgetragen, sondern nacheinander. „Die Besonderheit ist, dass wir das Garn nicht am Strang, sondern am laufenden Faden bedrucken“, erklärt der Geschäftsführer, der sich auch um die Muster kümmert. Bei den Kollektionen, die von Werken des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser inspiriert sind, hat ihm das besonders viel Spaß gemacht. „Dass Socken aus sich selbst musternder Wolle unterschiedlich rauskommen, passt super. Denn auch Hundertwasser hat immer zwei unterschiedliche Socken getragen. Und er hat dafür geworben, dass Kleidung wieder Kunst wird.“

Damit die Wollvariation „Der Weg von dir zu mir zurück“ oder „Die Straße zum Sozialismus“ nicht in der Waschmaschine verblasst, wird die frisch bedruckte Wolle mit heißem Dampf fixiert, anschließend gründlich gewaschen und bei 60 bis 70 Grad getrocknet. „Da wir viele ältere Maschinen haben, können wir schonender arbeiten“, erklärt Fredric Zwerger. „Wenn Wolle durch einen 160 Grad heißen, modernen Hochfrequenztrockner läuft, ist sie am Ende so hart, dass man Weichmacher draufgeben muss.“ Die trockenen Wollstränge landen in der Spulerei. Dort laufen von vier Uhr in der Früh bis acht Uhr abends die Maschinen. „Wie beim Färben achten wir auch hier darauf, dass zwischen den einzelnen Produktionsschritten Zeit bleibt, damit sich das Naturprodukt erholen kann.“ Um die gespulte Wolle weich und flauschig zu machen, durchläuft sie ein weiteres Dampfbad und wird locker zum sogenannten Wollkuchen aufgewickelt. Bevor eine Maschine den zu Knäulen verarbeitet, gönnt man der Wolle in dem Hechinger Familienbetrieb einen weiteren Ruhetag. „Durch unsere Arbeitsweise brauchen wir zwar mehr Leute“, sagt Frederic Zwerger. „Aber dafür bekommen wir auch ein hochwertiges Produkt.“