Auch die innere Schönheit zählt: Ist die Karte fertig, kann man sie auf der Innenseite mit Grüßen versehen... Quelle: Unbekannt

„Was macht mich einfach sehr glücklich, wenn ich anderen eine Freude machen kann.“

Von Pia Hemme (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Ingrid Barufka sitzt oft von morgens bis abends an ihrem Wohnzimmertisch und bastelt Weihnachtskarten. „Das ist wie eine Sucht“, gesteht sie. Seit 1998 verschenkt sie ihre Karten jährlich zur Weihnachtszeit an Bekannte und Verwandte. Mehr als 200 Exemplare muss sie basteln, damit jeder von ihnen versorgt ist. Barufka gibt dafür etwa 150 Euro für Material- und Portokosten aus, doch das mache ihr nichts aus, im Gegenteil: „Es macht mich einfach sehr glücklich, wenn ich anderen eine Freude machen kann.“ Ihre Fleißarbeit ist nicht zu übersehen: Viele Karten sind bereits fertig und ordentlich in Schuhkartons verstaut, andere liegen noch auf dem Wohnzimmertisch verstreut. „Dieses Jahr sind die Karten rot, letztes Jahr waren sie beige“, erzählt Barufka stolz. Blickfang sind die weihnachtlichen Motive in der Mitte: zwei rote Kerzen auf einem Adventskranz.

Die Idee, Karten zu basteln, kam der Witwe im Jahr 1998, als es ihrem Mann Kalli Barufka gesundheitlich nicht mehr gut ging. Die Fußballlegende des VfB Stuttgart litt an einem Lungenemphysem. Ingrid und ihr Mann sind zu der Zeit in St. Peter-Ording in der Kur gewesen. Ingrid Barufka zeigt auf ein dort entstandenes Foto an der Wand: „Da sitzen wir auf einer Bank. Kalli konnte nicht mehr so gut laufen und saß im Rollstuhl.“ Dieses Bild klebte sie auf eine Weihnachtskarte und verschickte sie an Freunde und Bekannte. „Ich dachte mir, wer weiß, wie lang er noch lebt. Dann haben meine Bekannten noch ein schönes Foto zur Erinnerung.“

Die Karte kam gut an. Ihre Familie und Freunde haben sich so sehr darüber gefreut, dass Barufka beschloss, jedes Jahr Weihnachtskarten zu basteln. Zunächst waren sie einfach gehalten. Auf die Karte klebte sie ein Foto mit weihnachtlichem Motiv. Auf einem war sie hinter der Theke eines Stands auf dem Weihnachtsmarkt zu sehen. „Als ich die Karte verschickte, fragten mich alle, seit wann ich einen Stand besitzen würde und was ich so im Angebot hab“, sagt Barufka und lacht.

Vor etwa sechs Jahren wurden die Karten kreativer. Zur Weihnachtszeit besorgt sie sich Motivbögen aus dem Bastelladen und lässt sich davon inspirieren. „Ich plane nicht schon für nächstes Jahr, wie meine Karten aussehen sollen, das passiert relativ spontan.“ Dann überlegt sie sich, welche Farbe der Untergrund haben soll, damit er zum Motiv passt. Barufka empfiehlt dafür 160 Gramm schweres Bastelpapier. Die Motive bekommen dann passende Rahmen aus etwas dünnerem Papier, gern auch aus glänzendem Gold oder Silber. Um einen 3D-Effekt mit hineinzubringen, klebt Barufka sogenannte Pads unter die Bilder. Dann sieht es so aus, als würden die Motive auf den Karten schweben.

Als ehemalige Mitarbeiterin eines Fotoladens hat sie auch einen Geheimtipp für Bastler: Sie benutzt keinen Bastel-, sondern Fotokleber. Das mit dem „Rumgebabbe“ sei gar nichts. „Wenn man sich mal verklebt, dann sieht das nicht mehr schön aus.“

Ihr ist aber nicht nur das Äußerliche ihrer Weihnachtskarten wichtig. Auch in die Texte investiert sie viel Zeit. Hilfe bekommt sie dabei von einem ihrer beiden Söhne. Gemeinsam suchen sie nach Sprüchen, zum Beispiel im Internet.

„Jeder kann Karten basteln, wenn er Lust darauf hat“, findet Barufka. Geduldig müsse man aber schon sein. „Ich arbeite sehr genau“, sagt sie. Wenn ihr etwas nicht gefalle, dann müsse man es eben noch mal machen. Sie könne Tag und Nacht nur Karten basteln. Wie lange sie durchschnittlich pro Tag mit Basteln verbringt, das wisse sie aber nicht. „Ich hab nie auf die Uhr geguckt“, sagt Barufka. Sie schätzt, dass sie etwa fünf Stunden am Tag Karten bastelt. Oft fängt sie morgens an und vergisst dabei die Zeit.

Sind die Karten fertig, müssen sie verschickt werden. Sie gehen an den VfB-Fanclub, an die VfB-Garde, an Mitarbeiter des VfB-Fanshops, an die Rot-Weißen Schwaben und an Freunde und Bekannte vom Business Center des VfB Stuttgart. Nachdem ihr Mann 1999 gestorben war, gründete sie 2003 den Witwenstammtisch. Dort verschenkt sie auch viele Karten. 70 Karten gehen per Post an Freunde.

Sie bekomme nur positive Rückmeldungen. Manche Freunde würden sie spaßeshalber als „verrückt“ bezeichnen. Für ihre Bekannten scheut sie keine Kosten und Mühe. „Ich will ihnen nur eine Freude machen, nichts weiter.“

Nicht nur ihre Bekannten, sogar berühmte Persönlichkeiten durften sich an Barufkas Weihnachtskarten erfreuen. „Als Bruno Labbadia noch Traner vom VfBsStuttgart war, haben wir ihn 2013 zu unserer Jubiläumsfeier vom Witwenstammtisch eingeladen“, erzählt Barufka. Sie bastelte eine Weihnachtskarte und alle Witwen haben darauf unterschrieben. An Heiligabend klingelte das Telefon. „Labbadia hat mich angerufen“, erinnert sich Barufka. Er habe sich für die Karte bedankt und ihr und den Damen alles Gute gewünscht.

Die Glückwünsche haben sich bisher bewährt. Doch Ende Juni dieses Jahres ging es Ingrid Barufka gar nicht gut: Sie hatte Nierenversagen. Sie wollte aber schnell wieder gesund werden, weil sie zu vielen Stammtischen eingeladen war und - wegen ihrer Weihnachtskarten. „Ich wollte bis August wieder fit sein. Dann bin ich zum Glück schnell wieder auf die Beine gekommen. Ich hätte das sonst auch nicht geschafft.“ Sie bastelt aber nicht nur Karten zu Weihnachten, sondern auch zu Ostern oder zu Neujahr. „Aber nur wenige, etwa 30 Stück“, sagt Barufka. Ostern sei ja nicht wie Weihnachten. „Das Weihnachtsfest ist etwas Besonderes.“