Sarah Heid, Maria Stollmeier und Regine Heid-Grünzweig (von links) zielen. Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun (Text) und Andreas Kaier (Fotos)

Den Bogen heben, die Sehne spannen, den Pfeil abschießen: So einfach ist die Sache. „Intuitiv“ sei das Bogenschießen, sagt Maria Stollmeier. Sie steht auf einer Streuobstwiese bei Bissingen an der Teck und erklärt, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht. Zusammen mit Regine Heid-Grünzweig und deren Tochter Sarah Heid hat sie eine Art kleinen Schießstand mitten in der Natur aufgebaut. Einige Meter hinter einem rot-weißen Baustellenband, das auf dem Boden die Abschussstelle markiert, sind zwei Schaumstoffwürfel und eine Schaumstoffkerze auf Stöcken sowie pralle Luftballons an einem Brett befestigt: die Ziele. Hinter diesen haben die Frauen ein großes, weißes Netz gespannt, das vorbei geschossene Pfeile aufhalten soll.

Die Landschaft rundherum ist Idylle pur: Saftig grüne Wiesen schmiegen sich an die sanften Hänge, knorrige Obstbäume strecken ihre Zweige in die Höhe und im Hintergrund schwingt sich die dicht bewaldete Schwäbische Alb auf. Maria Stollmeier und Regine Heid-Grünzweig lieben die Umgebung ihres Wohnortes - und wollen sie anderen auf ganz besondere Weise nahe bringen. Deshalb sind sie als Gästeführerinnen bei der Schwäbischen Landpartie aktiv, einer Art Agentur für Freizeitaktivitäten. Über diese können Natur- und Kulturinteressierte verschiedene Ausflüge am Fuße der Alb buchen, von der Mondscheinwanderung über den Genuss-Spaziergang bis zum Schneeschuhwandern - oder eben das Bogenschießen.

Letzteres kombinieren die beiden Gästeführerinnen gern mit einer Wanderung. „Das Schöne ist ja die Kombination von Natur mit sportlicher Aktivität“, findet Regine Heid-Grünzweig. Allerdings gibt es keine festgelegte Tour beim Bogenschießen. Die beiden überlegen jedes Mal neu, welche Route sie einschlagen und wo sie ihren selbst kreierten Schießstand für die Teilnehmer aufbauen. „Es kommt darauf an, was sich die Kunden wünschen“, sagt Maria Stollmeier. Das Bogenschießen werde üblicherweise für Gruppen gebucht, meist nähmen Firmen das Angebot für ihre Mitarbeiter in Anspruch. Je nachdem, ob die Truppe bewegungsfreudig sei oder kürzere Strecken bevorzuge, tüftelten sie eine größere oder kleinere Wanderung aus.

Meist findet das Bogenschießen auf einer Streuobstwiese mitten im Grünen statt - natürlich in Absprache mit dem jeweiligen Besitzer, wie Maria Stollmeier betont. „Aber da tun wir uns leicht.“ Denn sie beide besitzen einige Stückle, auch viele Freunde, Bekannte und Verwandte haben Grundstücke, die sie immer mal nutzen dürfen. Zudem stellten die Kommunen in der Umgebung ihre Flächen auf Anfrage meist gern zur Verfügung. „Einmal waren wir sogar im Hof der Burg Hohenneuffen zum Bogenschießen“, erzählt Maria Stollmeier. Das sei sehr gut angekommen.

Auf der Streuobstwiese erklären die beiden Frauen kurz, worauf es beim Bogenschießen ankommt, dann geht es sofort an die Praxis. Schließlich soll hier nicht die Theorie im Mittelpunkt stehen: Man lernt mit der Erfahrung. Wer schießen will, nimmt den Holzbogen in die eine Hand, setzt den Pfeil im rechten Winkel auf die Sehne und spannt diese dann mit je einem Finger unterhalb und oberhalb des Pfeils, während der Bogen auf Brusthöhe gehoben wird. Wichtig sei es, den Arm beim Spannen der Sehne möglichst auf Höhe des Ohres zu bringen, sagt Regine Heid-Grünzweig. „Und nicht zu lange zielen“, rät sie. Denn meist könne man die Spannung nicht allzu lange halten und fange an, zu zittern. Deshalb sei es sinnvoll, die Bewegung ganz ruhig in einem Rutsch zu machen: den Bogen heben, gleichzeitig die Sehne spannen und dann den Pfeil abschießen. Es reiche, wenn man vorher ganz kurz das Ziel anvisiere.

Genau dieses Intuitive gefällt Maria Stollmeier besonders am Bogenschießen: „Ich vertraue meinem Körper, meinem Arm, meinem Auge und meinem Instinkt“, erklärt sie. „Und wenn es ideal läuft, dann ist das alles eine Einheit und ich brauche gar nicht nachzudenken.“ Allerdings sind durchaus einige Probeschüsse nötig, bevor die Bewegung automatisch abläuft. Die Bögen sind zwar unterschiedlich stark eingestellt, aber es erfordert bei allen von ihnen etwas Kraft und einiges an Konzentration, um die Sehne zu spannen und den Bogen zumindest einigermaßen in die richtige Richtung zu halten. Sinnvoll ist es auch, sich einen Unterarmschutz anzulegen, falls die Sehne unerwartet zurückschnellt. Doch wer sich so geschickt anstellt wie Sarah Heid, die sich vorher noch nie im Bogenschießen versucht hat, kann schnell Erfolge feiern: Bogen heben, Sehne spannen, Pfeil abschießen - und peng! Ein Luftballon platzt. Sarah Heid ist zufrieden mit ihrem Treffer.

Viele seien begeistert, wenn sie nach einigen Versuchen endlich ein Ziel treffen, erzählt Maria Stollmeier. Das sei ein richtiges Erfolgserlebnis. Manche entwickelten einen regelrechten Ehrgeiz bei der Sache - dabei werde bei der Aktion eigentlich gar kein Wert auf eine besondere Leistung gelegt. Es gehe vielmehr um das Erlebnis an sich - und darum, ohne Frustration etwas Neues zu lernen. „Die Leute lernen das Bogenschießen relativ schnell und dann ist schnell auch ganz tolle Stimmung.“ Manche fragten sofort nach einem Verein in der Nähe, um den Sport weiter betreiben zu können. „Wir hatten auch schon Teilnehmer, die gleich ihren eigenen Bogen mitgebracht haben“, erzählt Stollmeier. Das Schöne aber sei, dass im Prinzip jeder innerhalb kurzer Zeit lernen könne, wie er einen Pfeil auf die Reise schicken kann: „Wir hatten noch keinen dabei, der es gar nicht konnte“, sagt Stollmeier.

Selbst Kinder hätten meist keine größeren Schwierigkeiten. Für die Kleinen nehmen die Gästeführerinnen in der Regel auch einen Kinderbogen mit. „Aber meistens wollen selbst schon Sechsjährige mit den großen Bögen schießen“, erzählt Stollmeier - und sie hätten Erfolg damit. Kein Wunder: Bogenschießen sei schließlich von jeher angesagt bei den Kleinen. „Für mich liegt der Reiz dieses Sports ganz klar bei meinen eigenen Kindheitserinnerungen“, erzählt Stollmeier. Sie habe jahrelang mit Pfeil und Bogen gespielt. Außerdem habe das Bogenschießen etwas von Abenteuer, Western und Winnetou, ergänzt Heid-Grünzweig - wenn auch in harmloser Form. Denn für die beiden sind die dreidimensionalen Tiere, die bei anderen Bogenschieß-Parcours üblich sind, tabu. „Wir wollen bewusst nicht auf Tiere zielen, das gefällt uns nicht“, sagt Stollmeier.

Seit etwa drei Jahren bieten die beiden das Bogenschießen an. „Wir wollen immer wieder etwas Neues anbieten, wir können uns ja nicht auf unseren alten Aktionen ausruhen“, sagt Maria Stollmeier. Zudem hoffe sie, dass sie damit auch ein jüngeres Publikum ansprechen und für die Schwäbische Landpartie begeistern könnten. Wer teilnehmen möchte, braucht keine Vorkenntnisse, nur gutes Schuhwerk und bequeme Kleidung - und natürlich Lust auf die harmonische Bewegung von Bogen heben, Sehne spannen, Pfeil abschießen.

Weitere Informationen gibt es unter www.schwäbische-landpartie.de