Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Lebensmittel sind „das Intimste, das uns berührt, denn das Essen geht ja einmal durch unseren Körper hindurch“, sagt der 52-Jährige, der vor acht Jahren die Speisemeisterei im Stuttgarter Schloss Hohenheim übernommen hat. „Aber bei uns geht es nur noch darum, möglichst viel und möglichst billig zu essen. Wir haben keinen Bezug mehr zu den Lebensmitteln und somit auch nicht zu unserem eigenen Körper.“ Diesen Kreislauf will er mit seinen „Meditationen aus der Sterne-Küche“ durchbrechen.

Den Zeigefinger zu heben und Anweisungen zum Kochen oder gar zum Leben zu geben, ist allerdings nicht Frank Oehlers Ding. „Ich habe das Buch geschrieben, um von meinem Weg zu erzählen und damit den ein oder anderen zum Nachdenken zu bewegen.“ Schließlich ist Zen weder eine Formel noch ein vorgegebenes Ziel oder gar ein Heilsbringer. „Zen ist ein Weg, der mir ein Fundament gegeben hat, auf dem ich aufbauen kann“, erklärt der Sternekoch, dessen Gedanken Hinnerk Polenski in dem Buch mit Einführungen in die Zen-Philosophie begleitet.

Der Weg zum Zen-Buddhismus begann für den 52-Jährigen mit einem Kindertraum, in dem er einen schneebedeckten Berg mit einem großen Krater sah. Als Frank Oehler eines Tages ein Bild vom Fudschijama in der Hand hatte, wusste er, „dass ich da unbedingt mal hin will“.

Bis er dann aber vor dem Berg seiner Träume stand, musste er viele Jahre warten und erst einmal die verhasste Schule sowie eine Kochlehre hinter sich bringen, die ihn eigentlich nicht so recht interessierte. „Mit dem Herzen war ich damals nicht dabei“, sagt er heute. Das sollte sich ändern, als er mit Witzigmann-Schüler Günther Benz in der Küche stand. Dort lernte er, die Produkte, die verarbeitet wurden, ganz neu zu betrachten. Im Alter von 24 Jahren verwirklichte sich Frank Oehler endlich seinen Traum, reiste nach Japan, kam dort zum ersten Mal mit der Zen-Philosophie in Berührung und erkannte: „Zen hat nur mit dir selbst zu tun. Es unterstützt dich und es verschafft dir Klarheit.“

Mit dieser Klarheit sucht der Maître seither auch die Lebensmittel aus, wobei es ihm Tomaten besonders angetan haben. Die rote Frucht hat ihn seit seiner Kindheit begleitet. „Mit ihrer ferrariroten Farbe gehört sie für mich zu den schönsten Früchten überhaupt.“ Schon am Strauch rieche man die Energie, die in ihr steckt. „Sie ist ein Wunderwerk der Schöpfung“, sagt Frank Oehler. „So etwas kann sich gar kein Mensch ausdenken.“ Diesem und all den anderen Wunderwerken der Natur gelte es mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen.

Schaut er sich jedoch das Einkaufsverhalten und die Esskultur in der auf Hochleistung und Erfolg getrimmten Gesellschaft an, stellt er fest, „dass wir die Schöpfung mit Füßen treten. Denn es darf einfach nicht sein, dass wir pro Person 82 Kilo Lebensmittel im Jahr wegwerfen.“ So plädiert er in seinem neuen Buch und als Fernsehkoch dafür, innezuhalten, sich wieder auf den Wert der Lebensmittel zu besinnen und damit auch den Produzenten Wertschätzung entgegenzubringen. Doch dazu müsse man erst einmal wissen, woher Tomaten, Äpfel, Karotten, Salat, Auberginen, Rübchen, Kräuter und all die anderen Schätze der Natur kommen, wie sie wachsen, riechen und in ihrer Ursprünglichkeit schmecken. „Wenn man immer nur im Supermarkt fertig geschnittenes Gemüse aus der Tiefkühltruhe oder zu Tode pasteurisierte Produkte kauft, wird man dieses Erlebnis niemals haben“, macht Frank Oehler deutlich.

Natürlich ist sich der Küchenchef bewusst, dass Frischware, die möglichst auch noch in der Region angebaut wird, ein bisschen mehr kostet als Massenware. Zu seinem durch die Zen-Philosophie inspirierten Weg gehört es, Prioritäten zu setzen gerade bei dem, was einem am nächsten kommt. So gelte es auch beim Einkaufen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Lebensmittel achtsam auszuwählen, nämlich so, dass keine Reste übrig bleiben. „Man kann im Kleinen anfangen und den Schalter umlegen“, ist der 52-Jährige überzeugt. Schließlich sei kein Geld gespart, wenn man die Karotten nur deshalb im Großgebinde kauft, weil sie so billig sind und hinterher die Hälfte wegwirft.

Achtsamkeit sowie „ein bisschen Demut und Dankbarkeit“ tue aber nicht nur beim Einkaufen und der Zubereitung der Speisen, sondern auch beim Essen gut. Sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und das Mahl zu genießen „ist einer unserer ältesten Kulturschätze“, sagt Frank Oehler. „Doch oft wird das Essen einfach nur noch so reingeschoben. Zuhause holt sich jeder, was er braucht und setzt sich vor die Glotze.“ So soll das Buch getreu dem Zen-Motto „Wenn ich esse, esse ich“ auch dazu anregen, sich wieder achtsam dem Essen zu nähern. Denn eines hat der Meisterkoch erkannt: „Man kann einem alles Materielle wegnehmen, aber die Erinnerung an ein schönes Essen, einen guten Wein und gute Gespräche bleibt.“

Frank Oehlers Reste-Curry

 „Die Zen Gebote des Kochens“ ist zwar kein Kochbuch. Ein paar Rezepte hat Frank Oehler aber in sein Buch integriert. Da hierzulande viel zu viele Lebensmittel weggeworfen werden, regt er an, die Idee des „Restetags“ zu übernehmen. Den haben er und sein Team gemeinsam mit Studierenden der Universität Hohenheim organisiert. „Man muss nur ein bisschen kreativ sein, sich selbst vertrauen und seine ganze Aufmerksamkeit auf die Produkte und ihre Zubereitung lenken. Dann wird das richtig gut“, erklärt der Küchenchef, der eine Currybasis-Sauce kreiert hat. Sie lässt sich mit allem kombinieren, was im Kühlschrank liegt und weg muss.

Zutaten: 1 Liter Kokosmilch, 300 Gramm weiße Zwiebeln, 200 Gramm Kartoffeln, 2 Esslöffel Currypulver, 1 Esslöffel Tom-Kha-Gai-Paste aus dem Asialaden, 50 Gramm frischer Koriander, 50 Gramm frisches Thaibasilikum, 50 Gramm frische Minze, 3 Knoblauchzehen, Abrieb von einer Limone, 20 Gramm Ingwerpaste, 20 Gramm Zitronengraspaste, 2 Esslöffel Sojasauce, 2 Esslöffel Sushi-Essig und Restegemüse nach Belieben.

Zubereitung: Die Kokosmilch mit allen Zutaten außer den Kräutern eine gute Stunde leicht köcheln lassen, mit etwas Salz abschmecken und fein pürieren. Das Reste-Gemüse in mundgerechte Stücke schneiden und in der Soße weich kochen. Zum Schluss die Kräuter dazugeben.

Frank Oehlers und Hinnerk Polenskis Buch „Die Zen Gebote des Kochens. Meditationen aus der Sterneküche“ ist im Kösel-Verlag erschienen und für 24,99 Euro im Buchhandel zu haben.