Statt im Müll landen Kronkorken als Magnete an der Pinnwand. Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Ein schmaler, gestrickter Schlauch, der Hals und Kopf von Hand gefilzt, zwei aufgeklebte Äuglein, eine Wuschelfrisur aus schwarzer Wolle sowie eine Kette und ein Ring aus Metall - fertig ist der Schlüsselanhänger Tony. „Die Kinder, die regelmäßig zu uns ins Haus kommen, wollten unbedingt stricken“, erzählt Martina Döffinger. Da es aber Zeit und Geduld braucht, das Spiel mit Stricknadeln und Wolle zu erlernen, suchte sie nach einem kindgerechten Hilfsmittel. Auf der Stuttgarter Bastelmesse entdeckte sie schließlich einen speziellen Ring, ähnlich der guten alten Strickliesel, mit dem das Stricken kinderleicht von der Hand geht. „Wenn man mit Kindern bastelt oder handarbeitet, muss es relativ einfach gehen, und man muss schnell einen Erfolg sehen“, weiß die Künstlerin, die mal Arzthelferin gelernt hat.

Da Martina Döffinger aber „schon immer mit Kindern arbeiten wollte“, ging sie gemeinsam mit ihrem Mann Peter nach Kanada, um „Performing Arts“ zu studieren. „Dort sind wir nicht nur theoretisch ausgebildet worden, sondern haben auch Puppenspiel, Clownerie, Musical und vieles mehr gelernt.“ Wieder zurück in Deutschland träumte das Ehepaar „von einem Haus, in dem man mit Kindern arbeiten kann“. Martina und Peter Döffinger hatten Glück. Denn just in jenen Jahren gründete Jürgen Klinsmann seine Kinderstiftung Agapedia und 1996 schließlich in Esslingen das gleichnamige Kinderzentrum, in dem das Ehepaar von Beginn an arbeitet.

Täglich kommen 30 bis 60 Kinder in die Ulmer Straße und erleben dort, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können. Sie proben für ihren Auftritt im Kinderzirkus, spielen und machen Sport miteinander oder üben sich im künstlerisch-kreativen Gestalten. „Da viele Kinder jeden Tag kommen, bin ich gefordert, mir immer was Neues auszudenken“, erzählt Martina Döffinger, deren Ding schon immer die Schrift war. „Ich habe Texte geschrieben und sie verschenkt. Denn das ist dann ein sehr persönliches Geschenk.“ So findet man auch heute im großen Werk- und Bastelraum des Kinderhauses kleine, mit fein geschwungenen Buchstaben beschriebene Kacheln. Durch eine Magnetfolie auf der Rückseite eignen sie sich, um Notizen an einer Pinnwand festzuhalten. Sie werden ebenso zugunsten von Agapedia verkauft wie die lustigen „Tonys“, selbst gebastelte Lesezeichen, Notizbücher oder poppig bemalte Sprossen von Lattenrosten, die Martina Döffingers Ideenreich im Kinderhaus zieren und sich auch gut als Dekoobjekte im Garten machen. Natürlich hat sich die Freizeitgestalterin auch eine kindgerechte Version der Pinnwandmagnete ausgedacht. „Wenn ich irgendein neues Material oder eine neue Technik entdecke, überlege ich immer, wie sich das so vereinfachen lässt, dass auch Kinder daran Spaß haben.“ So kam sie auf die Idee, dass sich Pinnwandkacheln prima mit buntem Papier bekleben lassen. Auch das, so lernen die Kinder, lässt sich mit Stempeln oder Druckvorlagen und ein bisschen Farbe ganz einfach selbst herstellen.

Die bunt gemusterten Papierstücke eigenen sich auch prima, um ein Notizbuch für die beste Freundin zu bekleben. „Den Kindern ist es sehr wichtig, andere zu beschenken“, berichtet die Künstlerin. „Das kann ich sehr gut nachvollziehen, denn ich verschenke auch gerne etwas“ - am liebsten natürlich was Selbstgemachtes. Beim Basteln und Werkeln lernen die Mädchen und Jungen so ganz nebenbei, „dass Handarbeit etwas sehr Wertvolles ist. Und ihre Sinne werden geschult.“ Zwar liefert Martina Döffinger immer wieder neue Ideen. „Mir ist es aber wichtig, dass die Kinder mit dem Material spielen und selbst Dinge ausprobieren können.“ Wenn etwas auf Anhieb mal nicht so gelingt oder man es einfach nicht so schön findet, gibt sie Tipps, wie die Sache doch noch zu retten ist.

Nachdem die Künstlerin in Stuttgart den Strickring entdeckt hatte, tüftelte auch sie erst einmal, was sich damit alles machen lässt. Als Martina Döffinger in ihrem unerschöpflichen Fundus an Bastelmaterial schließlich einige kleine, handgefilzte Kugeln entdeckte, war der „Tony“ geboren. Der entwickelte sich im Kinderzentrum Agapedia schnell zum Renner. „Ein Tony geht immer, auch wenn man sich schon vorher bei den Proben für den Kinderzirkus total ausgepowert hat“, erzählt die Freizeitpädagogin. Und er ist bei Mädchen und Jungs gleichermaßen beliebt. „Auch Kinder mit Handicap können ihn basteln.“ Zudem macht „Tony“ Werbung für Agapedia und spült Geld in die Kasse. Wenn sich die Heizungsfirma Buderus alle zwei Jahre auf einer Messe in Frankfurt präsentiert, darf Agapedia dort gegen eine Spende die Tony-Figuren verteilen. „Die Kunden sind total begeistert, weil sie so ein nettes Mitbringsel für ihre Kinder daheim haben.“ So reist „Tony“ inzwischen um die ganze Welt.