Beim Verteilen geht es gerecht zu: Tanja Kühfuss wiegt zarte Spinatblätter. Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Aufgeregt nimmt sich die kleine Loris ein Wassermelonen-Pflänzchen und läuft zum Feld. Da warten schon ihre Brüder Samuel und Ruben, um die Setzlinge einzupflanzen. „Das ist auch für uns ein Experiment“, sagt ihr Vater David Traub, der den Hopfenhof als gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft führt. Im vergangenen Jahr hätten er und sein Team mit Honigmelonen gute Erfahrungen gemacht. „Dieses Jahr hat sich unser Solawi-Kreis mal Wassermelonen gewünscht“, sagt der erfahrene Bauer. Sein Lächeln ist nicht zu übersehen. Er macht keinen Hehl daraus, dass er gerne Neues wagt.

Hinter dem Begriff „Solawi“ verbirgt sich eine Gemeinschaft von Anteilsnehmern. Seit April 2015 führen er und seine Frau Damaris den Bioland-Hof auf der Oberensinger Höhe nach diesem wirtschaftlichen Prinzip. „Das bedeutet für uns Landwirte nicht zuletzt finanzielle Planungssicherheit“, sagt David Traub. Mit Sorge sieht er, „dass in den Supermärkten Gemüse zu Spottpreisen geradezu verramscht wird.“ Kohlrabi für 39 Cent oder weniger? Das deckt aus Traubs Sicht nicht einmal ansatzweise die Produktionskosten.

„Wir kalkulieren so, dass für mich und meine Mitarbeiter ein fairer Preis übrig bleibt.“ Dafür bekommen die Konsumenten nicht nur biologisch angebautes Gemüse. Für David Traub sind die Verbraucher Partner, denen er auf Augenhöhe begegnet. Und da liegt für ihn auch der wirtschaftliche Nutzen auf der Hand. Das Konzept habe die

Landwirtschaft für ihn wieder attraktiv gemacht. „Man kann ganz anders arbeiten, wenn man nicht immer den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt ist.“ Durch Vorfinanzierung und neue Strukturen mache ihm und seinem Team die

Arbeit noch mehr Freude.

„Wir haben auch einen Bildungsauftrag“, findet der engagierte Landwirt. So ließ er sich als Bauernhofpädagoge fortbilden. Interessenten nimmt er gerne mit aufs Feld. Geduldig erklärt er ihnen die Fruchtfolge. Wer mag, darf mithelfen. In einer Gemüse-Werkstatt experimentieren interessierte Anteilnehmer gemeinsam mit den Profis. Geführte Touren über den Hof stehen oft auf dem Plan.

„Wir geben unser Wissen gerne weiter“, sagt Damaris Traub. Wie man Tomaten im Folien-Gewächshaus richtig ausgeizt, hat Ingrid Ott-Duelli von ihr gelernt. „Es macht Spaß“, findet die Hausfrau, die mit dem Fahrrad auf den Hopfenhof kommt. Auf dem Gepäckträger hat sie ihren Korb dabei. Da packt sie das Gemüse und den Salat ein, den alle Anteilnehmer bekommen. Abholzeiten sind freitags. Spinat, Salate, Frühlingszwiebeln und Karotten packt Ott-Duelli in ihren Korb. „Dann lasse ich mich auch beim Kochen inspirieren.“ In dem engen Raum riecht es nach Erde. Das grelle Orange der Karotten ist mit hellbraunem Lehm übersät. „So bleibt es länger frisch“, weiß Ott-Duelli.

Mangold habe bei ihr früher nie auf dem Speiseplan gestanden, „das kannte ich gar nicht.“ Erst auf dem Hopfenhof habe sie das gesunde Gemüse kennengelernt, „und jetzt habe ich schon viele Rezepte ausprobiert“. Da habe sie erkannt, „dass man nicht zu jeder Jahreszeit Tomaten haben muss. „In der Saison schmeckt das am besten.“ 75 Euro kostet ihr Anteil im Monat, „und da ist alles dabei, was ich mag.“

Mit einem gut gefüllten Korb kommt Tanja Kühfuss aus dem Raum. Sie freut sich, dass sie immer frisches Gemüse bekommt. „Salat und Karotten aus der Region schmecken besser, das ist richtig knackig“, ist sie überzeugt. Für sie geht es bei der solidarischen Landwirtschaft auch ums Prinzip. „Gerade bei Obst und Gemüse sollten wir lange Wege vermeiden.“ Erdbeeren hat der Hopfenhof zusätzlich im Angebot, das ist nicht in den Anteilen enthalten. Während der Saison kommen viele Familien aufs Feld und pflücken die süßen Früchte.

Für Damaris Traub ist es schön, zu vermitteln, wie Obst und Gemüse wachsen. Ihre Töchter Pua und Loris und die Söhne Samuel und Ruben nimmt sie gerne mit aufs Feld. Im Spiel lernen die Kinder, wie alles wächst. Für die Familie, die im christlichen Glauben verwurzelt ist, steht die Bewahrung der Schöpfung im Vordergrund. Auch Tiere haben die Traubs. Denen haben die Kinder liebevoll Namen gegeben. Aufgeregt erzählen sie von ihren Schafen Lisa und Elisabeth. Katze Olga streicht den Besuchern um die Beine. Auf dem „Solawi“-Hof gehören alle dazu.

www.hopfenhof-traub.de

Verbraucher als Partner

Solidarische Landwirtschaft: In ganz Deutschland gibt es mindestens 144 sogenannte Solawi-Betriebe. Sie sind Mitglied im Netzwerk solidarische Landwirtschaft. Dabei gehen Verbraucher mit einem Landwirt eine Partnerschaft ein.

www.solidarische-landwirtschaft.org

Konzept: Wer eine nachhaltige Landwirtschaft selbst verwirklichen möchte, kann sich einem Hof der Solidarischen Landwirtschaft anschließen - oder selber einen gründen. Grundlage dieser Beziehung ist die gegenseitige Vereinbarung: der Hof ernährt die Menschen und alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte. Dies entspricht einer bewährten Praxis: für die längste Zeit der Menschheitsgeschichte waren Menschen mit dem Land verbunden, das sie ernährt hat. Bei diesem Konzept werden die Lebensmittel der Landwirtschaft nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen ein in einen eigenen, von Teilnehmerseite mitorganisierten und durchschaubaren Wirtschaftskreislauf.

Internationale Tradition: Das Konzept entstand in den 60er-Jahren in Japan, wo heute etwa ein Viertel der Haushalte an einem Teikei (deutsch „Partnerschaft“) beteiligt ist. In den Vereinigten Staaten entwickelte sich die dort Community-Supported Agriculture (CSA) genannte Wirtschaftsweise jedoch unabhängig davon in einem Kreis um den biodynamischen Landwirt Trauger Groh und durch den aus der Schweiz eingewanderten Jan Vander Tuin. Dort bestehen CSA-Gemeinschaften seit 1985, zurzeit mit 1500 Gruppen. Bei Genf in der Westschweiz besteht seit 1978 die Kooperative Les Jardins de Cocagne („Schlaraffengärten“). In Österreich gilt die 2011 gegründete Initiative Demeter Ochsenherz in Gänserndorf als Keimzelle, bezeichnet als gemeinsame Landwirtschaft (GeLa).