Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun (Text) und Robin Rudel (Fotos)

Aubergine neben Wirsing, Zuckermais neben Zucchini, große Kürbisse neben kleinen Cocktailtomaten: Nicht weit entfernt vom Freibad in Stuttgart-Möhringen gibt es ein Feld, das anders aussieht als die meisten anderen. Hier herrscht kunterbunte Vielfalt: Auf kleinstem Raum wachsen Dutzende unterschiedliche Gemüsesorten nebeneinander. Kein Wunder, denn hier gibt es nicht nur einen Gärtner, sondern gleich 150 auf nur einem Hektar Land. Sie alle haben sich für eine Saison der Gemüsezucht verschrieben - in einem Mietgarten von Bauer Klaus.

Bauer Klaus, das ist Klaus Brodbeck, 54 Jahre alt, Landwirt. Brodbeck hat vor fast 30 Jahren den Hof von seinen Eltern übernommen. Auf diesem betreibt er vor allem Gemüseanbau, aber auch allgemeinen Ackerbau, etwa mit Getreide und Mais. Zudem gibt es einen Hofladen, eine Pensionspferdehaltung und Blumen zum Selbstpflücken. Schon vor Jahren hat Brodbeck bemerkt, dass sich viele seiner Kunden sehr für den Gemüseanbau interessieren. Vor etwa zehn Jahren startete er deshalb einen ersten Versuch mit Mietgärten. Die Resonanz war zwar da, aber die Betreuung wuchs dem Bauern bald über den Kopf. „Wir haben schnell gemerkt, dass die Leute einen enormen Informationsbedarf haben“, erzählt er. Die Nachfragen seien so zahlreich gewesen, dass er bald jeden Abend zwei Stunden am Telefon hing. „Damals haben wir dann gesagt: Das kriegen wir nicht hin“, erinnert sich Brodbeck.

Doch so ganz wollte der Bauer die Flinte nicht ins Korn werfen - und auch die Kunden fragten immer wieder nach den Mietgärten. Deshalb beschloss der Landwirt vor etwa fünf Jahren, einen zweiten Versuch zu starten. Als er gerade anfing, zu planen, standen auf einmal Mitarbeiter des Unternehmens „Meine Ernte“ bei ihm vor der Tür. Die kleine Firma ist im Jahr 2010 von zwei jungen Frauen gegründet worden und betreut inzwischen Gemüsegärten an rund 30 Standorten in Deutschland. Der Dienstleister kümmert sich genau um das, wofür Bauer Klaus neben seiner Arbeit in der Landwirtschaft die Zeit fehlt. So schickt Meine Ernte etwa regelmäßig Rundmails mit Tipps, was aktuell im Garten getan werden sollte, auch lokale Besonderheiten werden darin angesprochen. „Ich werde jede Woche von den Mitarbeitern angerufen und gefragt, wie das Wetter war, ob es Kartoffelkäfer gibt oder wo der Wasserwagen derzeit steht“, erzählt Brodbeck. Diese Infos würden dann in die Mail einfließen. Zudem bietet Meine Ernte Workshops an und auf der Internetseite der Firma gibt es ein Gärtnerlexikon mit umfangreichen Tipps zu Aufzucht und Pflege der Pflanzen, zur Ernte sowie zur Verarbeitung der Früchte.

Für Klaus Brodbeck bleibt dennoch genug Arbeit übrig. Unter anderem hält er regelmäßig eine Gartensprechstunde direkt auf dem Feld ab: „Da werde ich dann mit Fragen bestürmt“, erzählt er. Oft müsse er dabei ganz grundsätzliche Tätigkeiten der Gemüsezucht erklären - das zeige ihm, wie wichtig diese Gärten seien. Manchmal habe er das Gefühl, geradezu Bildungsarbeit zu leisten. Auf der anderen Seite sei gerade diese Sprechstunde auch für ihn eine tolle Sache: „Ich lerne dabei viel dazu.“ Denn die Hobbygärtner probierten oftmals Dinge aus, die er so noch nie gemacht habe - und gäben ihm dann wertvolle Tipps.

Manche der Gärtner sind inzwischen nämlich keine blutigen Anfänger mehr. Er habe einige Mieter, die schon die zweite oder dritte Saison ein Gartenstück bearbeiteten, manche seien sogar von Anfang an dabei gewesen, sagt Klaus Brodbeck. Allerdings muss man sich für jede Saison neu anmelden. Denn die Miete läuft jeweils nur von Mai bis November - und die Gärten liegen jedes Jahr auf einem anderen Feld. Schließlich sei es wichtig, die Fruchtfolge einzuhalten, um eine gute Ernte zu erzielen, sagt Brodbeck. Wenn also die Saison im November endet, pflügt Bauer Klaus die 150 Gärten um. „Dann kommt meist Getreide auf das Feld, um den Boden zu neutralisieren“, sagt er. Am Ende der Saison kann man sich dann auch für das nächste Jahr anmelden. Erfahrungsgemäß sei etwa die Hälfte der aktuellen Mieter direkt wieder dabei, erzählt der Landwirt.

Auch wenn die neue Saison dann erst im Mai beginnt, wird Klaus Brodbeck schon viel früher aktiv. Denn das Konzept für die Mietgärten sieht vor, dass diese jeweils zu etwa drei Vierteln vom Landwirt bepflanzt werden, auf dem restlichen Viertel können die Mieter dann selbst anbauen, was sie wollen. „Wir bringen etwa 30 verschiedene Kulturpflanzen ein“, sagt Brodbeck. Darunter sind allein vier verschiedene Sorten Kartoffeln, aber auch Kürbis, Fenchel, Karotten und Kohl, Rote Bete, Zuckermais und Zwiebeln. Er probiere auch gern etwas Neues aus, sagt Bauer Klaus: In diesem Jahr pflanzte er Pak Choi an, eine chinesische Kohlart. Aber das sei gründlich schief gegangen: „Pak Choi ist sehr frostempfindlich.“ Wegen des heftigen Frosts im April habe es deshalb einen Totalausfall gegeben.

Doch dafür haben sich viele andere Gemüsesorten hervorragend entwickelt: In den Gärten sind inzwischen viele dicke Kürbisse und riesige Zucchini zu sehen, Kohlköpfe haben sich zu Prachtexemplaren gemausert und auf manchem Beet stehen meterhohe Sonnenblumen. Ein Teil des Erfolgs beruhe sicher darauf, dass er Profisaatgut verwende und keine Billigware, sagt Brodbeck. Auch das Vorpflanzen im Frühjahr sei sinnvoll, damit die Gartenmieter direkt ein Erfolgserlebnis hätten. Bei Saisonbeginn könnten sie zum Beispiel meist schon die ersten Radieschen ernten.

Den Sommer über sind sie hingegen selbst gefragt. Jeder entscheidet für sich, wie oft er in den Garten kommt und was er in diesem zusätzlich zu den vom Landwirt angelegten Gemüsesorten pflanzt. Nur wenige Pflanzen sind tabu auf dem Gelände, etwa Topinambur, weil der laut Brodbeck Unkrautprobleme in den Folgejahren verursache, oder Verbotenes wie Cannabis. Für die Arbeit können sich die Mieter an den Gartengeräten an einem kleinen Bauwagen bedienen, der auf einer Wiese vor dem Feld steht. Zudem steht stets ein Wagen mit Wassertanks für das Gießwasser parat, denn eine Wasserleitung gibt es auf dem Feld nicht. Eine Vorgabe ist allerdings, dass die Gärten nur biologisch bewirtschaftet werden dürfen. So könne er sicherstellen, dass keine verbotenen chemischen Substanzen verwendet werden, sagt Brodbeck. Zudem stelle er ohnehin gerade seinen gesamten Hof auf biologische Landwirtschaft um.

Vor allem bei jungen Leuten kommen die Mietgärten offenbar gut an. Klaus Brodbeck berichtet, dass die meisten seiner Mieter Leute zwischen 25 und 35 Jahre alt seien: „Das sind viele ganz junge Familien oder Berufsstarter, die sich noch nicht endgültig niedergelassen haben“, erzählt er. Viele wollten erst einmal ausprobieren, wie ihnen das Gärtnern gefällt, bevor sie sich nach einer eigenen Fläche umschauten. Allerdings täten sie das auf ganz unterschiedliche Weise: Manche würden ihren Garten absolut akkurat bepflanzen, andere alles zupflastern. Und einige Mieter haben sich auch Gedanken über den Namen für ihr Pflegegrundstück gemacht. So sind auf kleinen Täfelchen in der Erde durchaus charmante Kreationen zu lesen wie etwa „Wurzelparadies“, „Krautgarten“ oder „Querbeet“.

Zwei anbieter in der region

Anbieter: In der Region Stuttgart gibt es zwei größere Anbieter für Mietgärten. Neben den 150 Parzellen von Bauer Klaus, bei dem die Kundenbetreuung über die Firma „Meine Ernte“ mit Sitz in Bonn läuft, gibt es noch 25 Mietgärten auf dem Hof am Eichenhain zwischen den Stuttgarter Vororten Sillenbuch und Birkach. Der Landwirt Klaus Wais betreibt hier einen Biohof nach Demeter-Richtlinien und bietet die Mietgärten in Kooperation mit der Firma Ackerhelden an. Dieses Unternehmen wurde 2012 in Essen gegründet und arbeitet nach einem sehr ähnlichen System wie „Meine Ernte“ - mit dem Unterschied, dass alle Pflanzen in den Mietgärten bio-zertifiziert sein müssen. Bei beiden Anbietern werden die Mietgärten von den Landwirten vorbereitet und bereits teilweise bepflanzt. Die restliche Fläche können die Mieter selbst einsäen und bepflanzen. Dafür bekommen sie bei den Ackerhelden Saatgut und Pflanzen gestellt - wer zusätzlich selbst Besorgtes anbauen will, muss nachweisen, dass dieses bio-zertifiziert ist. Bei „Meine Ernte“ können die Mieter hingegen ihr Saatgut frei wählen.

Kosten und Aufwand: Bei Bauer Klaus kostet ein Mietgarten mit 45 Quadratmetern Fläche 229 Euro für eine Saison, ein Familien-Gemüsegarten mit 90 Quadratmetern kostet 439 Euro. Für einen Mietgarten auf dem Biohof am Eichenhain von etwa 40 Quadratmetern Größe zahlt man 299 Euro pro Saison - inklusive Saatgut und Pflanzen zum Selbstpflanzen. Beide Anbieter gehen von einem Aufwand von zwei bis drei Stunden Arbeit in der Woche aus.

Weitere Infos unter www.meine-ernte.de oder www.ackerhelden.de