Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Klaus Franke (Fotos)

In der großen Fabriketage in Albstadt-Tailfingen läuft es derzeit rund - nicht zuletzt dank der Kollektion „Hamburger Liebe“, die die Designerin Susanne Firmenich für Albstoffe entworfen hat. „Unsere Strickmaschinen sind seit zwei Jahren wieder rund um die Uhr in Betrieb“, sagt Geschäftsführer Fritz Renz und wirft einen prüfenden Blick auf eine der elektronisch gesteuerten Rundstrickmaschinen, auf der an diesem Nachmittag ein in Orangetönen gehaltener Jaquard-Jersey mit witzigen Apfelmotiven produziert wird. Die Maschine nebenan ist so programmiert, dass sie Reihe um Reihe den farblich passenden Ringeljersey ausspuckt. Ob Ringel, Rauten, Karos oder andere Motive, ob schwarz-weiß oder fröhlich bunt: „Alle unsere Albstoffe aus der Kollektion Hamburger Liebe passen farblich exakt zusammen.“

Als der diplomierte Textilingenieur die Firma 1982 mit seinem inzwischen verstorbenen Kompagnon Kurt Maute gegründet hat, hatte die Albstädter Textilindustrie ihre besten Jahre bereits hinter sich. „Viele Firmen, die Kleidung aus Maschenstoffen herstellten, haben damals den schnellen Profit gesucht“, erzählt der Geschäftsführer. Zunächst wurde die Näherei, dann die Zuschneiderei und schließlich die komplette Produktion ins Ausland verlegt. „Damit hatte man sich seine eigene Konkurrenz geschaffen und außerdem viel Know-How verloren.“ Wer aber, wie die Firma Maute + Renz mit ihren Marken „MR-création“ und „jeune tricot“, ausschließlich auf die Herstellung von Maschenstoffen gesetzt hat, hatte in der Regel größere Überlebenschancen. „Man muss eine hohe Qualität bieten, sehr flexibel sowie nah an seinen Kunden und am Markt sein und vor allem Nischen erkennen“, erklärt Fritz Renz. So haben die beiden Unternehmensgründer ihre Stoffe für die Wäsche- und Bekleidungsindustrie schon früh nach dem Öko-Tex-Standard 100 hergestellt. „Das ist aber kein Bio-Label im eigentlichen Sinn, obwohl es oft so beworben wird“, erklärt der Textilingenieur. „Denn dem Stoff wird lediglich eine gewisse Schadstoffarmut attestiert.“ Wie die Rohstoffe angebaut und unter welchen Bedingungen produziert wird, diese Fragen bleiben bei Öko-Tex außen vor.

Da dem Albstädter Textilbetrieb aber „nachhaltiges Handeln und Produzieren wichtig ist, möchten wir, dass die Produktion der Stoffe nicht zu Lasten der Umwelt und der Menschen geht, die sie herstellen“, betont Tobias Renz, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat und in dem Familienunternehmen den Verkauf managt. Deshalb machten sich Vater und Sohn auf den mühsamen Weg, die Stoffe von der Alb nach den strengen Biotextil-Normen IVN Best und GOTS zertifizieren zu lassen. „Das ist schlimmer als eine Steuerprüfung“, findet Fritz Renz. Ein Mal im Jahr schneien Kontrolleure unabhängiger Prüfinstitute herein. „Und die möchten wirklich alles sehen.“ Jedes Rohprodukt, das in der Tailfinger Firma verarbeitet wird, muss ein Begleitzertifikat haben, in dem bescheinigt wird, dass die Fasern und Garne die strengen Qualitätskriterien des Öko-Labels erfüllen. „Entlang der gesamten Lieferkette gelten ökologische und soziale Kriterien“, erklärt Tobias Renz, der stolz ist, dass die Maute + Renz Textil GmbH zu einem der ersten Unternehmen auf der Schwäbischen Alb gehört, das die Zertifizierung bekommen hat.

Beim Anbau von Bio-Baumwolle sind sowohl Pestizide als auch genetisch veränderte Pflanzen tabu. Zudem muss die Baumwolle ohne den Einsatz von Entlaubungsmitteln von Hand geerntet worden sein. Und GOTS macht Vorgaben für die Sozialstandards: Kinderarbeit ist ebenso verboten wie Misshandlung, Zwangsarbeit und Diskriminierung. Damit die Erzeuger von ihrer Hände Arbeit leben können, werden ihnen zudem faire Abnahmekonditionen und Preise garantiert. „GOTS ist zwar ein riesiger Aufwand, aber es ist das einzige Zertifikat, an das ich glaube“, sagt Fritz Renz.

Die GOTS-Kriterien gelten übrigens für alle Beteiligten und somit neben der Färberei und Ausrüstung, die im gleichen Gebäudekomplex wie die Strickerei ihr Domizil haben, auch für Lohnstrickereien, an die Maute + Renz Aufträge vergibt. „Dort lassen wir aber nur Single-Jersey stricken“, erläutert der Geschäftsführer. Komplizierte Stoffe, etwa der dreidimensional wirkende Cloqué-Jersey, werden ausschließlich im Haus gestrickt. „Für diese Technik braucht man sehr viel Wissen“, sagt der Textilingenieur. Dass das mit dem Niedergang der Albstädter Maschenindustrie verloren gegangen ist, merkt das Unternehmen heute. „An den Fachschulen im Land hat man schon vor Jahren aufgehört, diese Techniken zu unterrichten. Das ist sehr schwierig für uns, denn der Fachkräftemarkt ist total leer gefegt.“ Damit der Fachkräftemangel nicht zum Problem für die Firma wird, „stecken wir viel Kraft in die Ausbildung im eigenen Haus“. Zudem profitiert der Hersteller feiner Maschenstoffe von anderen Unternehmen, die dem traditionsreichen Textilstandort ebenfalls die Treue gehalten haben. „In Albstadt sind die Weltmarktführer der Strickmaschinen- und Nadelherstellung zu Hause, und die Nähe zur Fachhochschule bringt auch uns viele innovative Impulse“, berichtet Fritz Renz.

Gehen die Stoffe der Marken „MR-création“ und „jeune tricot“ hauptsächlich an Konfektionsunternehmen, ist man mit den Albstoffen einen neuen Weg gegangen. „Da der Do-it-yourself-Markt hierzulande stark wächst, liefern wir jetzt auch direkt an die Einzelhändler“, sagt Tobias Renz. Und auch die werden ganz nach ihren Bedürfnissen beliefert. Im Lager, wo die Stoffe doubliert, also auf Papprollen gewickelt werden, liegt unter anderem ein Auftrag für ein kleines Handarbeitsgeschäft in der Schweiz. „Die Dame braucht von einigen Stoffen nur ein paar Meter“, erklärt der Verkaufschef. „Aber sie wird natürlich ebenso von uns beliefert wie Händler, die große Mengen abnehmen.“ Schließlich profitiert das Unternehmen vom Trend zur Individualität. „Früher hat man selbst genäht, weil das günstiger war, heute will man ein individuelles Kleidungsstück“, hat Fritz Renz festgestellt. Zudem legten viele Hobbyschneiderinnen nicht nur Wert auf qualitativ hochwertige Stoffe. „Gerade Mütter, die für ihre Kinder nähen, möchten nicht, dass irgendwelche Schadstoffe auf die Haut kommen“, erläutert Tobias Renz. „Und da ist man dann auch bereit, für Qualitätsstoffe einen angemessenen Preis zu bezahlen.“