Dieses Badezimmer ist ein Zeuge der Jugendstil-Zeit. Quelle: Unbekannt

„Wir wollen keine Schaufenster ausstatten oder zur Disneyland-Kultur beitragen“, sagt Wolfgang Bloos.

Von Sabine Försterling (Text) und Andreas Kaier (Fotos)

Bis zu 500 Jahre alte, historische Zeugnisse früherer Handwerkskunst warten in dem Baumarkt der besonderen Art in Kirchheim auf Käufer: Türen nebst Griffen, Fenster, Treppen und Holzdielen sowie Spülsteine, Waschbecken, Öfen, Lampen und Beschläge. Wolfgang Bloos will ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität der Gesellschaft setzen. Und so heißt das Familienunternehmen sinnigerweise „Kreislauf“. Produktrecycling statt Materialrecycling lautet das Stichwort. „So werden Ressourcen geschont, und Energie wird gespart“, sagt der Diplom-Ingenieur. Wenn wertvolle Holzdielen wieder verwendet werden, müssen ein paar Bäume weniger gefällt werden. Bloos sieht sich aber auch als „Retter“ von Kulturgütern. In jedem vorindustriellen Produkt stecke nicht nur handwerkliche Arbeit, sondern es sei auch ein Zeuge seiner Epoche und habe eine Geschichte zu erzählen. Der Architekt, der auf die Sanierung von historischen Gebäuden spezialisiert ist, hat vor 19 Jahren zunächst angefangen zu sammeln. Denn sein Herz habe geblutet, wenn mancherorts die Abrissbirne zuschlug und Baukultur unwiederbringlich verloren ging. Die geborgenen Türen und andere Baumaterialien fingen an sich zu stapeln. Dann keimte die Idee eines historischen Baumarkts auf, der sich inzwischen in einem denkmalgeschützten Fabrikgelände von 1890 auf mehr als 2000 Quadratmetern präsentiert. Es gibt allein mehr als 500 historische Türen. „Kreislauf“ ist nun eines von 30 Mitgliedern im Unternehmerverband „Historische Baustoffe“, dessen Sitz in St. Georg ist. „Erst wenn der Erhalt historischer baulicher Anlagen am angestammten Ort nicht mehr möglich ist, halten wir es für unsere Pflicht, aus kulturhistorischen und ökologischen Gründen diese Anlagen insgesamt oder Teile davon durch behutsamen selektiven Rückbau für die Nachwelt zu erhalten“, steht in der Satzung.

Mittlerweile wird die Familie Bloos, mit an Bord sind noch die Söhne David und Julian sowie Gattin Petra, von Gemeinden, Handwerkern oder Privatleuten angerufen, wenn es um eine „Rettungsaktion“ geht. So meldeten sich die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul aus dem Kloster Untermarchtal, als ein Wohngebäude aus den 1920er-Jahren abgebrochen wurde. 30 Lampen warten nun auf ihre Käufer. „Die Eisentüren aus der Renaissance, die aus der Sammlung eines erkrankten Metallrestaurators aus Renningen stammen, waren ein Glücksfall“, sagt Wolfgang Bloos. Sie gaben aber auch einige Rätsel auf: Woher stammen die sichtbaren Einkerbungen? Der Architekt hat nachgeforscht: Es muss wohl das „Englische Rad“ gewesen sein, eine Metallwalze, die die Spuren bei der Herstellung hinterlassen hat. Und nicht Schwerthiebe, wie Bloos mit einem Augenzwinkern vermutet hat. Er habe wenig in den Archiven gefunden und stelle daher gerne die Türen der Forschung zur Verfügung. Eine hat inzwischen einen Käufer gefunden und wird in einem Weinkeller eingebaut. Apropos Türen. Sie werden neben den Holzdielen aus Pitchpine im historischen Baumarkt besonders nachgefragt.

Jeder Verkaufsgegenstand verfügt über einen Herkunftsnachweis, eine zeitliche Einordnung und wurde gegebenenfalls von einem Team aus Restauratoren wieder hergestellt. „Aber wie weit darf man dabei gehen?“ fragt sich nicht nur der Architekt. Die verfaulten Stellen in einem Pressstock einer Mostpresse aufzufüllen, die als Tischplatte nach Eindhoven verkauft wurde, damit habe er kein Problem. Aber ansonsten liegt Wolfgang Bloos viel an Authentizität. Historische Türen passen er und sein Team zwar den heutigen Sicherheitsstandards an. Gegen falsch verstandene nostalgische Gefühle wehrt sich der Architekt jedoch. „Wir wollen keine Schaufenster ausstatten und auch nicht barocke Türen in einen Neubau einbauen, geschweige denn zur Disneyland-Kultur beitragen“.

Und nun zu den Geschichten: Lieblingsstück von David Bloos im Baumarkt ist derzeit eine Badewanne von 1930 aus Steingut mit vier Füßen, die mit einem Kran aus einer Villa eines Diamantenhändlers gehievt werden musste. Twyford heißt der Hersteller aus England, der damals die Adelshäuser belieferte. Kaum wurde die Badewanne auf der Webseite von „Kreislauf“ angeboten, rief ein blaublütiger Herr aus Baden-Baden an. Der außen liegende Ablauf seiner identischen Badewanne war nämlich kaputt. „Kreislauf“ bot Hilfe an: Das kleine Originalteil wurde in Kirchheim abgebaut, mit der Post verschickt, von einem Handwerker vor Ort reproduziert und ist nun wieder an seinem Platz im Baumarkt. Wolfgang Bloos' Lieblingsstück ist ein Lavabo aus den 1950er-Jahren. Lange habe er gerätselt, was es mit dem Waschtisch nebst Spiegel auf sich hat. Der stand nach dem Zweiten Weltkrieg in den Baracken von Flüchtlingen. Dort gab es kein fließendes Wasser. So verbirgt sich hinter dem Spiegel der Wassertank, durch mechanisches Drehen des Hahnes floss das Wasser in einen Behälter im Unterschrank. Julian Bloos' Lieblingsstück ist ein Tisch aus massiver Eiche, einzigartig weil aus einem Stück gefertigt.