Der Kopfputz für Lokalpatrioten kommt bei den Kunden gut an. Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Ob knallig grün, pink-lila gestreift, dezent grau-meliert, in einem peppigen Orange oder den Farben der Trikolore - ob mit oder ohne Bommel: „Seit einigen Jahren ist es wieder ziemlich trendy, was auf dem Kopf zu haben“, sagt Ralf Berhalter. „Wichtig ist allerdings, dass Form und Farbe stimmen.“ So stapeln sich derzeit im Erdgeschoss des Schelztorturms Mützen in allen Schattierungen des Regenbogens. Denn im Eiscafé La Torre hat der 35-Jährige mit seinem Haubn-Laden sein Winterquartier aufgeschlagen. Der farbenfrohe Kopfputz wird jedoch nicht irgendwo auf der Welt unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt. „Alle unsere Haubn sind handgemacht in Esslingen“, erzählt der Jungunternehmer, der in der dritten Grundschulklasse zum ersten Mal eine Häkelnadel in der Hand gehalten hat. Das war im Keller der Grundschule in Baltmannsweiler und das Fach hieß technisches Werken. „Mit Technik hatte das aber nicht allzu viel zu tun. Wir haben da vor allem nähen, stricken und eben häkeln gelernt.“ Und schon als Drittklässler hat er beim Werkeln mit Wolle und Nadeln eine gute Figur gemacht. „Die Teile, die ich gehäkelt habe, waren schön gleichmäßig, und ich hab’ da auch eine gute Note für bekommen“, erinnert sich Ralf Berhalter. Auf seine Häkelkünste sollte er sich aber erst viele Jahre später wieder besinnen.

Nach dem Abi am Esslinger Theodor-Heuss-Gymnasium zog es ihn zum Sportstudium nach Köln. „Zum Abschluss des Studiums haben mir meine Eltern dann einen gemeinsamen Skiurlaub in den USA geschenkt“, erzählt er. Im Skiort Vail in Colorado lernte er den Chef eines in Albstadt beheimateten Reiseunternehmens kennen, das sich auf Ski-Reisen in Nordamerika spezialisiert hat - und heuerte schließlich als Ski-Guide an. „Die deutschen Gäste kommen dort vor allem zum Tiefschneefahren hin.“ Der gebürtige Esslinger, der in Baltmannsweiler aufgewachsen ist und jetzt wieder in Esslingen lebt, brachte nicht nur durch sein Sportstudium gute Voraussetzungen für den Job mit. Da er seinen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall absolviert hat, „habe ich eine solide Bergausbildung und kenne mich natürlich mit Lawinen aus“.

Zwar nahm auch ihn der Zauber der amerikanischen Bergwelt gefangen. „Aber die Abende sind dann doch sehr lang, und auf Dauer wurde es etwas langweilig.“ Gemeinsam mit seinem österreichischen Kollegen Andy überlegte er, wie man sich die Zeit vertreiben könnte. Da Andy ständig nach seiner „Haubn“ suchte, entstand nicht nur die Idee, selbst Mützen zu häkeln. Ralf Berhalter hatte auch gleich den passenden Namen für seine Produkte gefunden. Aber wie funktioniert das noch mal so ganz genau mit dem Häkeln? Natürlich wusste die Mama Rat. Nach einem Handarbeits-Crash-Kurs machte sich Sohn Ralf während eines Flugs nach Denver munter ans Werk und merkte, dass ihn sein Talent nicht verlassen hatte. „Meine erste Haubn sah gleich richtig gut aus“, erzählt er. „Und natürlich passte sie farblich perfekt zu meiner Skijacke.“ Das ist übrigens auch seinen heutigen Kundinnen und Kunden wichtig. „Ganz viele kommen mit ihren Ski- oder Winterjacken zu uns in den Schelztorturm und schauen, dass sie eine Mütze oder ein Stirnband in der exakt passenden Farbe bekommen.“ Und die Kunden freuten sich, dass es in dem vorübergehend zum Laden verwandelten Eiscafé eine so große Auswahl gibt.

Hoch über den Wolken erregte der häkelnde Mann damals einiges Aufsehen. „Manche Passagiere waren verwundert, andere eher belustig“, erzählt Ralf Berhalter. Als er dann aber mit seiner fertigen Haubn das Flugzeug verließ, gab’s auch jede Menge Anerkennung - und zwei Tage später den ersten Auftrag. Ein Kunde aus der Skigruppe, die der Sportlehrer durch die amerikanische Bergwelt begleitete, wollte unbedingt auch solch einen schicken Kopfputz haben. Denn der wärmt nicht nur beim Après-Ski. Unter der Haubn lässt sich auch bestens die vom Skihelm zerdetschte Frisur verbergen.

Dass aus dem ersten Kundenauftrag dann aber eher ein Helm als eine kuschlige Mütze wurde, lag nicht an Ralf Berhalters Häkelkenntnissen, sondern am Material. „Ich bin damals in den nächsten Wall-Mart gegangen und hab Wolle gekauft. Aber die hat einfach nichts getaugt.“ Der zweite Versuch mit ordentlichem Garn begeisterte den Kunden dann derart, „dass er gleich für seine ganze Familie Häkelmützen bestellt hat“. Seither nimmt der Haubn-Häkler nur noch qualitativ hochwertiges Garn in die Hand, das er von einem in Süßen ansässigen Großhändler bezieht. „Die Wolle muss vom Griff her angenehm und weich sein“, sagt der 35-Jährige, der noch zehn Stunden in der Woche an der Sportschule Stuttgart unterrichtet, sich aber ansonsten ganz aufs Mützenmachen konzentriert hat. Freilich verhilft er nicht nur Skifahrern und Snowboardern, sondern auch Bikern, der Motocross-Gemeinde und anderen Outdoorfans zu warmen Ohren. „Unsere Haubn und die gehäkelten Stirnbänder sind bei vielen Leuten beliebt, die gerne draußen sind, und wir verschicken sie mittlerweile in die ganze Welt.“ Denn die Mützen werden nicht nur direkt bei Sportveranstaltungen (oder eben bis Mitte Februar im Schelztorturm), sondern vor allem auch übers Internet vertrieben. „Mit unserem Haubn-Konfigurator kann man sich am Computer seine individuelle Wunschmütze zusammenstellen“, erläutert Ralf Berhalter, der sich mit der Kunst des Bommel-Wickelns ebenfalls auskennt.

Um die Nachfrage zu decken, reichen zwei eifrig häkelnde Männerhände längst nicht mehr. Seitdem das Geschäft mit den Mützen floriert, setzt der 35-Jährige neben der familiären Unterstützung auf professionelle Handarbeiterinnen aus Esslingen und Umgebung. „Die Frauen, die ich beauftragt habe, stricken oder häkeln unter anderem Muster für große Wollfirmen“, erzählt Ralf Berhalter, der sein Angebot inzwischen erweitert hat. Auf einem Tischchen des Eiscafés liegen mehrere bunt umhäkelte Ohrenschützer. „Der Gehörschutz wird vor allem auf lauten Veranstaltungen, zum Beispiel bei Motocross-Rennen, von Eltern für ihre Kinder gekauft.“ Aber auch ein Mitarbeiter der finnischen Luftwaffe setzt auf den Ohrenschutz made in Esslingen, natürlich passend zu seinem tarnfarbenen Arbeitsdress.

Da Ralf Berhalter nicht nur gut häkeln, sondern auch nähen kann, hat er vor zwei Jahren sein Sortiment um Mützen aus fein gestrickter Maschenware erweitert. Auch die stammt aus deutschen Landen. „Die Stoffe mit Merinowolle lasse ich in Bayern stricken, die Trikotware kommt aus Albstadt, bedruckt wird in Ulm, und genäht werden die Mützen dann von mir hier in Esslingen.“ Für sein saisonales Gastspiel im Schelztorturm hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen: ein Beanie mit Esslinger Silhouette und Schriftzug. Klappt man den Mützenrand um, erscheint die Vorwahl seiner Heimatstadt. „Vor allem der Gag mit der Telefonnummer kommt extrem gut an.“ Dass seine Haubn - ob gehäkelt oder gestrickt - immer mehr Fans finden, führt der Unternehmensgründer nicht nur auf die trendigen Formen und Farben zurück. „Es gibt immer mehr Leute, denen es wichtig ist zu wissen, woher die Produkte kommen und wie sie hergestellt werden. Da formiert sich glücklicherweise eine Gegenbewegung zu alles billig aus Asien.“