Wenn ausrangierte Turnmatten auf Ledersofas treffen, werden daraus Rucksäcke, die einiges aushalten. Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Recyclet, regional und handgefertigt: Diese Attribute sind Esther Hack - und natürlich auch ihren Kundinnen und Kunden - wichtig. Dass die Produkte zeitlos sind und man lange daran Freude hat, ist ein weiteres Merkmal ihrer Kollektion, die sie vor einigen Jahren um Regenjacken aus hochwertiger Bio-Baumwolle und Allwetter-Bekleidung aus ausrangierten Militärzeltplanen der polnischen Armee erweitert hat. „Ich möchte nichts anbieten, das nur für eine Saison gut ist.“ Schließlich wird alles von Hand gemacht. Am sogenannten Upcycling, also der Wiederverwertung gebrauchter Materialien, fasziniert die Modedesignerin, „dass aus etwas Altem etwas Neues wird“.

Auf die Idee, Gebrauchtes umzunutzen ist die Esslingerin, die mit ihrem Laden „hier und jetzt“ inzwischen am Rathausplatz/Ecke Webergasse ein Domizil gefunden hat, eher durch Zufall gekommen. Sie war gerade dabei, an der Kerschensteinerschule in Stuttgart ihren Abschluss als Modedesignerin vorzubereiten, als ihr ein Freund eine ausrangierte Werbeplane der Firma Porsche überreichte und meinte, sie solle doch daraus mal was machen. Eher als Beiwerk zu ihrer eigenen Mode-Kollektion gedacht, verarbeitete Esther Hack die Plane zu Taschen. Damit hatte sie offensichtlich den Geschmack all derer getroffen, die sich gerne ein nicht alltägliches Accessoire über die Schulter hängen. „Denn an dem Abend, an dem ich meine Kollektion vorgestellt habe, waren alle Taschen weg.“

Die trendigen Behältnisse erregten so viel Aufmerksamkeit, dass schnell weitere Aufträge folgten. „2003 ist das mit den Taschen so richtig losgegangen.“ Als etwa der bayrische Autobauer BMW den Mini auf den Markt brachte, trudelte gleich einmal ein Großauftrag in ihrem Atelier ein. Für die Promotion des Gefährts in den Autohäusern wurden auf einen Schlag 5000 Taschen geordert. Auch die Deutsche Bahn, Hugo Boss, Daimler und viele weitere namhafte Firmen wurden auf die Esslinger Taschenmacherin aufmerksam. Um Nachschub zu bekommen und die Wünsche ihrer Großkunden erfüllen zu können, hatte die längst Kontakt zu Leuten geknüpft, die Firmen mit Werbeplanen versorgen. „Im Laufe der Jahre sind bei mir auch immer mal wieder Werbebanner von der Stadt Esslingen gelandet“, berichtet die Designerin. Bevor sie diese und andere bis zu mehreren hundert Quadratmetern große Planen aber zerschneiden und verarbeiten kann, „muss der Kunde, der für die Werbung bezahlt hat, sie erst einmal freigeben“.

Zu Esther Hacks Kundschaft gehören schon lange nicht nur Firmen. „Meine Kunden kommen aus allen Generationen, von der Oma bis zum Enkel.“ Und sowohl Frauen als auch Männer verstauen alles, was man so braucht, in einer Hack-Tasche . Die Kunden eint der Wunsch nach Individualität. „Das Schöne an den Banner-Taschen ist ja, dass keine wie die andere aussieht.“ Hörte die Modedesignerin früher immer wieder, „dass meine Taschen den Fehler haben, dass sie nicht kaputt gehen“, stellte sie vor einiger Zeit fest, dass sich bei manchen Planen die Beschichtung löst. „Wohl weil auch in diesem Bereich alles immer billiger werden muss, sind die Planen inzwischen so lausig geworden ist, dass sie meinen Ansprüchen einfach nicht mehr genügen.“ Zudem hatte sie den Eindruck, „dass sich die Zeit mit den bunten Taschen ein bisschen überlebt hat“. Esther Hack machte aus der Not eine Tugend und suchte nach Alternativen. „Das Schöne an einer solchen Situation ist, dass man dadurch auf neue Ideen kommt.“

Nachdem die Designerin verschiedene Materialien getestet hatte, entschied sie sich für eine LKW-Plane, die „sehr stabil, strapazierfähig und auch noch wasserdicht ist“. Damit war „Rinder-Hack“ geboren. Der Corpus der Taschen wird aus einer LKW-Plane geschneidert, die Klappe mit Kuhfell besetzt. „Auch das sind alles Unikate, weil ja jedes Fell anders ist.“ Wie in jedem Behältnis aus ihrer Werkstatt findet man im Inneren der Kuhfelltasche neben Steckfächern und einem Handytäschchen eine Tasche mit Reißverschluss, in der sich der Geldbeutel sicher verstauen lässt. Zudem näht Esther Hack ein Innenfutter in hellen Farbtönen ein. „Wenn eine Tasche schwarz ausgefüttert ist, findet man darin nichts wieder“, ist ihre Erfahrung.

Auf der Suche nach neuen Ideen stieß die gelernte Modedesignerin auf ein Material, das optimal zum Thema Upcycling und zu ihrer Philosophie passt: ausrangierte Turnmatten. „Sie sind strapazierfähig und langlebig.“ Nach intensiven Recherchen im Internet hat sie einen Lieferanten gefunden, der ihre Leidenschaft für die Wiederverwertung teilt. „Er sammelt die Turnmatten ein und bewahrt sie somit vor dem Müll.“ Ein ähnliches Schicksal droht vielen Ledersofas. „Da ist eigentlich gar nichts dran“, hat Esther Hack festgestellt. „Aber sie werden rausgeworfen, weil sie nicht mehr gefallen und landen am Ende im Schredder.“ Da das Material, aus dem die Matten gemacht werden, stabil ist, eignet es sich auch, um schwere Lasten zu tragen. Jetzt näht die Taschenmacherin aus zerlegten Turnmatten und Ledersofas Rucksäcke. Und sie geht natürlich auf Sonderwünsche ein - etwa wenn es darum geht, eine Tasche zu entwerfen, die an einen Rollstuhl passt. „Ich mag es, wenn ich mir ständig etwas Neues einfallen lassen muss.“