Alles, was summt, brummt und zwitschert, hat in Schottergärten keinen Platz. Foto: picture alliance/dpa/Carmen Jaspersen

Werden Flächen mit Steinen versiegelt, gibt es keinen Lebensraum für Flora und Fauna. Über die Reichweite des Verbots solcher Anlagen gibt es bei Grün-Schwarz aber Streit.

Stuttgart - Sie sind grau, steril und weitgehend ohne Leben - Schottergärten sind seit einem Jahr in Baden-Württemberg gesetzlich verboten. Das Landesnaturschutzgesetz untersagt Hausbesitzern, die Flächen in dieser Form anzulegen. Doch nicht alle richten sich danach. Der Naturschutzreferent des BUND, Dominic Hahn, spricht von einer teils verheerenden Situation. „In Neubaugebieten im ländlichen Raum sind diese Gärten des Grauens nach wie vor ein großes Problem.“ Denn für die heimischen Tiere und Pflanzen werde jeder Quadratmeter, der bereitgestellt wird, dringend gebraucht. Einen Hinweis auf den Umfang der Gartengestaltung ohne Pflanzen mag eine Aktion des Landesnaturschutzverbandes geben, bei der um Fotos von Schottergärten gebeten wurde. In kurzer Zeit kamen über 1000 Aufnahmen zusammen.

Aber was genau sind Schottergärten? Der Boden wird bis zu 50 Zentimeter abgetragen, die Grube mit einem für Pflanzen undurchlässigen Netz ausgelegt und mit Kies aufgefüllt. Diese Fläche kann sich bis auf 70 Grad aufheizen und so das Mikroklima erheblich verschlechtern. Von dieser vegetationslosen Gestaltung zu unterscheiden sind Stein- und Präriegärten mit dünnen Gesteinsschichten und alpinem Bewuchs oder robusten Prärie-Pflanzen.

Definition von Schottergärten ist unklar

Das Umweltministerium hilft bei der Definition: „Dass die reine Schotterwüste sowohl für den Erhalt der Biodiversität als auch für den Klimaschutz im höchsten Maße kontraproduktiv ist, ist ebenso unbestritten wie, dass natürliche oder naturnahe Steingärten ein wertvolles Refugium für darauf spezialisierte Tier- und Pflanzenarten darstellen.“ Diese Klarstellung könnte auch den Baurechtsbehörden helfen, die sich laut Gemeindetag im Einzelfall schwer tun zu definieren, was ein Schottergarten ist und was nicht.

Auch ein Jahr nach der Neuregelung im Naturschutzgesetz sind sich Grün und Schwarz in der Frage des Bestandschutzes nicht einig: Aus Sicht des Hauses von Ministerin Thekla Walker (Grüne) gilt das Verbot für alle nach 1995 angelegten Schottergärten. Damals habe bereits die Landesbauordnung (LBO) Schottergärten untersagt, was durch die Regelung im Naturschutzgesetz nur bekräftigt worden sei. „Wir gehen davon aus, dass nach 1995 angelegte Schottergärten zurückgebaut werden müssen, können die Baurechtsbehörden aber nicht anweisen, sondern nur sensibilisieren“, heißt es im Umweltministerium. Aber auch die Gemeinden selbst könnten in den Bebauungsplänen Schottergärten verbieten und dies überwachen.

Bestandsschutz für ältere Schottergärten?

Das neue CDU-geführte Wohnungsbauministerium, dem die baurechtliche Kompetenz vom Wirtschaftsministerium übertragen wurde, sieht das - ebenfalls gestützt auf die LBO - anders. Dort heißt es: „Die nichtüberbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“ Das Wohnungsbauministerium meint, dass die „andere zulässige Verwendung“ auch das Anlegen von Schottergärten umfasse. „Daraus leitet sich ein Bestandsschutz für Schottergärten ab, die älter als ein Jahr und jünger als 16 Jahre sind“, sagt ein Sprecher von Ministerin Nicole Razavi (CDU). Für das Umweltministerium hingegen ergibt sich daraus eine Begrünungspflicht.

Der Gemeindetag mahnt eine rechtliche Klärung an. „Die unteren Baurechtsbehörden in den Gemeinden, Städten und Landkreisen sollten wissen, wie sie vorgehen sollen“, sagt eine Sprecherin. Aus Sicht des BUND gibt es zu wenig Personal bei den Behörden, um das Verbot auch durchzusetzen. „Wo es keine Kontrolle gibt, werden Regeln auch nicht eingehalten“, meint BUND-Experte Hahn.

„Mehr Wildnis zulassen“

Viele Architekten schlagen sich auf die Seite des Umweltministeriums. Christoph Luz etwa sieht in der LBO die Vorgabe, unbebaute Flächen nach einer Besiedelung zu begrünen. Leider sei bis zum gesetzlichen Verbot eine Tendenz zu Gärten ohne Pflanzen zu verzeichnen gewesen. Der Landschaftsarchitekt wertet diese Mode als kulturellen Rückschritt und als Zeichen für schwindende Verantwortung für die Umwelt. Dabei könnten die vermeintlich bequemeren Schottergärten zur „aseptischen Intensivstation“ werden, weil sich dort Schmutz, Samen, Moos und Algen ansammelten.

Dagegen braucht es für einen insektenfreundlichen Garten gar nicht viel Aufwand, findet Umweltschützer Hahn. Zweimal im Jahr Rasenmähen sei genug, die Wiese bilde mit Wildblumen, Stauden Kräutern einen pflegeleichten Lebensraum für Insekten und Kleinlebewesen: „Wir müssen einfach mehr Wildnis zulassen.“