Kyle Kondik sieht US-Präsident Biden unter Druck. Foto: privat

Die US-Wähler zweifeln an der Kompetenz des US-Präsidenten, sagt der US-Politologe Kyle Kondik. Dieser Eindruck habe sich nach dem Rückzugsdesaster in Afghanistan gefestigt.

Herr Kondik, Joe Biden hat schwache Zustimmungswerte um die 40-Prozent-Marke. Wie sehr ist er ein Mühlstein um den Hals der demokratischen Kandidaten?

Bidens Unbeliebtheit macht den Demokraten das Leben schwer. Er hat gegenüber dem Sommer in den Umfragen leicht zugelegt, bewegt sich aber immer noch ziemlich weit unten. Donald Trump und Barack Obama fanden sich zu diesem Zeitpunkt ihrer Präsidentschaft in einer vergleichbaren Lage wieder. Und in beiden Midterms gingen die Wahlen nicht gut für die Partei des Präsidenten aus. Die Wähler nutzen die Gelegenheit, die Macht des Weißen Hauses durch den Verlust seiner Mehrheiten im Kongress zu begrenzen. Normalerweise sind die Anhänger der Opposition viel motivierter, wählen zu gehen. Das könnte diesmal etwas ausgeglichener sein, wegen des Abtreibungsurteils des obersten Gerichts vom Juni.

Was macht Joe Biden so unbeliebt? Verglichen mit seinen Vorgängern hat er doch einige wichtige Gesetze durch den Kongress bekommen?

Eine Menge Leute haben das Gefühl, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt. Da ist die schlimmste Inflation seit 40 Jahren. Die Benzinpreise sind richtig angestiegen, in einigen Teilen des Landes mehr als anderen. Und es gibt Zweifel an der Kompetenz Bidens. In den Umfragen lässt sich der Zeitpunkt genau festmachen, wann sich dieser Eindruck gefestigt hat. Das war im Sommer letzten Jahres nach dem Rückzugsdesaster in Afghanistan. Ich weiß nicht, ob er sich davon wirklich erholt hat, selbst wenn das Thema kaum mehr eine Rolle spielt.

Welche Rolle spielt Ex-Präsident Donald Trump bei diesen Zwischenwahlen?

In dem Maße, wie er sichtbar ist, schadet er den Republikanern. Für einen früheren Präsidenten ist er ziemlich sichtbar, aber nicht so sehr, dass er die Nachrichten dominiert wie während seiner Zeit im Weißen Haus oder als Kandidat. Aber bei diesen Wahlen geht es nicht um Trump.

Das heißt, die Arbeit des Untersuchungskomitees zum 6. Januar hat keinen Einfluss auf die Wähler?

Einige wird das schon beschäftigen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass zuletzt die Zahl derer gewachsen ist, für die das entscheidend ist.

In Arizona und Ohio schicken die Republikaner jüngere Kandidaten ins Rennen, die ideologisch anders aufgestellt sind als traditionelle Konservative. Ist weißer, christlicher Nationalismus die Zukunft der Partei?

J. D. Vance und Blake Masters sind Schützlinge des Milliardärs und Großspenders Peter Thiel. Dessen Überzeugungen lassen sich nur schwer festmachen. Er hat libertäre Züge, hängt aber auch der Idee des christlichen Nationalismus an, was sich zum Teil widerspricht. Vance und Masters haben eine gewisse Kantigkeit mit ihrem Fokus auf Einwanderung und Demografie, was sie zu schwierigen Mitgliedern in der Fraktion machte. Sie repräsentieren in der Tat die Zukunft der Republikaner, die einen wachsenden nationalistischen Flügel haben.

Diesem Lager hängt auch der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis an, der zur Wiederwahl ansteht. Haben ihm die Flüchtlingsflüge nach Martha Vineyard geholfen?

Bestimmt. Die Partei verfolgt bei der Einwanderung einen ziemlich strikten Kurs. Das sind nicht mehr die Republikaner George W. Bushs, der noch versucht hatte, einen Kompromiss bei der Einwanderung zu finden. Diese Republikanische Partei gibt es nicht mehr.