Nancy Pelosi unterzeichnet die offizielle Anklageschrift gegen Donald Trump. Foto: AFP/Stefani Reynolds

Donald Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Impeachment-Verfahren angestrengt wurden. Auch zehn Republikaner stimmten dafür. Wie es jetzt weitergeht.

Washington - Donald Trump ist ein Liebhaber der Superlative. In seiner Sprachwelt sind die Dinge gerne das Beste, Größte, Höchste, Tollste, Erste. Nun hat der Republikaner selbst einen historischen Rekord erreicht: Trump ist der erste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der sich einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen muss. Diesmal läuft er tatsächlich Gefahr, am Ende auch verurteilt zu werden - einen Schuldspruch gegen einen Präsidenten gab es noch nie. Damit würde Trump erst recht Geschichte schreiben.

Es war am Mittwoch vor einer Woche, als Trump-Unterstützer - angeheizt von einer Rede des Präsidenten - während einer Kongresssitzung das Kapitol überrannten, Scheiben einschlugen, in Sitzungssälen randalierten, Parlamentarier bedrohten und Polizisten angriffen. Fünf Menschen kamen ums Leben. Nur eine Woche später klagt das Repräsentantenhaus Trump offiziell dafür an, dass er den Gewaltakt gegen das Herzstück der amerikanischen Demokratie angezettelt habe. Er muss sich nun wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ in einem Impeachment-Verfahren im Senat verantworten.

Soldaten im Kapitol – strengste Sicherheitsvorkehrungen

Bei der Sitzung des Repräsentantenhauses zum Impeachment an diesem Mittwoch ist das Kapitol hermetisch abgeriegelt. Tausende schwer bewaffnete Nationalgardisten sichern das Gebäude außen und innen. Bei der Debatte im Saal erzählen Abgeordnete, wie sie sich eine Woche zuvor vor den Eindringlingen in Sicherheit bringen mussten, wie sie am Boden kauerten, Angst um ihr Leben hatten. Die Kammervorsitzende, die Demokratin Nancy Pelosi, nennt Trump „eine Gefahr für das Land“.

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Die Demokraten stimmen am Ende geschlossen dafür, Trump des Amtes zu entheben. Aber auch zehn Republikaner stellen sich bei dem Votum offen gegen ihren Parteikollegen. Beim ersten Impeachment-Votum gegen Trump vor gut einem Jahr standen die Republikaner noch klar zu ihm.

Impeachment in Blitzgeschwindigkeit

Der Vorwurf gegen Trump lautete damals Machtmissbrauch und Behinderung von Kongress-Ermittlungen. Monatelang gab es Ermittlungen, Anhörungen, Zeugenbefragungen. Am Ende wurde Trump im Senat mit der Mehrheit der Republikaner freigesprochen.

Diesmal ist alles anders. Es ist ein Blitz-Impeachment. Nach den brutalen Krawallen am Kapitol stellten die Demokraten innerhalb weniger Tage ein Amtsenthebungsverfahren auf die Beine - ohne Untersuchungen, Anhörungen, Ausschusssitzungen. „Es gibt nicht viel zu untersuchen“, sagt der demokratische Abgeordnete David Cicilline. „Wir waren alle Zeugen davon oder Opfer davon, wir haben alle öffentlich die Aussagen des Präsidenten und seine Tweets gesehen.“

Zehn Republikaner stimmen für Impeachment

Diesmal gibt es auch Republikaner, die sich schockiert zeigen von Trumps Verhalten. Manche sagen sich in spektakulärer Weise von ihm los, wie Liz Cheney, die zur Führungsriege der Republikaner im Abgeordnetenhaus gehört und für ein Impeachment Trumps stimmt – so wie neun ihrer republikanischen Kollegen im Repräsentantenhaus. Andere versuchen den Balance-Akt zwischen offener Kritik und einem Rest an Loyalität zu Trump - oder zumindest zu dessen Anhängern.

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Der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy etwa - bislang ein ergebener Trump-Verbündeter - sagt: „Der Präsident ist nicht ohne Schuld.“ Trump trage Verantwortung für die Attacke auf das Kapitol. Doch ein Impeachment in letzter Minute sei der falsche Weg. Viele Republikaner stecken in dem Dilemma, dass sie sich von Trump distanzieren wollen, ohne aber dessen große Anhängerschaft zu vergraulen. Sie brauchen Trumps Basis bei kommenden Wahlen.

Was macht Mitch McConnell?

Nun schaut alles auf die Republikaner im Senat. In der Kammer wird entschieden, ob Trump am Ende des Amtes enthoben wird oder nicht. Der Senat nimmt in einem Impeachment-Verfahren die Rolle eines Gerichts ein. Für eine Verurteilung Trumps wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig - mindestens 67 Senatoren müssten dafür stimmen. Republikaner und Demokraten haben beide jeweils 50 Sitze in der Kammer. Die Demokraten müssten also, selbst wenn sie geschlossen für Trumps Verurteilung stimmen, mindestens 17 Republikaner auf ihre Seite ziehen.

Vier Senatoren, die Trumps Vorgehen scharf kritisiert und zum Teil sogar dessen vorzeitigen Rückzug gefordert haben, gelten bereits als potenzielle Abweichler. Könnten noch 13 weitere mitmachen? Für Aufsehen sorgte ein Bericht der „New York Times“, wonach der oberste Republikaner im Senat, Mitch McConnell, das Impeachment-Verfahren für gerechtfertigt halte und sogar froh darüber sei, weil sich die republikanische Partei auf diesem Weg von Trump lossagen könne. Würde der mächtige Frontmann den Republikaner intern oder sogar öffentlich seinen Daumen über Trump senken, dürften einige Parteikollegen folgen. Dann könnte Trump tatsächlich eine Verurteilung drohen.

Sagt sich die Partei nun von Trump los?

McConnell stand jahrelang stramm an Trumps Seite, agierte als dessen verlängerter Arm im Senat. Trumps Feldzug gegen den Wahlausgang wollte McConnell zum Schluss aber nicht mehr mittragen. Der Sturm auf das Kapitol habe der Beziehung der beiden den Rest gegeben, berichten US-Medien unter Berufung auf McConnells Umfeld. In einer Nachricht an seine Senatskollegen erklärt der Republikaner am Mittwoch nach übereinstimmenden Berichten, dass er noch unentschieden sei, wie er abstimmen werde. Eine beachtliche Ansage.

Unter dem Eindruck der Krawalle, bei denen Abgeordnete und Senatoren selbst um ihr Leben fürchteten, scheint es eine nie dagewesene Dynamik gegen Trump in der republikanischen Partei zu geben. Wie lange dies anhält, ist offen. Daher könnte das Tempo des weiteren Verfahrens entscheidend sein für Trumps Schicksal.

Wie lang wird das Verfahren dauern?

McConnell macht sofort nach dem Votum im Repräsentantenhaus klar, dass er nicht gedenkt, das Verfahren noch vor der Vereidigung von Trumps Nachfolger, Joe Biden, in der kommenden Woche zu starten. Aber was soll ein Amtsenthebungsverfahren nach dem Ende der Amtszeit? Den Demokraten geht es auch darum, Trump für künftige Ämter zu sperren - damit könnte er nicht noch einmal als Präsidentschaftskandidat 2024 antreten. Und: Sie wollen ein Exempel statuieren.

Das Amtsenthebungsverfahren wird nun den Start in Bidens Amtszeit überschatten. Der Demokrat braucht den Senat gleich zu Beginn dringend, um seine Regierungsmannschaft zu bestätigen und erste Gesetzesvorhaben zu beraten. Biden selbst brachte zuletzt die Idee ins Spiel, die Kammer könne womöglich jeweils den halben Tag dem Impeachment widmen und die andere Hälfte dem aktuellen Parlamentsgeschäft. Jenseits dieser logistischen Probleme stellt das Impeachment-Verfahren Biden auch vor die Herausforderung, das scharfe Vorgehen gegen Trump in Einklang zu bringen mit seinen eindringlichen Rufen, das Land brauche Heilung, Ruhe und Einigkeit. Die Demokraten gehen also in mehrerer Hinsicht erneut ein politisches Risiko ein.

Welche Strategie hat Donald Trump?

Trump meldet sich kurz nach dem Impeachment-Votum mit einem Aufruf zur Versöhnung an die Nation. In einem gut fünfminütigen Videoclip gibt sich der Republikaner ungewohnt sanft und präsidial, verurteilt die Krawalle, ist bemüht, sich von den Randalierern zu distanzieren, ruft zu Einigkeit und Gewaltverzicht auf. Es ist eine Botschaft an alle Amerikaner - so sagt Trump. Ein Mitbürger dürfte ihm als Adressat aber besonders am Herzen liegen: McConnell. Trump scheint daran gelegen, vor dem Start des Impeachment-Verfahrens im Senat sein Bild als gefährlicher Zündler abzustreifen. Das Impeachment-Votum im Repräsentantenhaus erwähnt Trump mit keiner Silbe.