Am Bahnhof in Reichenbach bietet Stadtmobil Stuttgart seinen knallroten Opel Combo zur Nutzung an. Foto: Rainer Wolfer

Carsharing gibt es in Reichenbach schon viele Jahre, in Hochdorf soll es demnächst starten. In beiden Gemeinden sind unterschiedliche Anbieter und damit auch unterschiedliche Konzepte am Start.

„Wir wachsen immer weiter in die Peripherie“, sagt Jan Lutz, der Pressesprecher des Carsharing-Anbieters Stadtmobil Stuttgart. Das sei ein Beitrag zur Verkehrswende, allerdings schreibe man im ländlichen Raum keine schwarzen Zahlen. Nur als Mischkalkulation trage sich das Ganze, das Carsharing in Stuttgart bezuschusst also die Standorte auf dem Land. In Reichenbach hat zudem bis zum Jahresanfang eine Kooperation geholfen, denn die örtliche Baugenossenschaft nutzte das knallrote Stadtmobil für die Fahrdienste, die sie ihren älteren Bewohnern auf dem Siegenberg anbot. Dieser Service wurde aber eingestellt.

Das Reichenbacher Stadtmobil steht am Bahnhof

Jetzt steht das Reichenbacher Stadtmobil am Bahnhof. Der Wegfall der Seniorenfahrten muss durch zusätzliche private Nutzung kompensiert werden. Dass das Auto überhaupt noch vor Ort ist, liegt an einigen engagierten Menschen in der Gemeinde. Auf dem Land sei Stadtmobil über seinen Verein nur dort vertreten, wo Aktive – Lutz nennt sie „local heroes“ – das Carsharing fördern.

Rainer Wolfer ist so ein local hero in Reichenbach. Er wirbt im Gemeindeanzeiger, organisiert Informationsstände und spricht andere an. Dennoch ist bei der Nutzung des roten Opel Combo „noch viel Luft nach oben“, wie er erfahren hat. Wolfer, dessen Familie bereits seit 1998 auf Stadtmobil setzt, will mit Argumenten weitere Reichenbacher überzeugen. Wenn man alle Kosten für ein Auto rechne, sei ein Gemeinschaftsauto, „das nur kostet, wenn man es tatsächlich nutzt“, eine preiswerte Alternative und biete enormes Sparpotenzial, ist er überzeugt. Das gilt für den privaten Geldbeutel, man kann es aber auch auf öffentliche Parkplatzflächen beziehen. So geht das in diesem Jahr vorgelegte Mobilitätskonzept der Gemeinde Reichenbach davon aus, dass ein Carsharing-Fahrzeug fünf Privatautos ersetzen und damit entsprechend Fläche einsparen kann. Carsharing-Anbieter oder Verkehrsclubs wie der VCD setzen diese Zahl noch deutlich höher an.

Im Reichenbacher Mobilitätskonzept sind Sharing-Modelle generell als ein wichtiger Baustein vermerkt. Denkbar wäre auch das Modell „bestelltes Carsharing“, wie es in Plochingen praktiziert wird. Dort sind zwei Stadtmobil-Fahrzeuge stationiert, eines davon „bestellt“, was bedeutet, dass die Stadt es bezuschusst. Die Einnahmen aus der privaten Nutzung reduzieren den Zuschuss. Im Idealfall geht er für die Kommune gegen Null. In Plochingen nutzt auch die Stadtverwaltung selbst die roten Fahrzeuge als eine Art Dienstwagen. Das läuft Lutz zufolge sehr gut und sei „ein Paradebeispiel wie wir uns das wünschen“.

Kein Zuschuss aus der Gemeindekasse

Der Anbieter Deer, für den sich die Gemeinde Hochdorf entschieden hat, verzichtet dagegen auf einen Zuschuss aus der Gemeindekasse. Der „grüne Hirsch aus dem Schwarzwald“ verlangt lediglich einen Stellplatz und eine Ladesäule. Deer, eine Tochter der Energie Calw, ist ausschließlich mit Elektroautos unterwegs und schwerpunktmäßig im ländlichen Raum aktiv. Im Kreis Göppingen besteht bereits ein dichtes Netz, aber auch im Kreis Esslingen gibt es schon eine Reihe von Stationen, unter anderem in Wernau, Deizisau, Denkendorf und im Albvorland. Kann das wirtschaftlich sein? Ja, sagt Eileen Stork vom Deer-Marketing: Auf dem Land habe man weniger Konkurrenz durch andere Anbieter, mit geleasten Fahrzeugen und der Förderung für E-Mobilität könne man auch hier wirtschaftlich arbeiten.

Man versuche zudem, ein möglichst dichtes Stationen-Netz aufzubauen, denn je mehr Standorte es gebe, desto alltagstauglicher werde Carsharing. In Hochdorf soll das Deer-Auto am neu gestalteten Dorfplatz stehen. Der Standort ist noch nicht angeschlossen und deshalb noch nicht eröffnet. Das soll aber demnächst passieren.

Carsharing gibt es in Reichenbach schon seit den 1990er Jahren

Geschichte
In Reichenbach hat das Carsharing schon eine lange Geschichte, bereits Mitte der 1990er Jahre setzte sich eine Initiative in der Gemeinde für die gemeinsame Autonutzung ein. Sie kooperierte mit dem VDC in Esslingen und schloss sich mit diesem zusammen später „stadtmobil Stuttgart“ an.

Organisation
Stadtmobil ist in der Landeshauptstadt und benachbarten Städten als Aktiengesellschaft organisiert, im ländlichen Raum weiterhin als Verein mit ehrenamtlich Engagierten. Carsharing funktioniert hier stationär, das heißt, die Fahrzeuge werden dort wieder abgegeben, wo sie ausgeliehen wurden. Die Flotte ist groß und reicht vom Kleinwagen bis zum Transporter oder Kleinbus.

Kosten
Die Tarife beim Carsharing unterscheiden sich je nach Anbieter. Stadtmobil bietet verschiedene Tarifmodelle an. Sie kombinieren den Zeit- und den Kilometerfaktor, teils ist auch eine monatliche Grundgebühr fällig. Mit einem Kostenrechner auf der stadtmobil-Website kann man Privatauto und Carsharing gegenrechnen. Bei Deer wird nach Zeit abgerechnet, der Stundensatz liegt bei knapp zehn Euro, der Tagessatz bei 69,90 Euro. Deer-Autos kann man an jeder beliebigen Station des Anbieters abgegeben.

Carsharing initiieren
Sowohl Privatleute als auch Kommunen erhalten erste Infos auf der Website der jeweiligen Anbieters: stuttgart.stadtmobil.de und www.deer-mobility.de. Kontakt zur Gruppe in Reichenbach unter: reichenbach-fils@stadtmobil-ev.de