In Wangen ist es auch nachts schön – aber nach Ansicht der Stadtpolitik zu laut. Foto: dpa/Felix Kästle

Weniger Strahlung, weniger Lärm – hoffentlich. Die Städte Wangen und Ravensburg schalten nachts neuerdings das kostenlose öffentliche WLAN ab. Die Reaktionen sind nicht nur freundlich.

Es kommt selten vor, dass Kommunen bundesweit Aufsehen erregen, indem sie schlicht etwas Selbstverständliches unterlassen. Den 20 Kilometer auseinanderliegenden oberschwäbischen Städten Wangen und Ravensburg ist das jetzt gelungen. Sie schalten seit wenigen Wochen während der Nachtstunden das kostenlose WLAN in den Altstadtbereichen ab. Damit, heißt es aus beiden Rathäusern, solle dem Ruhebedürfnis der Kernstadtbewohner Rechnung getragen werden.

Angefangen hat diesen April Wangen im Allgäu, 27 000 Einwohner, ein Fachwerkidyll und im kommenden Jahr Austragungsort der Landesgartenschau. Die Vorfreude auf die Blumenschau, in deren Vorfeld ein völlig neuer Stadtteil gebaut wird, mag manche Stadträte um den Nachtschlaf bringen; ausschlaggebend für die Entscheidung war aber wohl das beharrliche Mahnen einer Bürgerinitiative namens „Verantwortungsvoller Mobilfunk Wangen“. Sie gründete sich Ende 2020 und steht dem kräftigen Sprießen der Funkmasten auf Dächern und Feldern, dem immer unbegrenzteren Datenaustausch und der Funkstrahlung kritisch gegenüber.

Penetrantes Musikstreaming zur Schlafenszeit

Die Entscheidung der Stadt, ab sofort täglich von 23 bis 5 Uhr den Ausknopf fürs städtische Netz zu drücken, fiel laut einer Rathaussprecherin vor allem zur Lärmreduzierung. „Es soll vermieden werden, dass sich nachts Menschen in der Stadt aufhalten, um dort das kostenlose Free Key zu nutzen.“ Das fördere Gruppenbildungen und Lärm, was für ruhebedürftige Kernstädter „eine bedeutende Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität“ bedeute. „Die Altstadtbewohner sollen in ihrem Ruhebedürfnis ähnlich geschützt sein wie Siedlungsbewohner“, so die Sprecherin. Nur so bleibe die Altstadt nämlich auf Dauer „lebendig“.

Ähnliche Töne kommen aus der Kreisstadt Ravensburg mit ihren gut 50 000 Einwohnern. Auch dort geht es stark um die Eindämmung sommerlichen Nachtlärms im Zentrum, insbesondere durch Musikstreaming. Wenn durch die Nachtabschaltung zugleich die Strahlenbelastung reduziert werde, umso besser, teilt ein Sprecher mit. Die Schotten des Ravensburger Netzes schließen von 22 bis 6 Uhr. Viele Jugendliche, so die Annahme, suchen gezielt das Gratisnetz, haben keinen eigenen Internetzugang, auf den sie stattdessen zugreifen können.

Das Netz reagiert unbarmherzig

Die Nachricht aus den Städten ist von Medien in ganz Deutschland und auch in Österreich verbreitet worden – die Reaktionen des Netzes fallen überwiegend unbarmherzig aus. In Leserforen und beim Kurznachrichtendienst Twitter etwa reichen die Kommentare von „So ein Quatsch“ über „BITTE, ein Aprilscherz“ bis zur spöttischen Bemerkung, es müsse nun auch „untersucht werden, wie die vermaledeiten Windkrafträder den Luftdruck verändern“. Ein paar „Elektrosensiblen“, so ist auch zu lesen, gelinge es im Süden der Republik tatsächlich, die Fortschritte der Digitalisierung zu hemmen.

„Uns wurde viel Verständnis und Respekt für diese Entscheidung entgegengebracht. Spott gab es auch“, sagt der Ravensburger Rathaussprecher. „Das nehmen wir natürlich sportlich.“ Festgemauert auf alle Zeit ist die Nachtabschaltung noch nicht, die Stadt will „nach einer bestimmten Zeit“ die Wirkungen in Sachen Musiklärm oder Stromersparnis prüfen. So macht das auch Wangen. „Eine wirkliche Beurteilung darüber, was sich verändert hat, kann es erst in etwa einem Jahr geben“, heißt es aus dem Rathaus. Dieser Sommer soll zeigen, wie die Partygänger wirklich reagieren. Bisher, zeigten erste amtliche Beobachtungen, wurden sie nachts nicht durchs lahmgelegte Internet von Straßen und Plätzen abgehalten, sondern von der Frühjahrskälte.