Werden Nicht-Deutsche eher straffällig als Deutsche? Ein Experte warnt vor einer falschen Debatte. Die Gründe, kriminell zu werden, hingen nicht an der Nationalität.
Der Kölner Kriminologe Frank Neubacher wendet sich dagegen, Nicht-Deutsche für krimineller zu halten als Deutsche. In der öffentlichen Debatte sei der falsche Eindruck entstanden, Kriminalität hänge von der Nationalität ab, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag). „Das ist aber genauso falsch wie anzunehmen, Kriminalität hänge von der Konfession, vom Familienstand, von der Haarfarbe oder von der Eigenschaft als Linkshänder ab.“
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gelte in der öffentlichen Debatte als Maß aller Dinge, kritisierte der Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Köln. Dabei wiesen Polizei und Bundeskriminalamt selbst auf die Grenzen der PKS hin. Die Kategorie „Kriminalität von Nicht-Deutschen“ orientiere sich allein an der Staatsangehörigkeit. Lebensverhältnisse, soziales Umfeld oder Einkommen von Tatverdächtigen spielten keine Rolle. Die Polizei sage selber, dass ein Vergleich zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zusammensetzung (Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur) kaum möglich sei.
„Wer ohne Bindungen ist, wird eher Straftaten begehen“
„Für die Wahrscheinlichkeit, straffällig zu werden, gibt es jedenfalls viel gewichtigere Kriterien“, erklärte Neubacher. „Ganz einfach und zugespitzt: Kriminalität ist jung und männlich.“ Mit Blick auf junge, männliche Täter ausländischer Herkunft kritisierte der Wissenschaftler, dass man sich nicht um deren Lage kümmere. „Getrennt von der Familie, oft traumatisiert von der Flucht, entwurzelt, halt- und bindungslos: Das sind alles Risikofaktoren - ebenso wie die Umstände der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen, wo Konflikte an der Tagesordnung sind“, so der Kriminologe.
„Wer ohne Bindungen ist, wird eher Straftaten begehen, weil niemand ihn zurückhält“, sagte Neubacher. „Der Familiennachzug könnte hier vielen von denen helfen, die einen festen Aufenthaltsstatus haben und eben nicht ‚mal eben’ abgeschoben werden können.“ Aber wenn es nach Union und FDP gehe, solle der Familiennachzug eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen werden. „Das würde Vereinsamung und soziale Instabilität noch verstärken. Aus kriminologischer Sicht ergibt das keinen Sinn.“
Laut Neubacher erfasst die PKS zu gut 90 Prozent die von Bürgerinnen und Bürgern angezeigten und nur zu etwa zehn Prozent die von der Polizei beobachteten Straftaten. Bei den polizeilichen Feststellungen wie bei den Anzeigen von Privatleuten seien Nicht-Deutsche benachteiligt. „Ihnen gegenüber sind die Anzeigebereitschaft und auch die Intensität polizeilicher Kontrollen größer. Das ist Konsens in der Kriminologie.“