Die Qualität seiner Zeichnungen führte Wolfgang Gäfgen 1977 bis zur Weltkunstschau Documenta in Kassel. Mit 87 Jahren ist der langjährige Professor der Stuttgarter Kunstakademie jetzt gestorben.
„Wolfgang Gäfgen“, schrieb unser Kritiker Rainer Vogt 2007 anlässlich einer Schau mit Werken von Gäfgen im Kunstverein Reutlingen, „ist sich seiner Mittel viel zu bewusst, um der Linie nicht alle Freiheit zu lassen, zu schweifen oder zu wuchernden Zellverbänden auszuwachsen.“ Und anlässlich einer umfassenden Würdigung 2018 in der Villa Merkel in Esslingen schloss Julia Lutzeyer ihre Besprechung mit dem Satz: „So lernt man Gäfgen als einen Künstler kennen, der die grafische Tradition mit dem Tempo und dem Duktus der Gegenwart zu verbinden weiß.“
Grenzgänger zwischen Deutschland und Frankreich
Da geht es also um einen mit ungemein wachem Geist. Stets einen halben Schritt auf Distanz und nicht selten mit einem Lächeln, das den eigenen Anspruch deutlich macht. Und bei alldem dies: interessiert. Wirklich interessiert an den Formungen Anderer, vor allem der Jüngeren. Mit dieser Haltung prägt Wolfgang Gäfgen, Teilnehmer der Documenta 6, 1977 in Kassel, von 1983 bis 2002 als Professor für Freie Grafik und Malerei an der Stuttgarter Kunstakademie zahlreiche Studierenden. Mehr noch aber: Gäfgen ist zugleich Europäer, der vor allem die Fäden zwischen Deutschland und Frankreich immer neu zu spinnen und zu festigen sucht. Sein grenzüberschreitender Rat fehlt nun – bereits am 13. Februar ist Gäfgen im Alter von 87 Jahren in Esslingen gestorben.
Feine leise Bildkunst
Eine Ausstellung unter den vielen Präsentationen des aus der Linie denkenden Künstlers bleibt besonders in Erinnerung – 2010 im Städtischen Museum im Spendhaus in Reutlingen. Gäfgens Spiel mit der Linienrealität hatte seinerzeit noch an Leichtigkeit, ja an Musikalität, gewonnen. Und so bleibt gültig, was mit der Begegnung in Reutlingen zu notieren war: „Alles in den Werken des 1936 in Hamburg geborenen und seit Jahrzehnten schon vor allem in Paris lebenden Gäfgen ist in ständiger Bewegung. Keine gerade entwickelte Figur kann sich lange halten, keine Farbspur bleibt umgekehrt auf sich allein gestellt. Tusche, Aquarellfarbe und Bleistift sind die Taktgeber dieser Welt - und Gäfgens Zeichenqualität ist geschuldet, dass die Formen und Szenen nicht über das Papier gelegt sind, sondern aus dem Weiß des Papiers als Weiß des Bildraums erwachsen. Eine feine leise Bildkunst, die viele Sehfreunde verdient.“