Hochgeschätzter Unternehmer: Heinrich Baumann Foto: KD BUSCH.COM

Es herrscht Fassungslosigkeit und Bestürzung über den plötzlichen Tod des Esslinger Unternehmers und Eberspächer-Chefs Heinrich Baumann. Mit ihm verliert die Wirtschaft in Esslingen und der Region Stuttgart eine große Persönlichkeit.

Esslingen - Nicht nur Stadt und Kreis Esslingen, ja die gesamte Wirtschaft im Südwesten hat eine ihrer renommiertesten Unternehmerpersönlichkeiten verloren: Heinrich Baumann, der geschäftsführende Gesellschafter des Esslinger Autozulieferers Eberspächer, starb bereits am Freitag bei einer Bergwanderung in den Tegernseer Alpen am plötzlichen Herztod. Führende Repräsentanten der Wirtschaft in Baden-Württemberg reagierten betroffen auf die Nachricht. „Mit Bestürzung und Fassungslosigkeit haben Mitglieder unserer Präsidien, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kammer, aber auch ich selbst vom plötzlichen Tod unseres Vizepräsidenten erfahren“, sagte Marjoke Breuning, die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.

Die Beschäftigten des Esslinger Traditionsunternehmens erfuhren am Dienstagabend in einer E-Mail vom Tod ihres Chefs. Die Nachricht war auf Wunsch der Familie bis dahin zurückgehalten worden. „Wir sind wie gelähmt, die ganze Firma ist im Schockzustand“, mit diesen Worten gab ein Mitarbeiter am Mittwoch die Stimmung wieder.

Heinrich Baumann wurde nur 54 Jahre alt

Die Bestürzung dürfte noch eine ganze Weile anhalten. Zu überraschend war der Tod von Heinrich Baumann, der nur 54 Jahre alt wurde und in vielen Gesprächen mit seinem jugendlichen Charme bestach. Er wirkte jünger, gleichwohl er zusammen mit Martin Peters an der Spitze eines Unternehmens mit weltweit 10 000 Beschäftigten stand. Und nicht nur dies: Als Vizepräsident der IHK Region Stuttgart und Präsident der Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen sowie als Präsident des Landesverbands der Industrie trug er auch Verantwortung außerhalb des eigenen Unternehmens – eine Verantwortung, die ihn in den vergangenen Jahren weniger drückte als Ansporn für entschlossenes Handeln war.

In den letzten Monaten aber, unter dem Eindruck der Corona-Krise, musste er an schwierigen Entscheidungen mitwirken: Aus Kostengründen sollen nach den Plänen der Geschäftsführung die Produktion in Esslingen stillgelegt und das Werk in Schwäbisch Gmünd geschlossen werden. Belegschaft und IG Metall liefen Sturm gegen diese Pläne – und wenn man Baumann traf, spürte man, wie sehr ihn das bedrückte. Er konnte aber die seit langem roten Zahlen etwa in der Produktion in Esslingen auch nicht ignorieren.

Eine Herzensangelegenheit waren Baumann die Ausbildung junger Menschen und die Vereinigung Europas. Als Präsident der Bezirkskammer Esslingen konnte er in seinen mehr als zehn Jahren an der Spitze dieser Regionalkammer Hunderte von jungen Frauen und Männern auszeichnen. Solche Auftritte hat er gern absolviert, nicht nur wegen der Sicherung des Nachwuchses für die Unternehmen der Region, sondern auch weil er sich stets für die Zukunft der jungen Leute engagierte. Besonders lag ihm die duale Ausbildung am Herzen.

„Europa ist für mich Frieden, Freiheit und Wohlstand.“

Und Europa, das immer noch so unvollständige, das war für ihn nicht nur Anlass zur Klage, sondern auch zum Weiterbauen und einem persönlichen Bekenntnis: „Europa bedeutet für mich Frieden, Freiheit und Wohlstand. Deshalb ist Europa für mich so wichtig“, sagte er einmal in einem Interview – auch mit Blick auf die Generation seiner Eltern und Großeltern, die eben diese Frieden und oft auch diese Freiheit nicht hatten.

Heinrich Baumann war der Ur-Ur-Enkel des Unternehmensgründers Jakob Eberspächer aus Esslingen. Dieser hatte 1865 am Neckar einen Handwerksbetrieb gegründet und sich damit auf metallgefasste Dachverglasungen spezialisiert. Fassadenverkleidungen aus Metall, das waren noch lange neben der Produktion von Abgasreinigungsanlagen einer der Bereiche, in denen das Unternehmen aktiv war. Aus dem Handwerksbetrieb ist – typisch für die Industrialisierung in Baden-Württemberg – ein weltweit tätiges Unternehmen geworden. Die 10 000 Mitarbeiter sind an 80 Standorten tätig. Und Baumann hat am Wachstum in führender Rolle mitgewirkt. Als er 2004 in die Unternehmensleitung eintrat, standen erst 5000 Beschäftigte auf den Lohn- und Gehaltslisten. Im vergangenen Jahr erzielte die Gruppe einen Umsatz von fast fünf Milliarden Euro – damit lag sie auf Platz 22 unter den 50 größten Unternehmen im Südwesten.

Ein Unternehmer aus Leidenschaft

Über wirtschaftliche Zusammenhänge zu reden und, wenn es sein musste, auch zu streiten, dafür war der Eberspächer-Chef immer zu haben. Dabei schöpfte er aus einem reichen Erfahrungsschatz, nicht nur als leidenschaftlicher Unternehmer. Bevor er 2004 bei Eberspächer einstieg, arbeitete er als Unternehmensberater für die renommierten Häuser Ernst & Young und McKinsey. „In vielen persönlichen Gesprächen vermittelte mir Heinrich Baumann zentrale Ein- und Ausblicke in die aktuelle Entwicklung der Esslinger Wirtschaftslandschaft“, sagte Esslingens OB Jürgen Zieger. Er sei dankbar für sein „vorbildliches persönliches sowie gesellschaftliches Engagement. Mit seinem Tod verliert Esslingen eine hoch geschätzte Unternehmerpersönlichkeit.“ Die Wirtschaft im Land und in der Region, besonders die Stadt und Kreis Esslingen, konnten sich jederzeit auf Baumann verlassen. Sein fundierter Rat gerade in Fragen der industriellen Transformation war hochgeschätzt.

Zum Ende dieses Jahres wollte er sein großes Engagement für die Wirtschaft reduzieren und sich aus den Führungsgremien der Industrie- und Handelskammer zurückziehen, womöglich auch mit Blick auf seine Familie, die oft auf ihn verzichten musste. Sein viel zu früher Tod schmerze deshalb besonders, sagte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. „Sein Rat, sein vorbildliches Engagement, sein Lächeln werden uns fehlen.“