Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen investiert einen dreistelligen Millionenbetrag im Werk Saarbrücken. Auch die Mitarbeiter müssen einen Beitrag leisten.
Der Zulieferer ZF wird am Standort Saarbrücken künftig auch Antriebssysteme für reine Elektrofahrzeuge herstellen. Bereits 2023 sollen dort neue Fertigungslinien installiert werden, ein Jahr später dann die Serienproduktion anlaufen. Eine entsprechende Vereinbarung sei mit den Vertretern der Arbeitnehmer geschlossen worden, teilt der Zulieferer aus Friedrichshafen mit.
ZF verpflichtet sich in der Vereinbarung zu Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe am Standort. Und die saarländische Landesregierung will die Transformation am Standort durch gezielte Fördermaßnahmen aktiv unterstützen. Aber auch von den rund 9000 Beschäftigten am Standort wird eine finanzielle Beteiligung erwartet. So sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftige Tariferhöhungen nicht mehr komplett auf dem Gehaltszettel wiederfinden.
Vielmehr sollen bis zu 2 Prozentpunkte pro Tarifrunde in einen Zukunftsfonds fließen; maximal ist der Beitrag auf 4 Prozentpunkte gedeckelt. Wichtig dabei: Nicht das Tarifgehalt wird gekürzt, vielmehr werden nur die übertariflichen Leistungen des Unternehmens angerechnet, erläutert Mario Kläs, der Betriebsratsvorsitzende des Standorts Saarbrücken. Alle Beschäftigten am Standort würden übertariflich bezahlt, fügte er hinzu. Bis zum Werkleiter werden alle belastet. Das Geld soll in einen Zukunftsfonds fließen, der zweckgebunden für Investitionen in neue Technologien verwendet wird.
Kläs schätzt, dass zwischen 25 und 30 Millionen Euro pro Jahr zusammenkommen, sobald die Beschäftigten ihren vollen Beitrag geleistet haben. Die Mittel sollen rein zur Zukunftssicherung des Standorts eingesetzt werden, versichert Thorsten Dellmann, der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Saarbrücken. Der Betriebsrat entscheidet dabei mit, wie die Mittel verwendet werden. Das Geld soll zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber osteuropäischen Billiglohnstandorten verwendet werden, betont Betriebsratschef Kläs.
Wie die Mitarbeiter reagieren
Wie reagieren die rund 9000 Beschäftigten am Standort auf die Vereinbarung? „In der schwierigen Situation haben die Arbeitnehmerinnen und Mitarbeiter die Notwendigkeit der Kürzung von übertariflichen Bestandteilen verstanden“, so Dellmann. „Wenn auch nicht mit der Begeisterung eines Fans.“ Kläs verwies auf die stark gestiegenen Energiekosten: Für einige Beschäftigten sei die Entscheidung schmerzhaft gewesen.
In Saarbrücken fertigt ZF traditionell Getriebe. Das Werk hat auch eine jahrelange Erfahrung in der Produktion teilelektrifizierter Antriebe. Als besonders erfolgreich gilt das neue Acht-Gang-Automatikgetriebe. Nicht nur Fahrzeughersteller in Nordamerika haben ZF Großaufträge erteilt, sondern beispielsweise auch BMW. Dabei spielen Hybridfahrzeuge, die sowohl einen Elektro- als auch einen Verbrennungsmotor haben, eine große Rolle. Das führt dazu, dass das Werk, in dem die 37,5-Stunden-Woche gilt, mittelfristig gut ausgelastet ist.
Keine Angst um den Arbeitsplatz
Angst um ihren Arbeitsplatz müssen sich die Beschäftigten ohnehin nicht machen. In einer früheren Vereinbarung wurde festgeschrieben, dass bis Ende 2025 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Eine weitere Beschäftigungssicherung werde noch verhandelt, so Dellmann.
„Der saarländische Weg, den wir gemeinsam am Standort Saarbrücken gehen, ist ein leuchtendes Beispiel, wie Strukturwandel aktiv gestaltet werden kann, wenn Unternehmen nach vorne denken und handlungsfähige Partner haben“, würdigt die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) die Vereinbarung.
„Das Beispiel Saarbrücken zeigt, wie erfolgreich Transformation im Schulterschluss zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Landespolitik orchestriert werden kann“, sagt auch Stephan von Schuckmann, Mitglied des ZF-Vorstands und verantwortlich für E-Mobilität. „Nur so werden wir die Veränderungen in der Wertschöpfung und Beschäftigung aktiv gestalten und unsere Standorte zukunftssicher aufstellen können“, fügt er hinzu. ZF habe aktuell bei der E-Mobilität einen Auftragsbestand von gut 25 Milliarden Euro, der auch von Saarbrücken aus abgearbeitet werden soll.
Die IG Metall zum Standort
Dellmann von der IG Metall glaubt durchaus, dass die Einigung Nachahmer finden wird: „Es ist allerdings fraglich, ob der Arbeitgeber sich auf ein solches Modell auch an anderen Standorten einlassen wird. Das Saarbrücker Werk ist einer der Gewinnbringer des Konzerns, und somit ist der Arbeitgeber ZF an einer weiteren hohen Produktivität und Qualität seiner Produkte interessiert.“