So soll das neue Gefängnis in Rottweil einmal aussehen. Fertig sein könnte es 2027. Foto: Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg/Amt Konstanz

Hinter Gittern fehlen Platz und Personal. Das Land schafft jetzt in Stuttgart, Heimsheim, Ravensburg, Schwäbisch Hall und Mannheim 800 zusätzliche Haftplätze. Das kostet rund 100 Millionen Euro und soll helfen, bis die neue JVA in Rottweil fertig ist.

Zu gemütlich sollte es der allgemeinen Vorstellung nach sicher nicht werden im Gefängnis. Doch wenn die Justizvollzugsanstalten (JVA) über einen längeren Zeitraum aus allen Nähten platzen, hat das Folgen. Gedränge hinter Gittern ist weder gut für die Arbeitsbedingungen des Personals noch für die Stimmung unter den Gefangenen. So betrachtet hat Baden-Württemberg ein Problem. Denn seit Jahren gelten die Gefängnisse im Land als überfüllt.

Nach Angaben des Justizministeriums liegt die Belegungsfähigkeit der Gefängnisse derzeit bei 7399 Haftplätzen. Im Dezember 2022 waren dort im Durchschnitt 6746 Gefangene untergebracht. Das klingt zunächst halb so wild. „Die Differenz ist aber ganz überwiegend durch freie Kapazitäten im offenen Vollzug und im Jugendstrafvollzug begründet“, sagt eine Sprecherin. Der geschlossene Vollzug an männlichen Gefangenen sei „aufgrund der seit dem Jahr 2015 deutlich angestiegenen Belegung erheblich überbelegt“.

Von einer Vollbelegung wird normalerweise bereits dann ausgegangen, wenn 90 Prozent der Haftplätze belegt sind. Denn zum einen müssen Haftplätze zur Bewältigung kurzfristiger Belegungsspitzen vorgehalten werden. Zum anderen muss es Kapazitäten geben, wenn Gefangene verlegt werden müssen. Und es geht um „eine adäquate Behandlung der Gefangenen“.

Hinzu kommt, dass viele Haftanstalten im Land veraltet sind. Sanierungsmaßnahmen werden spätestens vom Jahr 2025 an zu einer langfristigen Reduzierung der vorhandenen Haftplätze um mindestens 200 führen. Außerdem sollen kleine und unwirtschaftliche Einrichtungen eigentlich geschlossen werden. Mittelfristig lasse sich die Problematik deshalb nur durch die Schaffung von zusätzlichen Haftplätzen lösen, heißt es im Ministerium. „Um im Bereich des geschlossenen Vollzugs an Männern beim aktuellen Stand der Belegung die 90-Prozent-Auslastung zu erreichen, ist die Schaffung von rund 1000 Haftplätzen erforderlich“, sagt die Sprecherin.

JVA Rottweil könnte 2027 fertig sein

Dafür wird das geplante neue Großgefängnis in Rottweil mit etwa 500 Haftplätzen nicht genügen. Zumal es dort noch Jahre dauern wird. „In Rottweil liegt jetzt die Baugenehmigung für den Anstaltsneubau vor, sodass der Weg frei ist“, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU). Das für Baumaßnahmen zuständige Finanzministerium rechnet damit, dass der Bau des mit 280 Millionen Euro Kosten veranschlagten Gefängnisses im Herbst beginnen kann. „Wir rechnen mit einer Bauzeit von etwa vier Jahren. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die Ausschreibung und Vergabe der ersten Bauleistungen“, heißt es dort.

Was also tun? Es bleibt nur, bestehende Gefängnisse aufzurüsten. Und das soll nun auch geschehen. „Die Belegungssituation ist angespannt, und die Bediensteten im Justizvollzug sind bei ihrer täglichen Arbeit stark gefordert. Deshalb liegt unser Fokus darauf, dringend notwendiges Personal aufzustocken und Haftraumkapazitäten zu erweitern“, sagt Gentges. In den Justizvollzugsanstalten Heimsheim, Ravensburg und Schwäbisch Hall entstehen derzeit Unterkunftsgebäude mit jeweils 120 Haftplätzen. Es handelt sich um baugleiche Unterkünfte in Modulbauweise. „Sie werden voraussichtlich in diesem Jahr zur Verfügung stehen“, so die Justizministerin.

Erweiterungen in diversen Haftanstalten

Zusätzlich wird in der JVA Ravensburg ein bereits bestehendes Haftgebäude um 93 Plätze erweitert und in der JVA Mannheim der zweite Bauabschnitt für ein Haftgebäude für weibliche Gefangene mit 15 Haftplätzen umgesetzt. So entstehen für 82 Millionen Euro 468 zusätzliche Plätze. Hinzu kommen von Sommer an weitere 326 Plätze im eigentlich zum Abriss vorgesehenen Hochhaus der JVA Stuttgart in Stammheim. Dessen Instandsetzung kostet weitere rund 20 Millionen Euro.

Doch die räumlichen Kapazitäten sind nur das eine. Denn es braucht auch das Personal, um die vielen Gefangenen zu betreuen. Dem Justizvollzug stehen im Jahr 2023 insgesamt 4356,5 Personalstellen zur Verfügung. „Im bundesweiten Ländervergleich ist das eine vergleichsweise knappe Personalausstattung“, heißt es im Justizministerium. Im neuen Doppelhaushalt für 2023 und 2024 sind für den Justizvollzug 273 zusätzliche Stellen genehmigt worden. „Der wichtigste Sicherheitsfaktor ist die personelle Ausstattung“, sagt Gentges. Es sei wichtig, „gerade den uniformierten Vollzugsdienst massiv personell zu stärken – zum Schutz der Bediensteten, der Mitgefangenen und der Allgemeinheit“.

Personal ist schwer zu finden

Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn „die Besetzung von Personalstellen im Justizvollzug gestaltet sich bei einem insgesamt angespannten Arbeitsmarkt nicht einfach“, heißt es im Ministerium. Zum Jahresende waren deshalb im mittleren Vollzugsdienst nur 91 Prozent der Stellen besetzt.

„Besondere Schwierigkeiten bestehen bei der Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Pflegepersonal für die Krankenreviere der Justizvollzugseinrichtungen“, so die Sprecherin. Während etwa im Bereich des Sozialdienstes oder des Psychologischen Dienstes grundsätzlich nahezu alle frei werdenden Stellen in angemessener Zeit besetzt werden könnten, waren Arztstellen dagegen nur zu knapp 64 Prozent besetzt. Die ärztliche Versorgung der Gefangenen wird derzeit durch zusätzliche Vertragskräfte, Konsiliarärzte, Telemedizin und Arbeitnehmerüberlassung gewährleistet.

160 der 273 neuen Stellen sind Anwärterstellen für die Ausbildung im mittleren Vollzugs- und Werksdienst. Die übrigen neuen Stellen sollen „zeitnah“ den einzelnen Gefängnissen zugeteilt werden. Danach können sie durch die jeweilige JVA grundsätzlich besetzt werden. Wenn sich denn genug Bewerberinnen und Bewerber finden.

Ausländeranteil bei knapp 50 Prozent

Anstieg
Besonders eng ist es in den Gefängnissen im Land seit 2015. Damals ist die Zahl der Inhaftierten infolge der großen Flüchtlingswelle sprunghaft angestiegen. Lag der Ausländeranteil zuvor bei 39 Prozent, hat er sich seither bei knapp der Hälfte der Gefangenen eingependelt.

Nationalitäten
Bei der bisher letzten Erfassung zum Stichtag 31. März 2022 befanden sich 2889 ausländische Gefangene aus 93 unterschiedlichen Nationalitäten im baden-württembergischen Justizvollzug. Dies entsprach einem Ausländeranteil von 47,2 Prozent. Nach deutschen Gefangenen folgten türkische, rumänische, gambische, syrische, italienische, polnische, algerische, kosovarische, albanische und georgische Staatsangehörige.