Der Druck auf die Stadtverwaltung in Esslingen nimmt zu. Es geht um einen in der Bevölkerung beliebten Steg. Der soll abgerissen werden. Es mehren sich die Stimmen, die das verhindern wollen.

Esslingen - Eigentlich schien das Thema durch. „Der baufällige Alicensteg wird abgerissen“, lautete die Schlagzeile Ende Januar. Aber die Unzufriedenheit mit dem knappen Beschluss aus dem Ausschuss für Technik und Umwelt wächst – in der Stadtbevölkerung und unter den Stadträten. Er käme heute auch nicht mehr so zustande, denn Andreas Koch (SPD), dessen Stimme seinerzeit den Ausschlag gab für den Abriss, würde heute anders entscheiden. Denn wie zuvor schon andere Vertreter des Gemeinderates kommt auch Koch zu dem Schluss, dass die Verwaltung, die den Abriss favorisierte, „falsch beziehungsweise tendenziös argumentiert oder zumindest lückenhaft informiert“ hätte.

Bürgermeister: Vorwurf der Trickserei „unbegündet“

Bereits zuvor war der Bauverwaltung vorgeworfen worden, etwas „konstruiert“ zu haben, um den Abriss-Beschluss abgesegnet zu bekommen. Daraufhin meldete sich der Erste Bürgermeister Wilfried Wallbrecht zu Wort. Er wollte den Vorwurf, ihm unterstellte Ämter tricksten die Esslinger Stadträte aus, nicht auf sich sitzen lassen. „Der Vorwurf der Trickserei, der Manipulation eines Gremiums, wiegt schwer. Er ist jedoch vollkommen unbegründet und dabei so unfair, dass ich ihn nicht unkommentiert stehen lassen kann und ihm aufs Deutlichste widerspreche“, schrieb er in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat und die Sprecher im Ausschusses für Technik und Umwelt richtet.

Das ist die Vorgeschichte

Und darum geht’s: Beschlossen wurde Ende Januar, dass der Steg abgerissen wird, weil „Gefahr in Verzug“ sei. Der Belag auf dem Steg sei äußerst marode, es platzten immer wieder größere Teile davon ab, führte Uwe Heinemann, Leiter des Tiefbauamtes, aus. Die Teile könnten dann von den Passanten auf die B 10 gestoßen werden. „Das kann zu fatalen Unfällen führen“, warnte Heinemann. „Durch diese Aktion sehen wir jetzt Gefahr im Verzug. Der Abriss des Alicenstegs ist deshalb unbedingt notwendig.“ Unabhängig davon könnte, nachdem der Steg abgerissen worden sei, über einen Neubau entschieden werden. Wortwörtlich lautet der Beschluss: „Die Verwaltung wird beauftragt, den Abriss des Alicensteges aus Sicherheitsgründen vorzunehmen, unabhängig von der Frage eines Ersatzneubaus.“

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Der Vorschlag der Verwaltung wird auch von finanziellen Erwägungen getragen. Eine Instandsetzung würde rund 2,1 Millionen Euro kosten, rechnete Heinemann vor. Für einen Neubau müssten knapp zwei Millionen Euro hingelegt werden. Der Abbruch dagegen ist den Schätzungen des Tiefbauamtes schon für rund 200 000 Euro zu haben.

Aber lassen sich die Entscheidungen über Abriss und Neubau tatsächlich voneinander trennen? Koch stellt das in Frage, nachdem er sich nach eigenen Worten noch einmal intensiv mit der Materie beschäftigt hatte. Die Verwaltung habe nahegelegt, dass beide Entscheidungen – Abriss und Neubau – unabhängig voneinander getroffen werden könnten. Deshalb habe er auch für den Abriss gestimmt. Inzwischen sei er aber zu der Einsicht gekommen, dass das nicht der Fall sei. Lauf Verwaltungsvorlage würde nämlich bei einem Neubau des Alicenstegs der alte Unterbau erhalten bleiben. Koch: „Dann aber kann man zumindest diesen Teil des alten Stegs derzeit nicht abbrechen. Anders als von der Verwaltung behauptet haben die Neubau- und die Abrissfrage also doch miteinander zu tun.“

Koch zeigt sich „enttäuscht“, dass die Verwaltung nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, „was ihre Pflicht gewesen wäre“. Hätte sie es getan, „wäre im letzten Ausschuss für Technik und Umwelt in der Abrissfrage nicht entschieden worden – zumindest nicht mit mir.“ Deshalb fordere die SPD jetzt eine „Neubehandlung des Themas“, und das schon in der nächsten Sitzung des zuständigen Ausschusses.

Die wird es wohl auch gebe, wie aus der Rathausverwaltung zu hören ist. Das Technische Dezernat, das von Wallbrecht geführt wird, arbeite den Fall noch einmal auf und werde auch eine Stellungnahme abgeben, versicherte Stadtsprecher Roland Karpentier. Viel Zeit ist nicht: Die nächste Sitzung des behandelnden Ausschusses für Technik und Umwelt tagt am 3. März.

Das passiert, wenn nichts mehr passiert

Ändert sich nichts mehr an der Beschlusslage, wird die Stadt voraussichtlich schon im Juli damit beginnen, den Alicensteg abzureißen. Weil in dieser Zeit auch die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke abgerissen werden soll, pausiert der Schifffahrtsverkehr. Insofern ein idealer Zeitpunkt, um zumindest den Abschnitt über dem Neckar abzubauen. Der Abriss des Abschnitts über der B 10 soll dann in den Sommerferien folgen. Die B 10 würde dann einige Nächte gesperrt werden.