OB Jürgen Zieger hat sich im Ton vergriffen. Einige Gemeinderäte sind sauer. Foto: Thomas Krytzner

In einem Kommentar schreibt Johannes M. Fischer über die verbale Entgleisung des Esslinger Oberbürgermeisters Jürgen Zieger.

Esslingen - Wenn ein Oberbürgermeister in einer weitgehend sachlich geführten Diskussion Knall auf Fall die Sachebene verlässt und unter die Gürtellinie geht, dann stimmt was nicht. Ein kleine Entgleisung? Ja, kann vorkommen, in den besten Familien. Doch hier liegt das Problem tiefer. Zum einen, weil es nicht das erste Mal ist, dass sich Gemeindevertreter über den robusten Stil ihres Oberbürgermeisters beklagen. Zum anderen, weil zumindest in dieser und dem Vernehmen nach auch in anderen Sitzungen eine Umkehrung der Verhältnisse stattfindet: Normalerweise ist es so, dass das Rathaus für die Stadtbevölkerung arbeitet, vertreten durch die Gemeinderäte. Die Art der Diskussionsführung im Ausschuss insgesamt aber verschafft dem neutralen Beobachter das Gefühl, dass die Verwaltungsspitze – vertreten durch den Oberbürgermeister – nach Belieben dominiert und wertet, während die Gemeinderäte fast wie Schulkinder im Frontalunterricht mal was sagen dürfen. Wenn es aber zu kritisch wird, sollten sie besser schweigen.

L’état c’est moi – Die Stadt bin ich

Nach der verbalen Entgleisung Ziegers wurde er aus dem Gremium heraus aufgefordert, mit den anderen beiden anwesenden Herren aus der Verwaltungsspitze zu besprechen, wie die eskalierende Situation entschärft werden könnte. Zieger antwortete augenblicklich, dass dies nicht nötig sei – ohne sich mit den beiden gleichfalls angeredeten Bürgermeistern, Ingo Rust und Wilfried Wallbrecht, abzusprechen. Nicht einmal einen Augenkontakt gab es. Es interessierte Zieger nicht, wie die beiden aus seinem Führungsteam die Situation einschätzten. Er, der Oberbürgermeister, seit mehr als zwanzig Jahren im Amt, war in dem Moment ganz allein die Verwaltung, das Rathaus, die Stadt.

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Ob die Botschaft so gemeint war, weiß nur Zieger selbst. Aber das war die Botschaft, wie sie von vielen – womöglich von allen im Raum – wahrgenommen wurde. Und das war keine gute Botschaft.