Der Krieg in der Ukraine weckt unbekannte Ängste: Wie ist es um die Sicherheit hierzulande bestellt? Wie um Schutzmaßnahmen? Fragen wie diese führen zu unbequemen Wahrheiten. Doch es ist nicht so, dass der Einzelne gar nichts tun kann.
Stuttgart - Tief unter der Erde, gesichert durch eine schwere Stahltür: Was der Ludwigsburger Stadtverwaltung heute als dankbarer Lagerplatz für Akten dient, war einst als Schutzraum für die Bevölkerung gedacht. Wie viele andere Bunker in vielen anderen Städten auch. Doch das ist so lange her, dass das viele Bürger gar nicht mehr wissen. Weil die Anlagen aus einer Zeit stammen, die als überwunden galt. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine jedoch ist alles anders geworden. So anders, dass laut einer aktuellen Forsa-Umfrage 69 Prozent der Menschen Sorge haben, Deutschland werde in den Konflikt hineingezogen. Mit der Folge, dass viele Menschen auch hierzulande Informationen suchen, wie sie sich für den schlimmsten Fall wappnen können. Antworten auf drängende Fragen.
Wo gibt es Bunker? Landläufig werden alle Schutzbauwerke als Bunker bezeichnet. Tatsächlich sind auch Stollen und sogenannte Mehrzweckanlagen wie Tiefgaragen oder Bahnhöfe darunter. Aber tatsächlich ist das kaum relevant, weil es kaum noch solche Schutzbauwerke gibt. In Stuttgart etwa keinen einzigen mehr, auch in Böblingen und Ludwigsburg nicht. In Esslingen sind noch zwei öffentliche Schutzräume registriert. Mit dem Ende des Kalten Krieges erschienen diese Anlagen nicht mehr nötig, weshalb sie nach und nach aus der sogenannten Zivilschutzbindung entlassen wurden. Die Eigentümer konnten damit machen, was sie wollten. Im ehemaligen Bunker unter dem Stuttgarter Marienplatz etwa proben teilweise Bands.
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Doch selbst wenn noch mehr Anlagen zur Verfügung stünden – zur Beruhigung könnten sie kaum beitragen. Zum einen bieten sie nur begrenzt Platz; zum anderen nicht den Schutz, der nötig wäre. Weil sie nicht ausgelegt seien für Angriffe mit Waffen von heute, wie Andy Dorroch erläutert, der im Ludwigsburger Landratsamt den Fachbereich Bevölkerungsschutz leitet. Zudem gehen Experten im Falle des Falles von einem Schadenszenario ohne Vorwarnzeit aus. Die Bürger hätten demnach nicht ausreichend Zeit, sich in diese Schutzräume zu flüchten.
Welche Orte bieten Schutz? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bietet viele Informationen über die Vorsorge für den Notfall. Doch diese Notfälle bestehen bislang aus Extremwettersituationen, die Regionen überfluten oder Stromleitungen zerstören. Auch eine Pandemie, die Lieferketten ausbremst, zählt zu den Notfallszenarien des BBK. Der Eintritt des sogenannten Verteidigungsfalls jedoch nicht. „Das sah unsere Gefährdungslage nicht vor“, sagt Andy Dorroch. Im Falle eines Angriffs empfiehlt er allgemein, tiefer gelegene Bereiche aufzusuchen, also einen Keller, unterirdisch gelegene Bahnhöfe oder Tiefgaragen. Wohlwissend, dass der Schutz vor Bomben und Raketen, die zum Einsatz kommen könnten, begrenzt wäre. Nichtsdestotrotz: Es empfiehlt sich, so Dorroch, Vorkehrungen zu treffen.
Wie kann man vorsorgen? Vom Schlimmsten auszugehen, ist nicht hilfreich. Allein deshalb, weil es Vorsorgemaßnahmen verhindern würde, die ein Überstehen eines überraschenden Notfalls möglich machen. Und diese Maßnahmen gibt es. Das BBK empfiehlt Vorräte an Lebensmitteln und Trinkwasser anzulegen, die einen zehn Tage ohne Einkaufen überstehen lassen. Die Behörde rechnet – unter anderem – pro Person 20 Liter Getränke, vier Kilo Gemüse und Hülsenfrüchte (als Konserven) und 2,6 Kilo Milch und Milchprodukte. Nicht fehlen sollten Kerzen, Streichhölzer, Campingkocher und Eimer. Die Details sind in einer Broschüre zusammengestellt, die auf der Homepage des BBK kostenlos erhältlich ist. Darin gibt es auch Informationen, was außer Verbandsmaterial und Schmerztabletten in die Hausapotheke gehört, welche Dokumente immer griffbereit sein sollten und was zum Notgepäck zählt (Schlafsack, Taschenmesser zum Beispiel). „Selbstvorsorge ist wichtig“, sagt Andy Dorroch. Man könne nicht immer davon ausgehen, dass die Feuerwehr kommt und die Versicherung alles regelt.
Wie erfährt man, dass Gefahr droht? Im Verteidigungsfall liegt die Zuständigkeit beim Bund. Die Informationsmöglichkeiten sind vielfältig. Außer Radio, Fernsehen und Internet gibt es auch Warnapps, beispielsweise Nina. Allerdings hat die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im vergangenen Juli deutlich gemacht: Das reicht nicht. Zahlreiche Menschen haben dort ihr Leben vermutlich deshalb verloren, weil sie von den Ereignissen überrascht worden sind. Deshalb hat der Bund inzwischen ein Programm aufgelegt, mit dem der Ausbau und die Modernisierung kommunaler Sirenennetze gefördert wird. Zur Zeit des Kalten Krieges war ihr Geheul normal, wenigstens in Momenten, in denen ihre Funktionstauglichkeit überprüft wurde. Mit der schwindenden Angst vor einem Atomkrieg, spätestens aber mit Anbruch des Digitalzeitalters, wurden sie überflüssig und waren zudem veraltet.
Welche Hilfe gibt es vor Ort? Wenn eine Katastrophe erst mal da ist, greift der Bund auf die Einheiten des Katastrophenschutzes zurück. Dieser ist Sache des Landes, Pläne zur Bekämpfung von Katastrophen werden von den Land- und Stadtkreisen vorbereitet. So ist beispielsweise sichergestellt, dass bei sogenannten Großschadensereignissen die Kommunikation unter den Rettungseinheiten funktioniert, wie und wo Notunterkünfte und Verpflegungsstellen eingerichtet werden. Auch die Frage der Versorgung mit Lebensmitteln ist geklärt. So unterhält der Bund mehrere Lager mit Kraftstoffen und Lebensmitteln. Und Stadt- und Landkreise haben Vereinbarungen mit Großhändlern, wo sie im Notfall rund um die Uhr Lebensmittel beziehen können. Allerdings gilt auch hier: Die Reserven des Bundes sind nicht darauf ausgelegt, vom Beginn eines Engpasses an jeden Bürger zu versorgen. Und die Pläne in den Stadt- und Landkreisen sind nicht auf Kriegsszenarien ausgerichtet – noch nicht. Das Landratsamt Böblingen formuliert es so: „Derzeit werden die verfügbaren Ressourcen gebündelt, um die Vorbereitungen schnellstmöglich wieder auf den aktuellen Stand zu bringen.“ In der Hoffnung, dass sie nie zum Einsatz kommen müssen.
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