Von Christine Cornelius

Mannheim - Auf Knien rutscht Marcel Renz über eine große Holzplatte, in der Hand Bleistift und ein langes Lineal. Höchste Konzentration ist gefragt, denn ein Fehler in der Anfangszeichnung zieht sich durch bis zum fertigen Modell. Auch sonst geht es um viel: Der 20-Jährige aus Pfullingen gehört zu der Zimmerer-Nationalmannschaft; er und seine Kollegen trainieren derzeit in Mannheim für die Europameisterschaft. Drei der fünf jungen Männer des Teams dürfen im Oktober zu dem Wettkampf in der Schweiz reisen. Renz möchte unbedingt hinfahren und den Titel für Deutschland verteidigen.

Geometrisches Verständnis nötig

Er hat sich in vielen Stufen bewährt, musste unter anderem als Innungsbester abschließen und sich im Landeswettbewerb behaupten, wie Mannschaftsmanagerin Swantje Küttner sagt. Die Zimmerer-Nationalmannschaft gebe es seit 2008 unter diesem Namen. Der Gedanke, zu Wettbewerben zu fahren und sich zu messen, sei in der Zunft aber schon sehr viel älter. Bei der EM arbeiten die Zimmerer mehrere Tage lang an einem Modell. Die Uhr läuft. Wer nicht rechtzeitig fertig wird, für den gibt es Punktabzug. Trainer Jens Volkmann denkt sich die Aufgaben für die Trainings aus. Die Arbeiten seiner Mannschaft hat er genau im Blick. In Mannheim baut jedes Mitglied einen Pavillon. „Ein guter Zimmerer muss ein genaues geometrisches Verständnis haben, mathematisch gut unterwegs sein und schwindelfrei sein“, sagt Volkmann. „Wichtig ist auch handwerkliches Geschick und Spaß an täglich neuen Aufgaben.“ Volkmanns Einschätzung nach erreichen die fünf Gesellen in seiner Mannschaft locker das Niveau eines Meisters - und noch mehr.

Während andere Handwerksberufe mit Nachwuchsproblemen kämpfen, stehen die Zimmerer laut dem Branchenverband Holzbau Deutschland verhältnismäßig gut da. Deutschlandweit blieben im Handwerk vergangenes Jahr rund 17 000 Lehrstellen unbesetzt. „Bei den Zimmerern haben wir wiederholt steigende Ausbildungszahlen“, sagt Holzbau-Sprecherin und Mannschaftsmanagerin Küttner. In diesem Jahr konnten nach Verbandsangaben bundesweit 1667 junge Menschen für eine Ausbildung zum Zimmerer gewonnen werden, gut vier Prozent mehr als im Vorjahr. Die Gesamtzahl der Auszubildenden sei erstmals seit 2002 wieder über die 7000er-Marke gestiegen. Als Grund für die hohe Ausbildungsquote nennen Zimmerer- und Holzbauunternehmer die lang anhaltende gute Auftragssituation.

Weißes Hemd, schwarze Cordhose

Marcel Renz liebt an seinem Beruf am meisten das Material, mit dem er täglich arbeitet: Das Holz mit seiner weichen, warmen Oberfläche. „Mir gefällt, dass es ein nachwachsender Rohstoff ist, der sich gut verarbeiten lässt und nach etwas aussieht“, sagt er. „Außerdem arbeite ich sehr gern an der frischen Luft.“ Ein weiterer Vorteil des Jobs sei, dass er immer sehe, was er am Tag geschafft habe. Seine Kluft aus weißem Hemd und schwarzer Cordhose trägt er gern und mit Stolz. „Sie ist wie eine zweite Haut, sieht gut aus und ist super bequem.“

Für Renz, der seit Dezember zum Team der Nationalmannschaft gehört, stand sein Berufswunsch früh fest: Er ist die fünfte Generation im Pfullinger Familienbetrieb. „Wenn der Opa und der Papa einem das vorleben und stolz und glücklich sind, dann muss man nicht lange überlegen.“