Die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar scheint immer mehr zu wackeln (Symbolbild). Foto: dpa/Patrick Pleul

Beim Bürgergeld beharken sich Union und Ampel-Parteien zum Wochenauftakt weiter: Von „Schäbigkeit“, „Beleidigung“ und „Brunnenvergiftung“ ist die Rede. Die Einführung zum 1. Januar scheint immer mehr zu wackeln.

Die Ampel-Parteien und die Union bleiben im Streit über die Einführung des geplanten Bürgergelds auf Konfrontationskurs - damit wackelt auch der Zeitplan des Starts zum 1. Januar immer mehr. CDU-Generalsekretär Mario Czaja rechnet damit, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Ende einen Kompromiss suchen muss. Dies machte er am Montag deutlich. Das könnte die Ampel-Pläne für die Bürgergeld-Einführung mindestens verzögern. Beide Seiten lehnten Kompromissvorschläge der jeweils anderen Seite ab und kritisierten sich gegenseitig.

Man sei auf zahlreiche Änderungswünsche der Bundesländer eingegangen, sagte Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) am Montag. „Die Hand ist also ausgestreckt.“ Sollte es zwischen Bundestag und Bundesrat ein Vermittlungsverfahren geben, müsse man zu Lösungen kommen, so dass das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten könne. Auch Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sprach von einer ausgestreckten Hand. „Die Union reagiert darauf mit weiteren Fake News und einem Wettbewerb der Schäbigkeit“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) warf der Ampel im Gegenzug eine „Kombination von unzureichenden Vorschlägen und Beleidigungen der Union“ vor. Dies sei „prognostisch kein Beitrag zur Erleichterung der Zustimmung“. Für die Einführung des Bürgergelds sind SPD, Grüne und FDP im Bundesrat auf die Zustimmung unionsregierter Bundesländer angewiesen.

Gröhe sprach auch von „Brunnenvergiftung“ und bezog sich auf Aussagen von SPD-Chef Lars Klingbeil am Wochenende. Dieser hatte der Union in der Diskussion über das Bürgergeld vorgeworfen, falsche Zahlen zu verbreiten und Geringverdiener gegen Menschen auszuspielen, die auf den Staat angewiesen seien. Aus der Union kam zuletzt immer wieder der Vorwurf, mit dem Bürgergeld würde es sich kaum lohnen arbeiten zu gehen.

CDU und CSU sehen „falsche Anreize“

Mit der Reform will die Ampel das Hartz-IV-System ablösen. Aus Sicht von CDU und CSU setzt das Bürgergeld aber „falsche Anreize“ und beendet das Prinzip „Fördern und Fordern“. Konkret stören sich Unionspolitiker an der sogenannten „Vertrauenszeit“ - in den ersten sechs Monaten sollen keine Leistungen mehr gekürzt werden, wenn etwa keine Bewerbungen geschrieben werden. Kritisiert wird auch die „Karenzzeit“ - Vermögen und Angemessenheit der Wohnung sollen erst nach zwei Jahren Bürgergeldbezug überprüft werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist das sogenannte Schonvermögen - maximal 60 000 Euro, die nicht angetastet werden, wenn jemand Bürgergeld bezieht.

„Gemeinsamer Weg“ von Jobcenter und Arbeitssuchenden

Die Ampel setzt auf einen neuen Umgang zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter auf „Augenhöhe“. „Wir haben in dem Gesetz auch Mitwirkungspflichten verankert, aber wir sind der Ansicht, dass wir Menschen nicht zunächst mit Sanktionen bedrohen, sondern sie erst einmal einladen, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Das halten wir für erfolgversprechender“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt. Um der Union entgegenzukommen wurden die Regeln in der Gesetzesvorlage zuletzt etwas strenger gefasst. Das reicht CDU und CSU aber nicht.

Merz-Vorschlag stößt auf Ablehnung bei Ampel

CDU-Chef Friedrich Merz schlug stattdessen vor, zunächst einmal nur die bisherigen Hartz-IV-Regelsätze zum Jahresanfang zu erhöhen. „Und dann müssen wir uns über diesen Systemwechsel unterhalten, der mit diesem sogenannten Bürgergeld vorgenommen wird“, hatte der CDU-Chef in den ARD-„Tagesthemen“ gesagt. Das lehnten Ampel-Vertreter prompt ab: „Das wäre arbeitsmarktpolitisch zu kurz gesprungen. Deshalb werben wir für eine große Reform“, sagte Heil. „Einfach nur die Regelsätze erhöhen, ohne Leistungsgerechtigkeit und Aufstiegschancen durch Reformen zu verbessern - das kommt für die FDP nicht in Frage“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Johannes Vogel.

Bundestag entscheidet am Donnerstag

Zunächst wird die Ampel nun das Gesetz voraussichtlich an diesem Donnerstag im Bundestag mit ihrer Mehrheit beschließen. Dann muss der Bundesrat entscheiden. Die nächste reguläre Sitzung in der Länderkammer ist am 25. November. Bekommt das Gesetz dort keine Zustimmung, wäre der Vermittlungsausschuss am Zug.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) machte am Montag drauf aufmerksam, dass die Zeit drängt. Die im Zuge der Bürgergeldeinführung geplante Anhebung der jetzigen Hartz-IV-Sätze könne nur dann umgesetzt werden, wenn spätestens am 30. November ein Bundesratsbeschluss da sei, sagte die BA-Sachverständige Eva Strobel bei einer Anhörung im Sozialausschuss des Bundestages. Alleinstehende sollen den Plänen zufolge künftig 502 Euro im Monat erhalten. Heute sind es 449 Euro.