Von „Besuch Nummer 1“ spricht das russische Staatsfernsehen. Foto: dpa/Pavel Byrkin

„Freundschaft, Zusammenarbeit, Frieden“: Bei seinem Besuch in Moskau stärkt der chinesische Staatschef Xi Jinping dem Moskauer Kriegsherrn Wladimir Putin den Rücken.

Das Moskauer Zentrum versinkt im Sirenengeheul von Polizeiautos. Die Autokolonnen stehen stundenlang still, der Stauradar meldet „Niveau 10“, die höchste Stufe der Blechverstopfung in der Stadt. Für den „lieben Freund“ aus China lässt der Kreml den Moskauer Gartenring sperren, die mehrspurige Umrundung des Zentrums. Von „Besuch Nummer 1“ spricht das russische Staatsfernsehen, von einem „historischen Treffen“, das den „Westen annervt“.

Unter Moskaus vergoldeten Kremlleuchtern trifft sich mit offiziellem Zeremoniell einer, der als mutmaßlicher Kriegsverbrecher per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, mit einem, dem ein Bericht der Vereinten Nationen mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit bescheinigt. Zusammen feiern sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als „Vorbild neuer Zusammenarbeit“ zwischen den Ländern in der Welt. Nach Xis Besuch in Moskau dürfte Putin in diesem Jahr nach Peking reisen, die Einladung dafür hat Xi überbracht. Da China – wie auch Russland – die Zuständigkeit des Den Haager Strafgerichtshofs nicht anerkannt hat, wäre der Kremlchef bei einer solchen Reise außer Gefahr, festgenommen zu werden.

Öl und Gas gegen Technik und Kosumgüter

Allein das informelle Treffen der beiden Herrscher bereits am Montag hatte mehr als vier Stunden gedauert, am Dienstag stolzierten sie nach den Nationalhymnen über den roten Teppich im Georgssaal des Großen Kremlpalasts. „Seht her“, ist die Haltung Moskaus, Putin ist weder unberührbar noch isoliert.

Die Symbolik des Moskauer Großereignisses soll dem von beiden Staaten verhassten Westen zeigen, dass die russisch-chinesische Allianz fest zusammensteht. Dem verleiht auch die Zusammensetzung der Delegationen Gewicht. Auf russischer Seite waren in der großen Gesprächsrunde die Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister mit von der Partie, auch die Zentralbankchefin Elwira Nabiullina nahm daran teil und zeigte so, dass der Yuan in Währungsfragen für Russland immer wichtiger wird. Ferner standen Rüstungszusammenarbeit und Kooperationen in der Raumfahrt auf dem Programm, wie die Teilnahme der Leiter der russischen Behörden in diesen Bereichen offenlegte. Dmitri Medwedew, der frühere Präsident und jetzige Vizechef des Sicherheitsrates, sowie sechs stellvertretende Ministerpräsidenten vervollständigten die Runde.

Der Ministerpräsident Michail Mischustin hatte zuvor beim Treffen mit Xi im Weißen Haus, Russlands Regierungssitz an der Moskwa, den Wert bilateraler Investitionsprojekte auf mehr als 154 Milliarden Euro beziffert und sich für einen Landkorridor für Landwirtschaftsgüter aus Russland nach China ausgesprochen. Zum Abschluss unterzeichneten Russland und China zwei Dokumente: eines über die Vertiefung der Partnerschaft und eines über die Wirtschaftszusammenarbeit bis 2030. Die Abhängigkeit beider Länder wird damit untermauert: China kauft günstig Öl und Gas aus Russland, weil Moskau die Mengen nicht mehr in Europa loswird. Russland bekommt aus China Technologie- und Konsumgüter, die es nicht mehr aus Europa beziehen kann.

Putin und Xi stützen und brauchen einander, mag Russland dabei auch wie der kleine, demütige und neidische Bruder auftreten. Xi gefällt sich zudem in der „Ukraine-Frage“, wie China den Krieg in der Ukraine bezeichnet, als „objektiver und unvoreingenommener Vermittler“. Dass die wirtschaftliche Kooperation bei diesem Besuch ausgebaut wurde und Peking damit den Rücken Moskaus weiter stärkt, ficht Xi nicht an. Er mimt den Friedensengel, der auf Waffenstillstand pocht, der zum jetzigen Zeitpunkt aber nur die Position Russlands in der Ukraine untermauern würde.

Xi geriert sich als Friedensstifter

China hat den Angriffskrieg Russlands bisher nicht verurteilt. Die Führung in Peking nennt diesen Krieg schlicht „Krise“, angestachelt von den USA und der Nato. Damit trägt und verbreitet sie die russische Position. Ohnehin treffen sich beide Staaten in ihrer Ablehnung der vom Westen geprägten liberalen Weltordnung und plädieren für eine neue, eine multipolare Weltordnung mit Vereinten Nationen als Kern. Deshalb fällt es Xi nicht schwer, Putin die Hand zu reichen, auch wenn die Waffengewalt der Russen in der Ukraine den Chinesen nicht passen dürfte. Xi will in Ruhe gute Geschäfte machen und sucht als vermeintlich neutraler Vermittler nun auch politisch nach Wegen.

Der chinesische „Friedensplan“ hilft vor allem den Chinesen. China präsentiert sich dabei als unermüdlicher Friedensstifter und kann gleichzeitig, weil die Ukraine den chinesischen Plan nicht tragen kann, die USA anklagen. In den Augen Pekings (wie auch Russlands) ist es Washington, das den Krieg in der Ukraine anheizt und keinen Frieden will. In Moskau hieß es, am Plan werde weitergearbeitet, Konkretes war nicht zu vernehmen.