Die beiden Slam-Master und Moderatoren Hank M. Flemming und Lena Stokoff (vorne), dahinter die Dichter Kai Bosch, Sarah Kentner, Richard König, Dustin Werle und Jo Weiß (von links) traten gegeneinander an. Foto: Gaby Weiß - Gaby Weiß

Beim ersten Köngener Poetry Slam traten fünf Dichter und Dichterinnen gegeneinander an. Am Ende war der Sieger jedoch das bestens unterhaltene Publikum im Schloss.

KöngenSpielerisch und wortgewaltig gehen sie mit der Sprache um. Rhythmisch setzen sie Worte, Silben, Sätze und Pausen. Und sie reimen, dass es eine Lust ist. Beim ersten Köngener Poetry Slam, neudeutsch für Dichter-Wettstreit, rangen fünf Wort-Akrobaten um den Sieg: Zwei Runden lang brachten sie ihre selbst verfassten kreativen Auseinandersetzungen mit Sprache, mit Literatur und mit dem Leben auf die Bühne der voll besetzten ehemaligen Kapelle im Schloss. Und am Ende siegte die Poesie, und es siegte das Köngener Publikum, das zweieinhalb Stunden allerbeste Unterhaltung genoss.

Es hat sich herumgesprochen, dass man sich bei einem Poetry Slam, der die Lyrik aus den geschlossenen Zirkeln herausholt und sie massentauglich macht, gut amüsieren kann: Die besten Texte sind in Schulbüchern abgedruckt, Slammer werden vom Goethe-Institut in alle Welt geschickt, geben Workshops an Schulen und Universitäten, treten auf Literaturfestivals auf, messen sich in Meisterschaften und füllen landauf, landab die Säle. Der literarische Bühnen-Wettstreit der Dichter lässt den Kombattanten sehr viel Freiheit: Es gibt weder inhaltliche noch formale Vorgaben, individuelle Poetik ist angesagt, Kurzgeschichte oder Gedicht, Kabarett oder Comedy, Lautpoesie oder Rap – sämtliche literarischen Formen sind erlaubt. Der Vortrag darf nicht länger als sechs Minuten sein, die Texte müssen selbst verfasst sein, Kostümierungen oder Requisiten sind nicht erlaubt, und das gesprochene Wort muss dominieren: „Kurz mal etwas trällern oder schnell mal etwas rappen ist erlaubt“, versichern jedoch Hank M. Flemming und Lena Stokoff, beide ebenfalls erfolgreich auf Slam-Bühnen unterwegs, die die Köngener Dichter-Schlacht witzig und leidenschaftlich moderieren. Und am Ende stimmt das Publikum über den Sieger ab. In Köngen wird zu Beginn gemeinsam „ein solider Fünf-Punkte-Applaus“ geübt, der sich bis hin zu einer „Zehn-Punkte-Applaus-Rakete“ steigert, dann kann es losgehen.

Fünf Slammer stellen sich dem Publikum. Richard König, erfolgreicher Newcomer der deutschsprachigen Szene, erzählt von den beiden Männchen „hinter meiner Stirn, in meinem Gehirn“, die seine Gedanken zu steuern versuchen. Leider sind die beiden unterschiedlich wie Tag und Nacht: „Sprinter versus Gammler, Erfolgsmensch versus Penner“, was den jungen Mann total zerreißt. „Zu viele Köche“ heißt denn auch sein kunstvoll in langen Zeilenungeheuern gereimter Text. Sarah Kentner bringt „Texte vom Klemmbrett über meinen afro-schwäbischen Alltag“ auf die Bühne: „Was mir tatsächlich passiert ist, nur schlimmer.“ Cool, komisch und wortwitzig berichtet sie von einem Foto-Kalender, für den sich Metzgermeister und -gesellen halb nackt ablichten lassen. Mit Salami, Fleischwurst, Hackebeil und Schweinebauch – und für eine gute Sache, das versteht sich von selbst: „Wurstige Weihnachten“. Jo Weiß kommt des Nachts nicht zur Ruhe, denn „die Stimme“ in seinem Kopf hält ihn vom Schlafen ab. Das Gedanken-Karussell lässt sich nicht bremsen, mal plagt ihn ein musikalischer Ohrwurm, mal ein vergessener Termin, mal die kalten Füße.

Dustin Werle aus Tübingen reimt vokal-lastig von der „pochpochpochenden“ Blutbahn. Ob dieser lyrischen Wucht hätte man seinen wort- und bildgewaltigen Text „Das Herz ist der stärkste Muskel“ gern ein zweites Mal gehört. Nur beiläufig offenbart sich die ganze Tragik seiner Geschichte. Der fünfte im Bunde, Kai Bosch, seit seiner allzu frühen Geburt aufgrund einer Tetra-Spastik körperlich beeinträchtigt, verliert sein Stottern fast vollständig, wenn er auf der Bühne steht: Am liebsten lacht der baden-württembergische U20-Landesmeister im Poetry Slam über sich selbst. Mit seinen Texten ermutigt er: „Macht, worauf ihr Bock habt, auch mit Behinderung.“ Seine selbstironische Geschichte „Ob Spast oder nicht: Inklusion im Flirtmodus“ hat er auch schon auf der Berliner Parieté-Inklusionsgala vorgetragen.

Zwischendurch erzählen außer Konkurrenz der Liedermacher Michael Wenzler und der Trompeter Johannes von Hoyer von der Tübinger Band Kuckuckskind im überaus reizvollen Zusammenspiel von Stimme, Gitarre und Trompete musikalische Geschichten.

Das Dreierfinale nach der ersten Runde erreichen Kai Bosch, Sarah Kentner und Richard König, der am Ende den ersten Köngener Poetry Slam gewinnt. Doch: „Kunst kann man nicht vergleichen. Es geht nicht um den Sieg, sondern um die Poesie“, merkt Slam-Master Hank M. Flemming an. Und Richard König freut sich: „Es ist mir eine Ehre. Es ist wunderbar, was hier alles zu hören ist, sowohl ernst als auch lustig, prosaisch als auch lyrisch. Schreiben ist einfach geil.“ Was für ein Schlusswort.