Am Ortsrand von Freiberg – Richtung Ludwigsburg – soll ein Neubaugebiet entstehen. Am linken Bildrand ist zwischen Bäumen der Milleniumshügel zu erahnen. Foto: W. Kuhnle / Bearbeitung: Lange

Die Stadt Freiberg (Kreis Ludwigsburg) sucht Lösungen für die Wohnungsnot. Dass sie im Eilverfahren ein Baugebiet auf den Weg bringt, schmeckt nicht jedem.

Wohnraum ist knapp, überall in der Region. Die Stadt Freiberg am Neckar mir ihren rund 16 000 Einwohnern ist da keine Ausnahme. Und neue Wohngebiete wurden dort seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr ausgewiesen.

Zuletzt wurden vor allem Baulücken geschlossen. Mal wurde nur ein kleiner Bauplatz frei geräumt, mal größere Projekte auf den Weg gebracht wie im Ortsteil Heutingsheim gegenüber dem Kleeblattheim oder in Geisingen an der Ruitstraße, wo das Gelände einer alten Gärtnerei bebaut wurde.

50 bis 60 Wohneinheiten ganz im Süden der Stadt

Doch die Potenziale sind ausgeschöpft – sagt zumindest die Verwaltung: Mehr als 100 Grundstückseigentümer hatte sie in den vergangenen Jahren angeschrieben, um sie zum Verkauf zu animieren – offenbar erfolglos. Im Flächennutzungsplan der Stadt sind zwar noch rund 15 Hektar als mögliches Bauland ausgewiesen, diese entsprechend zu nutzen, stehen aber oft private Interessen entgegen. Deshalb hat die Verwaltung nach Jahrzehnten ein neues Baugebiet ausgewiesen: am südlichen Ortsrand an der Wagnerstraße.

Damit es zügig vorangeht, hat der Gemeinderat den Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren nach Paragraf 13b Baugesetzbuch beschlossen. So kann ein Baugebiet realisiert werden, das eigentlich nicht im Flächennutzungsplan vorgesehen ist. Auf der bisher unbebauten Seite der Wagnerstraße sollen zehn Doppelhaushälften, sechs Einfamilienhäuser und vier Mehrfamilienhäuser – insgesamt 50 bis 60 Wohneinheiten – entstehen, so die ersten Pläne.

Viele Argumente gegen das Baugebiet

Gegen das Vorgehen der Verwaltung und das Baugebiet an sich, gibt es Vorbehalte von Umweltschützern aber auch Anwohnern. Der BUND und der Landesnaturschutzverband (LNV) halten den Bebauungsplan für rechtswidrig. Das gewählte Verfahren umgehe wichtige Vorgaben der Umweltvorsorge. „So ist etwa keine Kompensation der Eingriffe vorgesehen, die Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung wird reduziert und wichtige Belange des Natur- und Umweltschutzes verwässert“, heißt es. In der Stadt gebe es noch genügend beplan- und bebaubare Flächen, die man nutzen könnte.

Weitere Argumente, die die Gegner ins Feld führen: weiterer Boden werde versiegelt und zudem wertvolle landwirtschaftliche Fläche zerstört – gerade im Hinblick auf die Lebensmittelknappheit in der Welt. Durch die Versiegelung leide auch das Stadtklima, weil es sich bei dem Areal um ein „Kaltluftproduktionsgebiet“ handle. Außerdem leide die Tier- und Pflanzenwelt, die Naherholung ebenso. Die Kritiker befürchten überdies mehr Autoverkehr, weil das Gebiet weit weg von Bushaltestellen und dem Bahnhof liege. Dasselbe gelte für Schulen, Kindergärten, Ärzte und Läden. Der Erste Beigeordnete, Stefan Kegreiß, sieht keine rechtlichen Probleme, „sonst hätten wir den Plan dem Gemeinderat nicht so vorgelegt.“ Was die Verkehrsproblematik angeht, gebe es zwar besser angebunden Gebiete in der Stadt, die Wagnerstraße sei aber so dimensioniert, dass sie für das etwa ein Hektar große Gebiet ausreiche. Kritiker wenden allerdings ein, dass in dem Gebiet andere häufig genutzte Zufahrtswege schon jetzt zu klein und überlastet seien. Eine neue Straße sei nicht geplant, um keine weiteren Flächen opfern zu müssen, sagt Kegreiß. „Artenschutzrechtliche und klimatologische Gutachten sind bislang auch kein K.o.-Kriterium.“ Die Bürgerschaft werde in dem Verfahren frühzeitig beteiligt, Sinn und Zweck sei es die Probleme offenzulegen und möglichst zu berücksichtigen. Beim Thema vergünstigter Wohnraum – BUND und LNV befürchten, dass der nicht entstehen wird – gibt sich Kegreiß pragmatisch. Geringverdiener werden sich die Einfamilienhäuser nicht leisten können, das stimme. Wie hoch die Quote in den Mehrfamilienhäusern sei, entscheide letztlich der Gemeinderat.

Ehemalige Freiberger zieht es zurück in die Stadt

Dass die Stadt große finanzielle Aufgaben schultern muss, sei im übrigen kein Grund, dass das Wohngebiet forciert werde, sagt Kegreiß. „Ja, wir haben große finanzielle Investitionen getätigt und haben auch noch welche vor uns. Dementsprechend brauchen wir Mittel, um unser Aufgaben zu erfüllen. Aber das ist nicht der entscheidende Grund, sondern die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt.“ Es gebe viele ehemalige Freiberger, die in der Stadt aufgewachsen seien und gerne zurückkommen würden. „Aber die finden keine Wohnungen“, sagt Kegreiß.