Im Esslinger Stadtteil Hohenkreuz sollen im Tobias-Mayer-Quartier verschiedene neue Wohnformen erprobt werden. Foto: Roberto Bulgrin

Statt für gewinnorientierte Unternehmen hat die Esslinger Wohnungsbau (EWB) nun ein weiteres Grundstück in Hohenkreuz für ein alternatives Wohnprojekt reserviert.

Gemeinschaftsorientiert, nachhaltig und bezahlbar: So soll das Wohnprojekt der Genossenschaft „andersWOH“ sein. Damit ist neben dem Vorhaben der Initiative Alternatives Wohnen Esslingen (Alwo) nun schon das zweite soziale Wohnprojekt im Esslinger Tobias-Mayer-Quartier geplant. In einer Absichtserklärung hat sich die Esslinger Wohnungsbau GmbH (EWB) als Eigentümerin jetzt verpflichtet, eine Fläche in dem Quartier bis Ende 2029 für die andersWOH freizuhalten.

In den kommenden vier Jahren hat die Genossenschaft damit eine exklusive Zugriffsoption auf das rund 2700 Quadratmeter große Areal in der Palmstraße 25 bis 31 im Esslinger Stadtteil Hohenkreuz. „Innerhalb der Frist werden wir keine Verhandlungen oder Gespräche mit Dritten über den Verkauf oder die Verpachtung des Grundstücks führen“, erklärte EWB-Geschäftsführer Hagen Schröter bei der gemeinsamen Unterzeichnung der Absichtserklärung am Dienstag. Das gebe der Genossenschaft die Sicherheit, planen zu können und dafür auch finanziell in Vorleistung zu gehen, so Schröter.

Gemeinschaftliches Wohnen in Esslinger Stadtteil Hohenkreuz

Michael Oppelt, Vorstand der Genossenschaft andersWOH, betonte: „Wir wollen ein sozialer Anker für das neue Tobias-Mayer-Quartier werden.“ Er habe sich vor einigen Jahren zusammen mit seiner Frau Gedanken darüber gemacht, wie ein gutes Leben gelinge. Ihre Antwort: Durch ein gutes soziales Miteinander in der Nachbarschaft. Und dieses, so die Überzeugung des Ehepaars, habe sehr viel mit Architektur, Wohnen und Infrastruktur zu tun. Deshalb wollten sie sich aktiv für gemeinschaftliches Wohnen im Tobias-Mayer-Quartier einsetzen. „Wir wollen etwas Gutes für uns tun, aber auch für das Quartier und die Stadt – und letztlich für die Gesellschaft“, sagt Oppelt.

Konkret sollen rund 55 Wohnungen unterschiedlichster Größe – vom Ein-Zimmer-Appartement bis zur Sechs-Zimmer-Wohngemeinschaft – im sogenannten „Kettenhaus 2“ im Tobias-Mayer-Quartier entstehen. Das Grundstück liegt direkt neben dem Areal der Initiative Alternatives Wohnen Esslingen, die ein soziales Wohnprojekt im sogenannten „Kettenhaus 1“ plant.

Wohnungen in Tobias-Mayer-Quartier sollen bezahlbar sein

Finanziert werden soll das Projekt zu etwa einem Drittel dadurch, dass jeder Mieter pro Quadratmeter selbst genutzter Fläche Genossenschaftsanteile in Höhe von 1500 Euro kauft. Der Rest soll über einen Bankkredit finanziert werden, der später über die Mieten zurückgezahlt wird. Wichtig ist der Genossenschaft dabei, dass die Wohnungen bezahlbar bleiben, indem sie zum Selbstkostenpreis vermietet werden.

Die beiden Vorstände der Genossenschaft andersWOH, Renate Bock (vorne links) und Michael Oppelt (vorne rechts) sowie EWB-Geschäftsführer Hagen Schröter (hinten) haben eine Absichtserklärung unterzeichnet. Foto: Roberto Bulgrin

 Das Konzept der andersWOH hat überzeugt. Etwa Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung IBA’27. „Wir sind ziemlich begeistert von diesem Projekt: Bei der dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt brauchen wir andere Konzepte als bisher“, erklärte er bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung. Hier könnten neue Wohnformen und alternative Formen des Zusammenlebens erprobt werden, so Hofer. Das passe: Schließlich ist das Tobias-Mayer-Quartier ein Projekt der Internationalen Bauausstellung IBA’27, für die zukunftsweisende, alternative und soziale Wohnformen entstehen sollen.

Meilenstein für Tobias-Mayer-Quartier in Esslingen

Auch EWB-Geschäftsführer Schröter war voll des Lobes: „Dieses Wohnprojekt ist etwas Außergewöhnliches und ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Tobias-Mayer-Quartiers.“ Hier gehe man ganz anders vor als sonst: Üblicherweise werde ein Grundstück zunächst entwickelt und bebaut, dann würden die Bewohner gesucht in der Hoffnung, dass das Zusammenleben funktioniere. In diesem Fall sei es andersherum: „Bei der Genossenschaft haben Sie die Harmonie unter den Bewohnern schon eingebaut“, so Schröter.

Jetzt will die andersWOH das Projekt schnell vorantreiben. Einen Vorentwurf gibt es bereits für das Kettenhaus, das voraussichtlich als serieller Holzbau errichtet werden soll. Neben Wohnungen sollen auch Gemeinschaftsräume entstehen, zudem sollen die Gebäude komplett barrierefrei sowie technisch und energetisch auf neustem Stand sein.

Allerdings würde sich die Genossenschaft noch über weitere Mitglieder freuen. Bislang engagieren sich laut Oppelt 21 Parteien in der andersWOH, man könne gut noch weitere 30 Parteien für das Wohnprojekt gebrauchen. Diese müssen nicht unbedingt Esslingerinnen oder Esslinger sein: Auch jetzt schon engagieren sich neben Menschen aus Stuttgart und der Region auch Personen von weiter her, etwa aus Ellwangen oder sogar aus Halle an der Saale.

Organisationen für den Wohnungsbau

Genossenschaft
Die Genossenschaft andersWOH ist im Jahr 2022 gegründet worden. Dabei haben sich Frauen und Männer unterschiedlichen Alters zusammengeschlossen, um bezahlbares und gemeinschaftsorientiertes Wohnen im Großraum Stuttgart zu ermöglichen.

Wohnbaugesellschaft
Die Esslinger Wohnungsbau GmbH (EWB) wurde im Jahr 1936 gegründet und ist nach eigenen Angaben eines der größten und ältesten Wohnungsbauunternehmen in der Region Stuttgart. Ihr Auftrag ist es, Wohnraum zu fairen Preisen zu schaffen. Die EWB betreut und verwaltet mehr als 3000 Wohn- und Gewerbeeinheiten. Die Gesellschaft gehört zur Hälfte der Stadt Esslingen und zur Hälfte Firmen aus der Region.