Das Grundstück in der Ulrichstraße steht weiter für einen Büroneubau zur Debatte. Priorität soll es aber nicht haben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Grundstück mit Wohnhäusern in der Ulrichstraße gilt weiter als möglicher Standort für einen Büroneubau. Das Land versucht, die Mieter zu beruhigen.

Das Landtagspräsidium und das für Bauten zuständige Finanzministerium haben die geplante Sanierung des Hauses der Abgeordneten und ein Ausweichquartier für die dort arbeitenden Parlamentarier diskutiert. Die dabei präsentierten Varianten waren geeignet, jene Mieter einfacher und günstiger Wohnungen in drei Gebäuden in der citynahen Ulrichstraße erheblich zu verunsichern, denen bereits im vergangenen Oktober mit der Ankündigung, sie müssten nach Jahrzehnten wegen eines Büroneubaus ausziehen, schlaflose Nächte bereitet worden sind. Nach einer Berichterstattung in unserer Zeitung hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unverzüglich angekündigt, die Verwaltung müsse den „Resetknopf“ für dieses Vorhaben drücken. Günstigen Wohnraum zu vernichten ist bekanntlich keine Übereinkunft im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU. Dort liest man eher vom Gegenteil.

Ulrichstraße wird im Vorschlag erwähnt

Nun sind Abriss und Neubau der aus den 50er Jahren stammenden Gebäude mit 28 einfach ausgestatteten Wohnungen wieder Teil der Ideensammlung. Zur Sitzung hin wurde in einer Agenturmeldung der Streit über das damalige Vorgehen erwähnt, aber auch festgestellt, dass man hinter dem aus dem Jahr 1987 stammenden Haus der Abgeordneten – also in der Ulrichstraße – ein Bürogebäude erstellen könne.

Dieses Mal allerdings inklusive Wohnungsbau. Kostenpunkt: 142 Millionen Euro. Weitere Möglichkeiten seien eine Immobilie der Landesbank LBBW am Eingang der Königstraße. Dort könnten 200 Büros für 71 Millionen Euro entstehen; das sei die günstigste Variante. Auch ein Umbau des Uhland Carrés im Justizviertel für 88 Millionen Euro komme infrage.

Neues Schloss ist die teuerste Lösung

Grüne und CDU – nur deren Mitglieder arbeiten noch im Haus der Abgeordneten – haben das Neue Schloss ins Spiel gebracht. Dafür müssten 200 Millionen Euro aufgebracht werden. Eine Entscheidung ist vor einer Woche nicht gefallen.

Seitdem tun sich allerdings einige der seit Jahrzehnten in den teils mit Zimmeröfen ausgestatteten Einfachwohnungen lebenden Landes-Mieter schwer, die Post vom Vermieter zu öffnen. Die Nebenkostenabrechnung hätte auch wieder eine Kündigungsandrohung sein können, sagt eine Betroffene. Nun versucht das Finanzministerium die Mieter zu beruhigen. Dessen Sprecher Sebastian Engelmann bedauert die Verunsicherung sehr. Allerdings sei nicht das Finanzministerium für die Veröffentlichung der Varianten verantwortlich, man habe sich auch nicht nach der nicht öffentlichen Sitzung mit der Landtagsverwaltung geäußert.

Planung für die Ulrichstraße mit Wohnungen

Engelmann teilte mit, der Landesbetrieb Vermögen und Bau habe „nach dem Stopp der ursprünglichen Pläne drei neue Varianten entwickelt; für das Grundstück in der Ulrichstraße, wozu auch noch ein großer Parkplatz zählt, sei es nicht mehr die „alte, verworfene Planung, sondern ein komplett neues Konzept mit Wohnungen und Büros“. Das habe man wie das Neue Schloss in die Liste aufgenommen, weil es weiterhin eine Maßgabe des Landtags sei, „dass eine Interimsunterkunft fußläufig erreichbar sein soll“.

Sebastian Engelmann legt Wert auf die Feststellung, dem Landtag die Varianten „ohne eine Präferenz dargestellt“ zu haben. „Der Ball liegt beim Landtag.“ Das Präsidium müsse grundsätzlich entscheiden, welche Variante ihm und den Fraktionen am besten gefällt. „Das entscheiden nicht wir.“

Im vergangenen Jahr hatte sich die Landtagsverwaltung aufgefordert gefühlt zu betonen, dass das Finanzministerium den Neubau „vollkommen eigenständig und unabhängig von einer interimsweisen Nutzung des Neubaus durch den Landtag“ plane. Dem Landtag sei nur eine interimsweise Nutzung angeboten worden; diesem Vorschlag habe das Präsidium zugestimmt.

Fläche frühestens 2030 frei

Nun meint Engelmann, man habe dem Präsidium deutlich gemacht, dass die Ulrichstraße nur dann infrage käme, „wenn für alle Mieter eine Alternative gefunden wird, mit der sie einverstanden sind“. Mittlerweile hätten alle Betroffenen unbefristete Mietverträge. Es sei auch klargestellt worden, dass die Flächen frühestens 2030 zur Verfügung stünden, „weil wir auch Ersatzwohnraum schaffen müssten“. Eine weitere vertiefende Planung gebe es derzeit nicht, weil man ja nicht wisse, was der Landtag wolle. Landtagspräsidentin Muhterem Aras, in deren Wahlkreis sich die Ulrichstraße befindet, lässt mitteilen: „Der Wohnungsmarkt in Stuttgart ist nach wie vor sehr angespannt. Wir müssen alles daransetzen, bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu erhalten und zu schaffen.“ Es brauche für den Neubau „eine tragfähige und vernünftige Lösung, die vor allem die Interessen der Mieterinnen und Mieter berücksichtigen muss“.

Alternativer Wohnraum im Bau

Die Wogen waren vor einem halben Jahr auch deshalb hochgekocht, weil bekannt geworden war, dass das Land dringend benötigten günstigen Wohnraum leer stehen lässt – nicht nur, aber auch in der Ulrichstraße. Derzeit stehen vier von 28 Wohnungen leer, zwei wegen eines Mieterwechsels, zwei würden saniert. Engelmann weist darauf hin, dass es auch auszugswillige Landesbedienstete gebe, für die Neubauprojekte in der Weimarstraße im Westen und in der Vaihinger Straße in Möhringen in Betracht kommen könnten. Stand heute seien 47 Wohnungen auf 3000 Quadratmetern vorgesehen, sie werden im ersten Halbjahr 2025 (West) und 2026 (Möhringen) fertiggestellt.