Marokkanische Fans fieberten in einem Firmengebäude an der Hauptstätter Straße mit. Foto: Andreas Rosar / Fotoagentur-Stuttg

Die Marokkaner in Stuttgart tragen das Ausscheiden gegen Frankreich im Halbfinale am Mittwochabend mit Fassung. Die Enttäuschung ist trotzdem spürbar.

Sie haben gekämpft wie die Löwen. Aber am Ende hat es dann doch nicht ganz gereicht. Die Enttäuschung und Erschöpfung ist bei den Marokkanern im Stadion in Katar und in dem Firmengebäude an der Hauptstätter Straße direkt am Marienplatz am Mittwochabend ähnlich groß gewesen. Aber auch der Stolz. Sie haben Geschichte geschrieben, für Marokko, für Afrika, für die arabische Welt.

Das ist im 8. Stock über den Marienplatz immer wieder zu hören, das sagt auch Mohamed, der das kleine Public Viewing für den Verein der Marokkaner in Stuttgart hier oben organisiert hat. Eigentlich sei dem eine eher traurige Geschichte vorausgegangen, erzählt er. Als Marokko erst Spanien und dann Portugal besiegte und ins WM-Halbfinale einzog, versuchte der Verein, Räume zu mieten. Sie hätten bei vielen anderen Vereinen angefragt, so Mohamed kurz vor Anpfiff. Aber niemand habe ihnen einen Raum vermieten wollen. Ein Bekannter von ihm habe den Verein schließlich in die Firmenräume eingeladen.

In familiärer Atmosphäre wird das Spiel geschaut

Ein Großbildfernseher, Holzbänke, Apfelschorle in unterschiedlichen Varianten, Pannone. Das hat für 30, 40 Marokko-Fans in Trikot und mit Fahnen gereicht, Jüngere, Ältere, Frauen, Männer, alles ganz familiär. Mohamed stammt aus der Stadt Meknes in Marokko und kam vor vielen Jahren über Frankreich nach Deutschland. Er studierte Maschinenbau in Stuttgart, arbeitet als Ingenieur bei einem Autozulieferer, seine Kinder studieren inzwischen auch. Er hat lange in Bad Cannstatt gewohnt, inzwischen lebt er in Steinenbronn, dort ist auch der Vereinssitz.

Der Verein der Marokkaner in Stuttgart wurde 2014 gegründet, hat rund 50 aktive und mehr als 230 passive Mitglieder. In der Region leben ungefähr 800 marokkanische Familien, sagt Mohamed, etwa 30 Prozent aus Ostmarokko, der Rest überwiegend aus den großen Städten, also Casablanca, Agadir, Marrakesch. Die 30, 40 Vereinsmitglieder, die ihre Löwen an diesem Abend dort oben unterstützen, tippen auf einen 2:0-Sieg, müssen aber schon früh leiden. Das 0:1 in der 4. Minute tut weh. Aber die Hoffnung lebt, jede Aktion wird beklatscht, beschrien, bejubelt.

In der zweiten Halbzeit hält es immer weniger auf ihren Holzbänken. Die Chancen sind da, allein es reicht nicht. Fadi ist 16, wurde hier geboren, geht in Ostfildern zur Schule. Ab und zu ist er bei VfB-Spielen in der Kurve. Was beim VfB passiert, gefällt ihm nicht unbedingt - ist aber gerade nicht so wichtig. Er hat natürlich jedes Spiel der Marokkaner gesehen, hofft auch nach der Halbzeit noch auf die Verlängerung. Mit dem 0:2 ist das Spiel aber entschieden, da sind sich schnell alle einig. Natürlich sind sie traurig in dem Moment. Aber der Stolz kehrt rasch zurück. Für Marokko, für Afrika. Fadi hofft, dass jetzt, mit dem Erfolg, auch mehr Geld nach Marokko fließen wird, damit die Sportinfrastruktur besser ausgebaut werden kann. Und dann vielleicht auch mehr der wirklich guten Spieler wieder in Marokko selbst spielen.