Kylian Mbappé (links) tröstet Achraf Hakimi nach dem Halbfinale. Foto: imago/Uwe Kraft

Außenseiter Marokko kann die WM-Sensation nicht vollbringen, aber als Vorbild taugt das tapfere Team jetzt allemal.

Wenn nicht mal Kylian Mbappé sich als Trostspender eignet, ist eigentlich alles gesagt. Achraf Hakimi, inzwischen einer der besten Außenverteidiger der Welt, plumpste einfach wieder aufs Spielfeld, nachdem ihm sein Kollege bei Paris Saint-Germain zuvor noch aufgeholfen hatte. Beim in Madrid geborenen, zwischenzeitlich zwei Jahre in Dortmund brillierenden 24-Jährigen tat sich in Al Khor die große Leere auf. „Wir haben alles gegeben. Der Traum von einem Team, von einem ganzen Land ist ausgeträumt“, sagte Hakimi. „Aber wir müssen stolz auf das sein, was wir getan haben.“

Letzen Endes bot der Außenseiter Marokko im Halbfinale gegen Frankreich (0:2) erbitterten Widerstand und scheiterte nicht allein am eigenen Unvermögen im Abschluss. In allen Statistiken, die der Weltverband Fifa umfänglich ausspielt, lag der Außenseiter am Ende vorn: beim Ballbesitz deutlich, aber auch bei den gespielten Pässen, bei den zweiten Bällen, den empfangenen Bällen im letzten Drittel. Und auch bei den gelaufenen Kilometern.

Nicht nur der Trainer ist stolz auf sein Team

Doch letztlich fehlte es wohl an Kraft und Konzentration. Der sechste aufreibende Kampf auf diesem Niveau vor 30 000 Landsleuten war genau der eine zu viel. Trotzdem wollte Nationaltrainer Walid Regragui nicht, dass sich aus seinen auf dem Rasen liegenden Akteuren ein Abschlussbild grenzenloser Enttäuschung festsetzte. „Ich habe den Spielern gesagt: Ich bin stolz auf sie. Der König ist auch stolz auf sie, das ganze marokkanische Volk ist das“, sagte der Aufbauhelfer.

Dem Vernehmen nach meldete sich sogar König Mohammed VI. höchstpersönlich, um dem Team für seine Tapferkeit zu gratulieren. „Meine Spieler haben sich von ihrer besten Seite gezeigt und alles gegeben“, meinte Regragui, der sogleich gelobt, nun aus dem Emirat wenigstens mit einer Medaille heimkommen zu wollen. Als Favorit geht Marokko allerdings nicht ins Spiel um Platz drei gegen Kroatien am Samstag (16 Uhr).

Die Mentalität der Löwen vom Atlas

Die Mission im Khalifa-Stadion ist nicht nur durch die einen Tag kürzere Vorbereitungszeit erschwert. Marokkos Coach bekommt kaum noch Akteure zusammen, die beschwerdefrei laufen können. Regragui: „Es wird eine mentale Herausforderung, wir haben viele verletzte Spieler.“ Dass sich sein Kapitän Romain Saiss trotz Oberschenkelblessur hatte aufstellen lassen, um bereits in der ersten Halbzeit nicht weiterspielen zu können, war bezeichnend. Mit Nayef Aguerd brach auch der zweite Innenverteidiger weg. „Man kann keine Weltmeisterschaft mit Wundern gewinnen“, erklärte der Coach. „Wir hatten zu viele Spieler, die nur bei 60 oder 70 Prozent waren.“

Dass seine Auswahl lange ungerührt mit hoher Körperlichkeit dagegenhielt, sagt viel über die Mentalität der Löwen vom Atlas aus, an deren Haltung mit Belgien, Spanien und Portugal Topnationen aus Europa verzweifelten. Und der Weltmeister Frankreich brauchte seinen Keeper und Kapitän Hugo Lloris in Weltklasseform, um das Stoppschild zu errichten. So feierten nicht nur im verregneten Casablanca die Menschen ihre neuen Idole.

Regragui forderte, jetzt nicht nachzulassen. „Wir müssen in Afrika regelmäßig solche Leistungen zeigen, wenn wir wollen, dass Marokko auf der Fußball-Landkarte ist.“ Der Verband hat mit einer modernen Akademie, professionellen Strukturen und einem staatlichen Nachwuchsprogramm bessere Voraussetzungen als in den meisten anderen afrikanischen Ländern geschaffen. Der Nationaltrainer sagt: „Wir wollen uns für jede WM qualifizieren, damit es für die Menschen in Zukunft normal ist. Wir müssen das regelmäßig zeigen und beweisen, dass es kein Zufall war.“ Um irgendwann auch mal einen Kylian Mbappé zu bezwingen.