Theresia Bauer will Oberbürgermeisterin in Heidelberg werden Foto: mwk/mwk

Nach elf Jahren als Wissenschaftsministerin verlässt die Grünen-Politikerin Theresia Bauer die Landesregierung. Was bleibt?

Theresia Bauer hat als Ministerin eine eigene Art, ihre Umgebung auf Distanz zu halten. Mit einem Lächeln. Jederzeit bereit für den Wechsel in ein Signal der Ungläubigkeit: Wie ihr Gegenüber jetzt nur auf dies oder jenes kommen kann.

Mitstreitende gesucht

Auch im beginnenden Ringen um den Oberbürgermeister-Stuhl in ihrer Wahl-Heimatstadt Heidelberg zeigt die in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) geborene Grünen-Politikerin ein Lächeln. Es ist warm. Interessiert. Das Signal: Bauer hat etwas vor, sucht Mitstreitende für ihr Ziel, Heidelberg „grüner und blauer“ zu machen, die Luft besser, das Wasser sauberer.

Hohes Lob von Winfried Kretschmann

Für ihre Kandidatur bei der OB-Wahl in der Universitätsstadt gibt Theresia Bauer ein zentrales Amt in der Landesregierung auf. Seit 2011 ist sie Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Des hohen Respekts von Ministerpräsident Winfried Kretschmann kann sich Bauer, im politischen Pokerspiel auch einige Zeit als mögliche Nachfolgerin gehandelt, sicher sein. „Theresia Bauer“, sagt Kretschmann unserer Zeitung, „hat den Wissenschaftsstandort entschlossen vorangebracht und zahlreiche innovative Projekte wie das Cyber Valley oder Heidelberg4Life angestoßen.“ Für ihn ist klar: „Nicht umsonst wurde Theresia Bauer vier Mal zur Wissenschaftsministerin des Jahres gekürt.“

Leicht hat es sich die Politikwissenschaftlerin nicht gemacht. Von Beginn an ging es im zentralen Bereich Wissenschaft nicht nur um die Sicherung der Möglichkeiten, sondern um die immer wichtigere Differenzierung in der Hochschullandschaft. Hier sieht Theresia Bauer auch derzeit die „größte Herausforderung“. Unserer Zeitung sagt sie: „Eine Hochschule, die weder die Besten noch die Vielen anziehen kann, wird leer stehende Kapazitäten haben. Solche Hochschulen werden auf kurz oder lang ein Problem bekommen.“

Blick in die Robotik-Welt der Zukunft Foto: CV

Deutliche Worte. Dabei spiegelt die Forderung, selbst gestellte Ansprüche einzulösen, das Arbeitsverständnis in ihrem Ministerium. Galt ihr Augenmerk in der ersten Legislaturperiode der Regierung Kretschmann in der Koalition mit der SPD eher der Bestandsaufnahme und der Sicherung gefährdeter Einrichtungen, steht seit 2016 und in der Koalition mit der CDU ein mit klaren Forderungen verbundenes Zukunftsprogramm im Mittelpunkt. „Wir haben mit den Innovationscampus-Modellen neue Strukturen implementiert, die sich in unglaublich kurzer Zeit bewährt haben“, sagt Theresia Bauer. Und sie ist sich sicher: „Das wird bleiben.“

Beispiele? Bauer nennt das Projekt Cyber Valley in der Region Stuttgart/Tübingen, den Innovations-Campus für die Mobilität der Zukunft des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität Stuttgart, die Health & Life Science Alliance im Raum Heidelberg/Mannheim: „Hier“, so Bauer, die seit 2001 für die Grünen im Stuttgarter Landtag sitzt, „wird zusammengearbeitet über die Grenzen von Institutionen und Orten hinweg, im Interesse, miteinander internationale Strahlkraft zu erreichen.“ „Zusammenarbeit“ – die Art, wie Theresia Bauer diesen Begriff benutzt, deutet einen Ernst an, der nicht allen in der die Unabhängigkeit liebenden Wissenschaft gefallen kann. Die Lust des Forderns aber trifft seit 2016 auch Forschung und Kunst. Letztere ist in Baden-Württemberg Schwerpunktthema auf Staatssekretärsebene. 2016 formuliert Petra Olschowski als neue und seinerzeit noch parteilose Staatssekretärin ein überraschendes Programm: Die Digitalisierung und niederschwellige Angebote werden zur Messlatte für die Weiterentwicklung von Kultureinrichtungen. Widerstand formiert sich.

Krisenmodus wirkt auch in die Kultur

Wirkliche Sorgen aber habe ihr dies nicht gemacht, sagt Theresia Bauer im Rückblick: „Ich habe mich über eine gewisse Spannung im Diskurs gefreut. Wir brauchen im Resonanzraum der Kultur ja auch Reibung und Veränderung.“ Und dann fügt sie hinzu: „Zu viel Harmonie macht schläfrig und selbstzufrieden.“ Konfrontation ob der Konfrontation aber ist Theresia Bauers Sache so wenig wie die Sache von Petra Olschowski. Bei der Landtagswahl 2021 erstmals Kandidatin der Grünen holt sie in Stuttgart ein Direktmandat. Nun folgt sie Theresia Bauer im Ministeramt nach. Das 2016 wachgerufene Misstrauen der Kulturszene ist aus Bauers Sicht längst Vergangenheit: „Das Vertrauen im Kunstbereich gegenüber dem Land“, sagt die scheidende Ministerin, „ist durch den über zwei Jahre geführten Kulturdialog und die neuen Förderinstrumente gewachsen“. Bundesweite Beachtung gar fand das Engagement des Duos Bauer und Olschowski für die Kultur in der Pandemie. Gänzlich weggeblasen aber sieht Theresia Bauer die dunklen Wolken nicht. „Wir erleben ja gerade, dass der Krisenmodus unserer Gesellschaft zum neuen Dauerzustand wird.“ Und: „Selbst wenn das Leben mit Corona sich normalisieren wird, sind wir mit neuen Krisen konfrontiert, die auch das Kulturleben betreffen.“

Petra Olschowski wird neue Wissenschaftsministerin Foto: mwk

Arne Braun kennt die alten und neuen Problemstellen der Kultur im Land. Bisher Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, bildet Braun als Staatssekretär mit Petra Olschowski als Ministerin künftig die politische Spitze des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Diese Worte der amtierenden Ministerin wird Braun gerne hören: „Die Sehnsucht nach dem Größeren, nach der anderen Sicht auf die Dinge und nach dem gemeinsamen kulturellen Erlebnis wird nicht nachlassen und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird eine lebendige Kulturlandschaft dringend gebraucht.“

Arne Braun wird neuer Kultur-Staatssekretär Foto: dpa

Zuvor aber lenkt Theresia Bauer den Blick noch einmal auf das Schlüsselwort Zusammenarbeit. Innerhalb weniger Jahre ist die Medizintechnik zu einem Innovationstreiber im Land geworden. Braucht es, nachdem die Hochschulen mit diversen Ausgründungen viel Tempo gemacht haben, jetzt nicht Rückwirkungen der Start-Up-Szenerie in den Hochschulbereich? „Die Zusammenarbeit in diesem Schlüsselbereich zwischen Forschung und Unternehmen“, sagt Bauer, „kann gar nicht eng genug sein. Die Veränderungen gehen, insbesondere durch die Digitalisierung und Erkenntnisse der Lebenswissenschaften und Molekularbiologie getrieben, rasant voran und wälzen Medizin und die Gesundheitsökonomie um.“ Und: „Dieser Transformationsprozess ist nicht weniger radikal als das, was wir im Automobilbereich erleben.“

Forschung braucht lokale Netzwerke

Wie reagiert man darauf? Auch für die Politik ist dies ein Lernprozess. Theresia Bauer sieht Baden-Württemberg über „Netzwerke“ auf einem guten Weg. „Vieles spricht dafür“, sagt sie, „dass diese Netzwerke lokale Konzentration brauchen, damit man sich tatsächlich kennt und sich begegnet.“ Entsprechend wichtig seien in den Schnittstellen aktive Partner wie die BioRegio Stern in der Metropolregion Stuttgart und die Bio RN in der Metropolregion Rhein-Neckar.

Wachstumsmarkt Medizintechnik

Anders als in Sachen Automobilbau ist das Wort „Strategiedialog“ in den Feldern Wissenschaft und Forschung nicht mit immer neuem Abtasten verbunden. Mit dem Unterton der Macherin sagt Theresia Bauer, die Landtagsabgeordnete bleibt: „Wir haben beim Strategiedialog Forum Gesundheitsstandort eine Plattform des Austauschs hergestellt. Hier werden Modellprojekte initiiert, die landesweit ausgerollt werden können und Fragen identifiziert, die landesweite Lösungen brauchen.“ Baden-Württemberg konzentriert sich auf das Thema Gesundheitsdaten. „Davon“, sagt Theresia Bauer, „werden Forschung, Unternehmen und Gesundheitsversorgung direkt profitieren“.

Gute Wünsche für die Nachfolgerin

Am 28. September soll Petra Olschowski im Stuttgarter Landtag zur neuen Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst ernannt werden, Arne Braun zum Staatssekretär. Für Theresia Bauer geht es in den Wahlkampf nach Heidelberg. Was sie ihrer Nachfolgerin wünscht? „Dass sie mit Mut, Klugheit und ihrer ganzen Leidenschaft die Kunst und die Wissenschaft als Kraftzentren unseres Landes verteidigt.“

Das Wissenschaftsministerium in Kürze

Größe
 Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) ist eine Landesbehörde mit rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es gliedert sich in fünf Abteilungen mit insgesamt 24 Referaten.

Leitung
 Nach elf Jahren an der Spitze gibt Theresia Bauer (Grüne) das Ministeramt ab. Designierte Nachfolgerin ist die bisherige Staatssekretärin Petra Olschowski (Grüne), Neuer Staatssekretär mit dem Schwerpunkt auf Kunst- und Kulturpolitik wird Arne Braun (Grüne), bisher Sprecher der Landesregierung. Die Ernennungen erfolgen am 28. September.

Lage
Untergebracht ist das Ministerium im Mittnachtbau in Stuttgart-Mitte (errichtet zwischen 1926 und 1928). Der Name erinnert an den früheren Ministerpräsidenten Hermann Freiherr von Mittnacht (1825 bis 1909).

Mittel
Die Gesamtmittel des MWK betrugen 2021 5,75 Milliarden Euro. Wesentlich gehen diese in Wissenschaft und Forschung. Im Wintersemester 2019/2020 wurden 360 000 Studierende gezählt. Gegenwärtig gibt es über 70 Hochschulen in staatlicher und privater Trägerschaft. Außerhalb der Hochschulen gibt es in Baden-Württemberg über 100 Forschungseinrichtungen, darunter 12 Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, 15 Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft, 13 Vertragsforschungseinrichtungen und zwei Großforschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft.