Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), der Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Autofahren und Fliegen müssen teurer werden, sagt Winfried Hermann. Doch man dürfe es auch nicht übertreiben. Ohne gesellschaftlichen Konsens sei der Kampf gegen den Klimawandel kaum zu schaffen.

Stuttgart - Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann hat die eigene Partei davor gewarnt, im Kampf gegen den Klimawandel zu radikale Forderungen aufzustellen und die Menschen zu überfordern. „Wir müssen angesichts der neuen EU-Klimabeschlüsse und der neuesten Daten zum Klimawandel deutlich mehr tun. Aber wir sollten die Menschen nicht abschrecken, sondern für Klimaschutz gewinnen“, sagte Hermann im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Deswegen sei er im Gegensatz zu manchen Grünen nicht dafür, den CO2-Preis für Öl und Gas massiv anzuheben, was den Sprit deutlich teurer machen würde. In der Debatte um Kurzstreckenflüge warb er dafür, wo möglich auf die Bahn umzusteigen. Flüge müssten teurer werden, aber erschwinglich bleiben, sagte Hermann.

Nicht um Cent-Beträge streiten

Um die Herausforderung Klimawandel zu stemmen, brauche es ein breites Bündnis aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, sagte der Minister, der bei den Grünen zum linken Flügel gehört, zum Bundesparteitag an diesem Wochenende. Die aufgeheizte Debatte um den Vorschlag des Grünen-Bundesvorstands für einen CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne bis 2023 sei ein Rückschlag gewesen. „Da ist es nicht sehr klug, wenn die einen schimpfen, jetzt verteuern die alles, obwohl sie auch etwas für den Klimaschutz tun wollen. Und die anderen sagen, es ist nicht genug, man muss immer noch mehr machen. Wir sollten uns nicht um einzelne Cent-Beträge streiten und dann uns auseinanderdividieren lassen.“

Spritpreis-Debatte „schäbig und scheinheilig“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte von einem Aufschlag von etwa 16 Cent pro Liter Benzin gesprochen und dafür massive Kritik aus Union und SPD geerntet. Allerdings hatte die große Koalition selbst 2019 entschieden, den CO2-Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen zu lassen und damit auch höhere Spritpreise beschlossen. „Es ist nicht nur schäbig, sondern scheinheilig und falsch, jetzt so zu tun, als würden die Grünen die Benzinpreise hochtreiben“, sagte Hermann. „Alle, die Klimaschutz wollen und im breiten Konsens beschlossen haben, einen CO2-Preis einführen, haben auch gewusst, dass damit Heizöl, Benzin und Diesel verteuert werden.“

Erträge aus CO2-Preis gehen „eins zu eins“ zurück

Der 68-jährige Landesverkehrsminister verwies darauf, dass Bund und Länder sich geeinigt hätten, „dass ab 2026 ein Marktpreis gebildet wird. Wir wissen noch nicht, wie sich dieser Marktpreis entwickeln wird. Ich würde mich gerne an die Vereinbarung halten, sie kann aber im Konsens verändert werden.“ Hermann betonte, die Erträge aus höheren Spritpreisen würden „eins zu eins“ wieder zurückgegeben – unter anderem mit einer Energiegeld-Pauschale. „Wir schichten sozusagen um, aber wir kassieren nicht ab.“

In der Debatte um weniger umweltschädliche Flüge sagte Hermann: „Es gibt Menschen, die meinen, man könnte ganz auf das Fliegen verzichten. Der Überzeugung bin ich nicht. Zu einer modernen Mobilität gehört auch das Fliegen.“ Jedoch müsse die Flugwirtschaft deutlich nachlegen beim Klimaschutz. „Deswegen fördert das Land auch in Pilotprojekten synthetisches Kerosin auf Basis erneuerbarer Energien. Auf diese Weise kann der Flugverkehr klimafreundlicher werden. Diese Ansicht teilen inzwischen auch der Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft und die Mineralölwirtschaft.“

Bahn nicht immer eine Alternative

Dass Baerbock Kurzstreckenflüge durch gute Bahnverbindungen überflüssig machen will, hält der Verkehrsminister für genau richtig. Nur sei die Bahn derzeit eben nicht immer eine Alternative. „Da müssen wir uns nichts vormachen. Eine Bahnstrecke mit sechs, sieben Stunden Fahrzeit kann nur schwer konkurrieren mit einem Flug von einer Stunde.“

Dennoch müsse das Fliegen teurer werden. „Klar ist: Wenn Fliegen billiger ist als das Taxi zum Flughafen, dann stimmt was nicht.“ Das sei ein „Lockvogelpreis“. Hermann ergänzte: „Jeder, der halbwegs denken kann, sieht ein, dass Billigflüge, wie sie zum Teil angeboten werden, jenseits von Gut und Böse sind. Auch beim Fliegen gilt: Der Flug muss einen angemessenen Preis haben, nicht überteuert, aber auch nicht zu billig sein. Es darf nicht der Anschein entstehen, als koste das niemanden etwas.“ Beim Flugpreis müssten die ökologische Belastung und die Klimaschäden berücksichtigt werden. „Wenn der CO2-Preis steigt, wird selbstverständlich auch der Kerosinpreis mitsteigen. Das ist auch angemessen.“