Schwalben finden in der Wilhelma gute Lebensverhältnisse vor. Foto: Lichtgut/Julian Rett

Die Wilhelma engagiert sich vielfältig für den Artenschutz. Das kommt auch den Schwalben zugute. Dafür hat der Naturschutzbund den zoologisch-botanischen Garten nun als „Schwalbenfreundliches Haus“ ausgezeichnet.

Stuttgart - Wie Kunstflieger segeln sie durch den Stall. Über ein neu geborenes Kälbchen und ihre Mama hinweg, die kurz nach oben blickt, sich dann aber wieder ihrem Baby widmet. Die Rauchschwalben sind ihre Mitbewohner. Ihre Nester haben sie knapp unter der Decke gebaut. Fliegen sie diese an? Nein, zu viele Leute im Schaubauernhof der Wilhelma! Das hat seinen Grund: Stuttgarts Zoologisch-Botanische Garten ist an diesem Nachmittag vom Naturschutzbund Nabu Baden-Württemberg als „Schwalbenfreundliches Haus“ ausgezeichnet worden.

21 Nisthilfen ließ Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin in und an Ställen aufhängen, um den Lebensraum für Schwalben zu fördern. Ein Artenschutz-Engagement für die Tiere, die als Glücksboten gelten. „Wenn eine Schwalbe am Haus brütet, geht das Glück nicht verloren“, lautet ein Sprichwort. Doch die Agrarvögel sind bedroht, unter anderem durch fehlende Nistplätze, durch Haussanierungen, moderne Ställe, Insektenschwund, Lebensraumverlust. Laut Nabu hat sich in den Jahren von 1980 bis 2016 die Anzahl der Rauchschwalbenpaare mehr als halbiert.

Von Mecklenburg-Vorpommern in den Südwesten

Hausbesitzer wollten kaum mehr Schwalbennester unter den Dächern, sagt Nabu-Landesvorsitzender Johannes Enssle. Und Rudi Apel, der 2007 die Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ von Mecklenburg-Vorpommern in den Südwesten holte, dafür kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt, betont, dass dies den Häusern nichts mache. „Man muss wissen, sind Schwalben da, werden Menschen weniger von Schnaken geplagt.“ Wenn sie ihre Jungen aufzögen, jagten sie am Tag etwa 1200 Mücken und Schnaken. Die finden sie im angrenzenden Rosensteinpark, am Neckar und in den Blühflächen des Zoos. Um die Insektenvielfalt zu fördern, wurden in der Wilhelma die Mähzeiten der Grünflächen angepasst.

Die Tour zu den Nisthilfen, die Kölpin und sein Team begleiten, führt unter anderem zum Straußenhaus. Direkt am Trauf sind eng nebeneinander Kunstnester aus einem Sägemehl-Gips-Mix mit Einschlupf montiert – für Mehlschwalben. Halbschalen sind angebracht, mit sechs Zentimeter Luft zur Decke im Kamelstall. „Mehlschwalben brüten in Kolonien, Rauchschwalben wollen eher Abstand“, sagt Rudi Apel. 1200 bis 1400 Kügelchen aus Lehm oder Schlamm gemischt mit Speichel brauche ein Vogelpaar für ein Nest. Doch es mangele an Baumaterial, weil mehr Flächen versiegelt seien.

Nestbau dank des Schlammbads der Elefanten

In der Wilhelma indes finden die Vögel viel Schmutz – im Schlammbad der Elefanten, in den Pfützen der Gehege, und seit Pfingsten in einer Lehmkuhle, die beim Stall der Trampeltiere angelegt wurde. „Ein Projekt unserer Auszubildenden“, erzählt Direktor Thomas Kölpin. Die Wilhelma ist als erster deutscher Zoo Anfang 2021 der globalen Koalition für Artenvielfalt der Europäischen Kommission beigetreten. Schwalben seien auch bedroht, weil in Afrika Feuchtgebiete und Urwald schwänden, so Apel. Manche seien zu schwach, um den langen Weg zurück zu schaffen oder fielen der Vogeljagd in Südeuropa und Nordafrika zum Opfer. Schwalben kehren alljährlich vom Winterquartier an ihre Brutplätze zurück, legen teils über 12 000 Flugkilometer zurück.

Die ersten Schwalben trafen um den 12. April in der Wilhelma ein. Wegen des Wetters begann die Brutphase etwas später als sonst. „Das Beispiel der Zugvögel zeigt, dass beim Artenschutz international kooperiert werden muss“, so Kölpin. „Es muss ein globales Umdenken geben.“