Eine Kandidatin sitzt in Untersuchungshaft, andere haben ihr Mandat schon abgegeben – trotzdem stehen sie auf dem Wahlzettel, wenn die Bundestagswahl am Sonntag in Berlin teilweise wiederholt wird. Wie das funktioniert und welche Folgen das hat.
Am Sonntag ist Bundestagswahl – aber nur in Berlin. Und auch dort nicht überall. Weil bei der Bundestagswahl 2021 so viel schiefging, wird die Abstimmung in 455 Wahlbezirken nachgeholt. Wie es dazu kam, welche Folgen das hat und was es politisch bedeutet: ein Überblick.
Warum muss erneut gewählt werden?
Am 26. September 2021 stimmten die Berliner über Bundestag und Abgeordnetenhaus ab – und in vielen Wahllokalen herrschte Chaos: In manchen gab es nicht genug Stimmzettel, in anderen die falschen. Leute warteten über Stunden, um ihre Stimme abzugeben. Weil am selben Tag der Berlin-Marathon stattfand, waren Straßen gesperrt, der Nachschub an Stimmzetteln stockte. Die Wahl war schlecht geplant. Deshalb wird sie nun in den Wahlbezirken wiederholt, in denen besonders viel schiefging. Über das Abgeordnetenhaus, das Landesparlament von Berlin, wurde übrigens vor einem Jahr schon komplett neu abgestimmt.
Stehen dieselben Kandidaten zur Wahl?
Ja. Die Bewerber müssen auch für dieselbe Partei antreten wie vor zwei Jahren. Wer von der Linken zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gewechselt ist, steht weiterhin für seine alte Partei auf dem Zettel. Auch sonst wirkt sich die Regelung seltsam aus: Michael Müller, der für die SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf antritt, wird mit der Funktion „Regierender Bürgermeister von Berlin“ genannt, auch wenn er das Amt längst nicht mehr innehat.
Auch die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann steht zur Wahl, obwohl sie wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzt. Es treten auch Kandidaten an, die ihr vor zwei Jahren gewonnenes Mandat inzwischen abgegeben haben – wie Cansel Kiziltepe (SPD) oder Joe Chialo (CDU), die inzwischen beide Senatoren in Berlin sind.
Stimmen dieselben Wähler ab?
Nicht unbedingt. Mitmachen dürfen die Wahlberechtigten, die aktuell in einem der Wahlbezirke leben, in denen die Abstimmung für ungültig erklärt wurde. Wer aber vor zwei Jahren keinen Wahlzettel mehr abbekommen hat und inzwischen woanders lebt, darf nicht erneut abstimmen. Umgekehrt bekommen manche Menschen nun ihre zweite Stimme für die Bundestagswahl: Wer im September 2021 noch erfolgreich woanders abstimmte und nun in einem der betroffenen Wahlbezirke gemeldet ist, ist erneut zur Abstimmung aufgerufen.
Wie wirkt sich das auf den Bundestag aus?
Bundesweit hat die Wiederholungswahl kaum einen Effekt. Insgesamt dürfen knapp 550 000 Berliner wählen, das sind 0,9 Prozent aller deutschlandweit Stimmberechtigten. An den Mehrheiten im Bundestag wird sich nichts ändern. Für einzelne Abgeordnete geht es um viel: Wer über einen der hinteren Listenplätze gewählt wurde, muss um sein Mandat fürchten.
Prominente Abgeordnete wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) oder SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sind durch ihre guten Listenplätze abgesichert. Auch die Linke braucht sich nun doch nicht zu sorgen: Sie schaffte es 2021 nur in den Bundestag, weil sie drei Direktmandate holte – zwei davon in Berlin. Die relevanten Wahlkreise sind von der Wiederholungswahl aber kaum betroffen, sodass sie nicht verloren gehen können.
Hat die Wahl politische Folgen?
Höchstens symbolische. Natürlich kann man anhand der Ergebnisse sehen, wie beliebt die Ampel ist. Überbewerten sollte man die Wahl aber nicht. Berlin stimmt immer etwas anders ab als der Rest des Landes. Spannend dürfte die Wahlbeteiligung sein. Die könnte möglicherweise gering ausfallen, weil viele bei dieser Wahl das Gefühl haben, nur wenig mit ihrer Stimme bewirken zu können.
Klappt es wohl dieses Mal?
Nach dem Desaster von 2021 musste die damalige Landeswahlleiterin zurücktreten. Ihr Nachfolger, Stephan Bröchler, hat einen guten Ruf. Er organisierte schon die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl vor einem Jahre. Die verlief problemlos. Das ist auch am Sonntag zu erwarten.