Das Staufen-Movieplex in Göppingen startet nach Lockdowns und dem Tod des bisherigen Betreibers wieder durch. Das Kino bleibt in Familienhand.
Nach Pandemie und Todesfall startet das Göppinger Kino Staufen-Movieplex mit der Enkelin des Gründers wieder durch. Ein lange vermisstes Lebensgefühl kehrt zurück. Nach Monaten virtueller Ermüdung soll der Filmgenuss mit einem neuen Konzept vielfältiger werden als vor dem Lockdown.
Vor über 100 Jahren, anno 1908, hatte Wilhelm Huttenlocher das Lichtspielhaus in der Poststraße gegründet. Bis zum Bau der Stadthalle war das Kino der wohl wichtigste Veranstaltungsort in Göppingen. Theatervorstellungen und weitere Kulturveranstaltungen waren mit einem Saal für 1000 Personen gesellschaftliches und kulturelles Zentrum. Namhafte Schauspieler waren in Göppingen zu Gast. Bis heute künden die Spiegel, auf denen sich die Prominenz verewigte, von den großen Zeiten. Nach dem Tod des Gründersohns im Jahre 1953 führte dessen Gattin das Kino. Generationen von Kinobesuchern hat die ebenso geschäftstüchtige wie resolute Chefin durch die Vorstellungen begleitet. Das Kino entwickelte sich zum „Movieplex“ mit mehreren Leinwänden. Die Chefin starb 1998. Ihr Sohn übernahm.
Aus Baden-Baden zurück nach Göppingen
Zwei mehr als sechsmonatige Corona-Lockdowns überlebte das Kino nur dank der Ausfallhilfen. Kurz nach der Premiere des neuen „James Bond“ im September 2021, der wieder einen Hoffnungsschimmer für die gebeutelte Branche bedeutete, starb Jörg Huttenlocher, der in dritter Generation den Familienbetrieb geführt hatte. Viele Kinogänger fürchteten das Ende einer großen Tradition in Göppingen. So auch Susanne Huttenlocher, die Schwester von Jörg Huttenlocher. Sie war im Kino der Familie aufgewachsen und wohnte bis zu ihrem siebten Lebensjahr über dem damals noch bestehenden Palastkino in der Geislinger Straße. Doch ihr Berufsleben führte sie in eine andere Richtung: Sie war in der Hotelbranche tätig. Die letzten 20 Jahre im mondänen Baden-Baden.
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Nun aber ist sie zurückgekehrt. Denn: „Es wäre schlimm, wenn Göppingen kein Kino mehr hätte“, sagt sie und betont: „Mir liegt viel daran, dass der Familienbetrieb weiter fortgeführt wird“. Ihr zur Seite steht Jochen Schellong, der in zweierlei Hinsicht geradezu prädestiniert dafür zu sein scheint. Der Betriebswirt war vor seinem Ruhestand als Geschäftsführer tätig und gehört zur Familie: Er ist der Cousin von Susanne Huttenlocher. „Die Tradition soll fortgesetzt werden, das Kino ein Familienbetrieb bleiben“, betont Schellong. „Das Kino gehört zum Kulturangebot der Stadt.“ Er hilft, den Übergang zu organisieren. Ein neuer hauptamtlicher Geschäftsführer soll in den kommenden Monaten gefunden werden. Wenn alle gesellschaftsrechtlichen Fragen geklärt sind, möchte sich Gesellschafterin Huttenlocher aus dem operativen Geschäft zurückziehen.
Die gesamte Bevölkerung soll angesprochen werden
Das neue Konzept nimmt allerdings schon jetzt Formen an. Dafür haben sich die Gesellschafterin und ihr Vetter einiges einfallen lassen. Zentrales Ziel ist es, einen möglichst breiten Querschnitt der Bevölkerung anzusprechen. Dazu ist das Kino auch schon Kooperationen eingegangen. Bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit dem Filmklub K3, der einmal im Monat einen Film zeigt. Neu ist der monatliche Filmtag des kommunalen Kinos „Open End“. Auch mit dem Stadtseniorenrat laufen Planungen für mindestens einen Kinotag im Quartal. Nach der guten Resonanz auf einen Film in türkischer Sprache soll es außerdem Vorführungen für Migrantengruppen geben. Die Betreiber freuen sich auf weitere filmaffine Gruppen und Vorschläge.
Erstmals wird das Göppinger Kino bei der Göppinger Kulturnacht im Juni mit dabei sein und Kurzfilme sowie Trailer zeigen. Groß ist die Vorfreude auch auf das im November stattfindende, von OB Alex Maier initiierte Filmklangfestival. „Eine ganz tolle Initiative“, sagt Jochen Schellong. „Vorgesehen sind 15 Filme an vier Tagen. Und das Kino wird zwei seiner besten Säle zur Verfügung stellen“, verspricht der Betriebswirt.
Huttenlocher und Schellong sind zuversichtlich, die Herausforderungen der Zukunft zu bestehen. Dazu gehört es, Marktanteile von den Streaming-Diensten zurück zu gewinnen, die in der Pandemie extrem gewachsen sind.