Ab März starten die Ferienclubs rund ums Mittelmeer in die neue Saison. Dabei werden hunderte von Animateuren gebraucht, die sich um die Urlauber kümmern. Wir waren bei einem Casting in Stuttgart dabei.
– Viele träumen von einem Job in einem Ferienclub – man arbeitet da, wo andere Urlaub machen. Wie wird man eigentlich Animateur?
Das Klischee
Nennen wir ihn Oli. Oli ist Animateur in einem Ferienclub und hat so viel Energie wie der Duracell-Hase aus der Werbung. Die Gäste fragen sich, wann der Mann eigentlich mal Pause macht? Ständig sieht man ihn im Einsatz. Morgens um 8 Uhr verkleidet er sich mit Schürze als Koch und brutzelt am Frühstücksbüfett Spiegeleier. Danach geht’s zum Sport. Bogenschießen, Pilates, Tennis. Mit einer Engelsgeduld demonstriert er unsportlichen Urlaubern den Unterschied zwischen Vor- und Rückhand. Mittagessen: Oli schöpft gut gelaunt indisches Curry aus einer riesigen Paellapfanne. Am Nachmittag steht das Poolquiz auf dem Programm. Oli geht von Liege zu Liege und motiviert zum Mitspielen. Kurz darauf wirft er sich in die Badehose und demonstriert Übungen bei der Wassergymnastik. Minuten später steht er schon wieder komplett getrocknet und umgezogen auf der Tanzfläche an der Bar. Die Kinderbetreuerinnen haben um Unterstützung beim Clubtanz mit den Kleinsten gebeten. Oli ist textsicher: „Pizza, Pommes und Spaghetti, das ist unsere Leidenschaft!“ Seine kleinen Mitsänger liegen längst im Bett, als Oli immer noch Gas gibt. Bis Mitternacht lehnt er an der Theke und plaudert ganz locker mit den Nachtschwärmern.
Das Casting
Kann jeder so sein wie der fiktive Klischee-Oli? 68 junge Menschen im Alter zwischen 18 und 38 Jahren wollen es herausfinden. Sie sind aus ganz Deutschland an einem Wochenende Anfang des Jahres nach Baden-Württemberg gereist, um hier das Ticket für den Job unter Palmen zu ergattern. Auf der Teilnehmerliste stehen Wohnort-Angaben quer durch die Republik – von Hamburg über Gotha, Düsseldorf, Dahn, München bis nach Idstein. Die Robinson Club GmbH hat zum Casting in ein Sportzentrum im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt geladen. Animateure müssen auf Gäste zugehen und sie in den Tagesablauf einbinden, Probleme lösen, Shows organisieren und kreativ sein. Solche Talente findet man nicht beim klassischen Vorstellungsgespräch in einem Büro, wo sich Menschen am Schreibtisch gegenübersitzen. Die Kandidaten für die Clubs von Robinson und Tui Magic Life sollen sich in Rollenspielen beweisen, vor der Gruppe frei sprechen, einen kurzen Fitnesskurs leiten oder ein Kinderspiel demonstrieren – je nachdem, in welchem Bereich man arbeiten möchte. Gesucht werden Golflehrer, Tenniscoaches, Kinderbetreuer, Yogalehrer oder Gesangstalente für die abendlichen Shows. Mehrfachbegabungen werden gerne genommen. Das Team der Robinson Club GmbH hört und sieht sich alles an, stellt Fragen, notiert Wünsche zu Einsatzzeiten und Wunschdestinationen. Die meisten wollen weg aus dem deutschsprachigen Raum und lieber nach Spanien, in die Türkei, nach Griechenland oder Marokko.
Die Profis
Die Bewerber sollen sich überlegen, ob sie wirklich Animateure werden wollen. Jeder muss wissen, worauf er sich einlässt. Das gilt für die Arbeitnehmer ebenso wie für die Arbeitgeber. „Wir testen euch und ihr testet uns“, sagt Ramin Tadjadod, den alle im Unternehmen Mini nennen. In der Ferienbespaßungsbranche sind Spitznamen gang und gäbe, und man ist selbstredend ohne Umschweife per Du. Gemeinsam mit seinem Kollegen Mucki alias Matthias Ruppert skizziert Mini die Aufgaben und Anforderungen. Regel Nummer eins: Schüchtern sollte man nicht sein. Regel Nummer zwei und wichtigster Unterschied zur Hotellerie: Jeder ist immer für alles zuständig. „Es ist eure eigene Party. Ihr seid die Gastgeber und wir gemeinsam gestalten eine wunderbare Zeit für unsere Gäste“, sagt Mucki.
Die beiden Profis werfen sich in ihrer Präsentation geschickt die rhetorischen Bälle zu. Unterhaltung liegt dem Duo zweifellos im Blut. Beide waren früher selbst Animateure in Ferienclubs, nun arbeiten sie in der Konzernzentrale in Hannover. Und offensichtlich genießen sie es, wieder auf einer Bühne zu stehen, statt nur im Büro zu sitzen.
Zum Animateur muss man geboren sein. Immer freundlich, gut gelaunt auf Knopfdruck, die eigenen Probleme muss man entweder weglächeln oder am besten auf dem Zimmer lassen. Andere Menschen zu amüsieren, ist harte Arbeit. Dafür lebt man dort, wo andere Urlaub machen, und kann in seiner Freizeit am Strand liegen oder ins Meer hüpfen.
Die meisten Animateure bleiben nur kurz – ein paar Monate, eine Saison, für den Übergang zwischen Schule und Ausbildung oder Studium. Doch es gibt auch andere Beispiele. Brigitte Abler, genannt Gitti, hat gerade ihren 60. Geburtstag gefeiert. Eigentlich wollte sie nur einen Sommer bei Robinson bleiben. Das war vor 32 Jahren. „Ich habe meine Leidenschaft gefunden“, sagt die Allgäuerin, die heute den Entertainmentbereich im Robinson Ierapetra auf Kreta leitet.
Die Kandidaten
Jakob Justinger möchte gerne im Kidsclub arbeiten und tritt ausschließlich gegen weibliche Mitbewerber an. Der 18-jährige ist gemeinsam mit seiner gleichaltrigen Freundin Vanessa Petri aus der Nähe von Bingen angereist. „Wir haben uns um den Job beworben, da wir beide gerne mit Kindern arbeiten und auch nach unserem Abitur erst einmal ins Ausland wollten. Außerdem ist es uns wichtig, was zu erleben, was uns persönlich weiterbringt und gleichzeitig auch Spaß macht. Wir waren früher schon in Clubhotels und kamen somit auf die Idee“, sagt der Abiturient. „Man entwickelt sich total weiter, wenn man Verantwortung übernimmt“, sagt Vanessa Petri. Eine erfolglose Bewerbung beim Club Aldiana haben sie schon hinter sich und aus dieser Erfahrung viel gelernt. Die Konkurrenz ist groß. Unter den Bewerbern ist sogar eine ausgebildete Erzieherin aus Bamberg. Linda Schmid aus Holzgerlingen punktet mit Berufserfahrung: „2021 war ich schon mal für zwei Monate im Club Magic Life auf Rhodos.“
Auch Leo Bayha (20) aus Sindelfingen möchte Urlaub und Arbeiten verbinden. Er kommt gerade von einem viermonatigen Aufenthalt in Costa Rica zurück und würde gerne weitere Auslandserfahrung sammeln, am liebsten als Sportanimateur. Wenige Tage nach dem Casting fällt die Entscheidung. Die Quote ist ausgezeichnet: Von 68 Teilnehmern des Castings bekommen 52 eine Zusage. Jakob und Vanessa fangen im Robinson Sarigerme Park an, Leo geht auch in die Türkei in den Robinson Pamfilya, Linda fängt im Robinson Nobilis an.
Die Animateurin
Der Vertrag ist unterschrieben, das Visum ist da, der Flug gebucht: Am 15. März geht es für Linda Schmid in die Türkei. Die 19-Jährige wird sechs Monate lang im Club Nobilis als Kinderbetreuerin arbeiten. Sie freut sich, dass sie ihre zukünftige Zimmerkollegin bereits kennt. „Wir haben schon auf Rhodos zusammen gearbeitet und uns so gut verstanden, dass wir uns beide wieder beworben haben“, erzählt die angehende Animateurin. Ihre Freundin kommt aus Frankfurt und war beim Casting in Köln erfolgreich. Linda Schmid freut sich auf das Clubleben, auf ein komplett neues Umfeld und darauf, am Meer zu sein.