Werner Schmidt ist ein Urgestein der Kommunalpolitik in Ostfildern. Seit 48 Jahren ist er im Gemeinderat. Bei der Wahl am 26. Mai tritt der 77-Jährige erneut als Spitzenkandidat der SPD an.
OstfildernÄltestenrat, Technischer Ausschuss, Verwaltungsausschuss, Fraktion, Gemeinderat – seit nahezu fünf Jahrzehnten vergeht für ihn fast keine Woche, außer in den Ferien, ohne eine dieser Sitzungen. Die Kommunalpolitik hat sein Leben bestimmt. Und so soll es bleiben. 77 Jahre ist Werner Schmidt mittlerweile alt. Seit 13 Jahren genießt der frühere Grundschulrektor seinen Ruhestand. Doch von der Arbeit im Gemeinderat will er nicht lassen. Keine Frage, dass er bei der Wahl am 26. Mai erneut antreten wird. Natürlich wieder auf dem Spitzenplatz der SPD-Liste, den dem über alle Fraktionsgrenzen hinweg geschätzten Urgestein der Ostfilderner Kommunalpolitik keiner streitig macht.
Das sei keine Frage des Alters, sagt Schmidt. Ganz im Gegenteil, er profitiere ungemein von seinem Erfahrungsschatz. „Und so lange ich körperlich und geistig so fit bin, mache ich weiter.“ Gleiches gilt übrigens für seine Arbeit im Kreistag, dem Schmidt bereits seit 40 Jahren und damit unwesentlich kürzer angehört.
Schmidt sei für ihn „ein Paradebeispiel für gelebte Demokratie“, hatte OB Christof Bolay seinen Parteigenossen vor zwei Jahren in höchsten Tönen gelobt. Vermutlich nicht das letzte Mal, denn Schmidt ist dabei, den Rekord von Hans Huber zu jagen. Der Allgemeinarzt aus Echterdingen hatte Ende 2018 mit 92 nach sage und schreibe 56 Jahren als „dienstältester Gemeinderat Deutschlands“ seinen Hut genommen. Doch nicht Rekorde und Superlative sind Schmidts Triebfeder. „Es macht mir ganz einfach Freude, etwas bewegen zu können“, sagt der 77-Jährige. Und wenn man dabei anderen helfen könne, sei es nochmals schöner. Aus dem Dienst an der Allgemeinheit schöpfe er viel Zufriedenheit. Vor allem wenn er sehe, wie sich die aus vier ehemals selbstständigen Filderdörfern zusammengewürfelte Reformstadt Ostfildern bis heute entwickelt hat: mit einer komplett neuen Mitte namens Scharnhauser Park, in dem heute 9000 Menschen leben, mit einer Zug um Zug erneuerten Infrastruktur und vor allem einem Anschluss ans Stadtbahnnetz.
Schwierige Zeit vor Eingemeindung
An großen Aufgaben mangelt es in Ostfildern auch in Zukunft nicht. Schmidt ist froh, dass in Kemnat, seinem Wohnort, bald die Ortssanierung angegangen wird. Außerdem müssen mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans die Weichen gestellt werden für die Stadtentwicklung in den nächsten zwei Jahrzehnten. Gerade bei solch strategischen Aufgaben wirkt er gerne mit.
Die Anfänge seiner Zeit im Gemeinderat liegen weit zurück. 1970 hatte der Mann einer Lehrer-Kollegin Werner Schmidt für die SPD gewinnen können. „Ich habe das Godesberger Programm studiert und für mich entschieden: Das passt mit meiner christlichen und sozialen Einstellung zusammen“, erinnert sich der 77-Jährige. Ansonsten hätte er sich, wie er sagt, vermutlich den Freien Wählern angeschlossen. Im Jahr darauf wurde Schmidt in den Kemnater Gemeinderat gewählt. Bewegte Zeiten waren das damals. Die Kommunalreform stand an und damit die Frage, wo das 5000-Einwohner-Dorf seine Zukunft sieht. Der Anschluss an Stuttgart, wegen der Nähe eigentlich ein logischer Schritt, scheiterte am Desinteresse der Landeshauptstädter. Die von vielen favorisierte Lösung einer Fusion mit den Nachbarn aus Ruit, für die es schon ausgearbeitete Pläne gab, scheiterte ebenfalls. Stattdessen kam es 1975 zum Zusammenschluss mit Nellingen, Ruit und Scharnhausen.
Das direkte Lebensumfeld hautnah mitgestalten zu können, habe ihm immer gefallen, sagt Schmidt. Doch sei die Arbeit im Gemeinderat schwieriger geworden. Vor allem weil viele Menschen bei ihren Forderungen nur von Eigeninteressen geleitet seien und das Gemeinwohl immer weniger zähle. Doch Schmidt liegt es fern, über solche gesellschaftlichen Entwicklungen zu klagen. Klar gehe einem so manche Mail an die Nieren. Wenn beispielsweise erboste Anwohner alle Register ziehen und verbal um sich schlagen, um Neubauten in der Nachbarschaft zu verhindern. Aber bislang sei er nie persönlich angegriffen worden, berichtet Schmidt. „Zum Glück.“ Außerdem ist bei dem Sozialdemokraten im Laufe der Jahre auch die Gelassenheit gewachsen. Während Schmidt früher bei politischen Auseinandersetzungen schon mal aus der Haut fahren konnte, ist er heute deutlich ruhiger und versöhnlicher.
Das Weitermachen ist für den 77-Jährige auch eine Art Pflichterfüllung. Alle Aufgaben in seinem Leben ist er mit großer Ernsthaftigkeit und Ausdauer angegangen, ob die 13 Jahre als Fußballer in der Dorfmannschaft oder die 36 Jahre im örtlichen Kirchengemeinderat. Als Lehrer sowieso. Jungen Menschen etwas beibringen zu können und ihnen das Rüstzeug fürs Leben zu geben, hat Schmidt immer geliebt. Deswegen lässt sich der pensionierte Schulleiter nicht zweimal bitten, wenn es wie jüngst in der Kemnater Pfingstweideschule, nur einen Katzensprung von seiner Wohnung entfernt, wegen einer Grippewelle wieder mal eng wird im Lehrerkollegium. Gerne springt er für ein paar Tage ein. Wenn er das erzählt, strahlen seinen Augen. „Man verlernt es ja nicht.“ Und was sei ein schönerer Lohn als glückliche Kinder?