Michael Bühler (links) und Michael Staudinger sind überzeugt: Hybrid könnte auch beim Heizen die Lösung sein. Foto: /Ines Rudel

Michael Staudinger hat bei der Bosch Home Comfort Group in Wernau die Geschäfte von Michael Bühler übernommen. Der bisherige Werkleiter wird auch als Standortleiter auf Bewährtes setzen, das Innovationen für die Zukunft erst möglich macht.

In der Vergangenheit schien „dr Bosch“ gegen konjunkturelle Einbrüche immun zu sein. Doch inzwischen hat auch das baden-württembergische Vorzeigeunternehmen einen Sparkurs eingeschlagen, was nicht zuletzt die Beschäftigten in Leinfelden, dem Stammsitz der Elektrowerkzeugsparte zu spüren bekommen: Bosch Power Tools lässt, wie erst jüngst mitgeteilt wurde, seine Produktion dort auslaufen.

Bei der Bosch Home Comfort Group in Wernau, der früheren Bosch Thermotechnik GmbH, sieht die Lage weit besser aus: Bis 2028 sollen 100 Millionen Euro in den Standort investiert werden. Eine Teil der Geldes ist – nach dem Großbrand im März 2021 – bereits verbaut worden. Die zerstörte Lagerhalle wurde neu errichtet und mit einer topmodernen Automatisierung samt Robotertechnologie ausgestattet. Eine PV-Anlage auf dem Dach sorgt für den erforderlichen Strom.

Produktions- und Logistikkonzept setzt auf Automatisierung

Im Nachbargebäude, das ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen worden war und generalsaniert wurde, fanden Büros, Besprechungs- und Schulungsräume sowie die Entwicklungsabteilung mit ihren Laboren Platz. Ein Bauabschnitt folgt noch, um das ersonnene Produktions- und Logistikkonzept zu komplettieren und die Infrastruktur auf dem Werksgelände vollends zu optimieren.

Teil dieses neuen Konzepts ist auch die große Halle am Plochinger Dreieck, die zusätzliche Kapazitäten schafft und der Stadt Wernau obendrein eine Verkehrsentlastung bringt, zumal der innerörtliche Transport per E-Truck abgewickelt wird. Die Zahl der Beschäftigten soll bei Bosch Home Comfort eher auf- als abgebaut werden. 250 Menschen, darunter 30 Azubis, arbeiten zurzeit im dortigen Werk, 1650 Beschäftigte zählt der Standort insgesamt. Die Geschäftsführung und die meisten Zentralabteilungen mit ihren Verantwortlichen sitzen ebenfalls in Wernau.

Hybridlösung für den Heizungsmarkt

Dass der Gesamtkonzern den Produktbereich Festoxid-Brennstoffzellentechnik schließen wird, wovon rund 50 Mitarbeitende am Standort Wernau betroffen sind, mag da nicht so recht ins Bild passen. Der Grund dafür ist laut Bosch, „dass sich der Markt in der jüngeren Vergangenheit anders entwickelt als erwartet“. Konzentrieren will man sich bei stationären Wasserstoff-Technologien auf die Elektrolyse, worin ein strategisches Wachstumsfeld gesehen wird. Eine Option für die Beschäftigten, so heißt es, sei ein Einsatz in diesem Bereich oder aber der Wechsel an einen anderen Standort.

Ein Wechsel in der Führungsetage wiederum – so absurd sich das auch anhören mag – sorgt gerade in Wernau für Kontinuität. Michael Staudinger hat vor einigen Monaten Michael Bühler als Standortleiter abgelöst. Ein Unbekannter ist Staudinger in Wernau indes nicht, fungierte er doch seit Juli 2021 vor Ort als Werksleiter. Bühler wiederum bleibt der Home Comfort Group ebenfalls treu. Er verantwortet seit kurzem den Aufbau eines Werks und die Produktion der Gruppe im türkischen Manisa. Auch dabei spielt Wernau eine nicht unwesentliche Rolle, denn ein Gerät, das unter anderem in Manisa gefertigt werden soll, ist eine der neuesten Errungenschaften, die an der Junkersstraße entwickelt wurde. Die Compress Hybrid 5800i G könnte die Unsicherheiten auf dem Heizungsmarkt beseitigen. Kurz gesagt: Das System ist so flexibel, dass es sowohl mittels eines Gasbrenners als auch durch eine Wärmepumpe betrieben werden kann.

Bühler und Staudinger sind von dem Produkt gleichermaßen überzeugt: „Mit dem Gebäudeenergiegesetz ist bei uns die Idee entstanden, eine Lösung in alle Richtungen anzubieten, also musste es ein Hybrid sein“, sagt der Ex-Chef. Gehe eine alte Gastherme kaputt, müsse nicht sofort der große Wurf erfolgen, weil zunächst der Wechsel auf das Hybridgerät und später die Nach- oder Umrüstung mit der Wärmepumpe möglich sei. „Letztere werden – Stand jetzt und nach den Ansagen der neuen Bundesregierung – ebenfalls durch die KfW gefördert“, so Bühler.

Für Staudinger ist die „All-in-one-Lösung der richtige Schritt in schwierigen Zeiten“. Solange nicht klar sei, wohin die Reise gehe, „wollten wir selbst auf eine unsichere Marktsituation, die einer Achterbahnfahrt gleicht, mit dem passenden Produkt reagieren“. Der Standortleiter rechnet in diesem Jahr mit der Herstellung von 67 000 Hybrid-Modellen in Wernau. 2026 sollen es mehr als doppelt so viele sein. Die „Basisversion“ liege dabei preislich ähnlich wie eine Standard Gas-Brennwertheizung, aber inklusive der technischen Optionen zur Umrüstung, fügt er hinzu.

Zugute kommt der Bosch Home Comfort Group auf diesem Weg die weiter voranschreitende Automatisierung. „Das ist bei uns ein Kerngeschäft, das vom Gesamtunternehmen stark unterstützt wird“, betont der jetzige Standortleiter. „Wir fungieren hier in Wernau für Robert Bosch, auch durch hohe Investitionen in unsere Laborbereiche, als Validierer von intelligenten Lösungen und Pilotprojekten“, ergänzt Staudinger. Mit seinem Vorgänger ist er sich jedenfalls einig: „Wir sehen uns für die Zukunft gut aufgestellt“, erklären beide unisono.

Millionenschaden bei Großbrand

Großeinsatz
Von einer „verheerenden Feuersbrunst“, einem „Flammeninferno“ und einer „leuchtenden Qualmwolke“ ist in den Medien die Rede gewesen. All das traf auf den Großbrand tatsächlich zu, der in der Nacht zum 17. März 2021 auf dem Gelände der Firma Bosch in Wernau ausgebrochen war, die damals noch unter dem Namen Bosch Thermotechnik firmierte. Fast 200 Löschkräfte von Berufs-, Werks- und Freiwilligen Feuerwehren, nicht nur aus dem Kreis Esslingen, waren stundenlang damit beschäftigt, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Unter anderem mussten dafür Schlauchleitungen durch die gesamte Stadt bis zum Neckar gelegt werden, um von dort Wasser ziehen zu können.

Ursache
Der Grund, weshalb das Feuer ausgebrochen war, ist bis heute nicht definitiv geklärt. Allerdings betonte ein Experte der Polizei nach Abschluss der Ermittlungen, „dass etwas anderes als ein technischer Defekt denkbar unwahrscheinlich ist“. Fest steht indes, dass der Brand in einer 6000 Quadratmeter großen Lagerhalle auf dem Bosch-Areal seinen Anfang genommen hatte. Diese Halle, in der sich vor allem Fertigungsmaterial befand, wurde zum Raub der Flammen. Auf eine weitere Halle und auf einen Bürotrakt griff der Brand ebenfalls über. Insgesamt entstand ein Schaden von mehreren Millionen Euro.