Auf der Nordseite der Wilhelmstraße quetschen sich Fußgänger zwischen Tischen, Stühlen und Schirmen. Die Verwaltung will diesen Bereich auf 3,50 Meter verbreitern. Foto: Simon Granville

Autos sollen zwischen Sternkreuzung und McDonald’s in Ludwigsburg weniger Platz bekommen, Fußgänger dafür mehr. Begeisterung löst die Idee aber nicht aus.

Mehr als 16 000 Autos, dazu rund 1650 Busse drängen sich am Tag durch die Ludwigsburger Wilhelmstraße. Das Gedränge bezieht sich allerdings nur auf die schiere Verkehrsmenge und das ständige Stop an Go. Links und rechts haben die Fahrzeuge massig Platz, Boulevards dieser Größe findet man so in westdeutschen Innenstädten sonst kaum.

Die breite Straße mag für Autofahrer und die zahlreichen Lieferanten komfortabel sein, für Fußgänger ist sie ein Hindernis. Vor allem Ältere und Gehandicapte müssen sich sputen, wenn sie über die elf Meter breite Fahrbahn wollen. Und drüber muss man zwangsläufig, wenn man vom Bahnhof in die Innenstadt oder ins Blühende Barock und dabei keinen riesigen Umweg in Kauf nehmen möchte. Dass die Gastronomen und Händler auf dem Gehweg an der Nordseite – im Gegensatz zu den Autos – kaum Platz haben, macht die Situation nicht besser.

Kommen sich Radler und Fußgänger noch mehr ins Gehege?

Wie sich die Wilhelmstraße wandeln könnte, will die Verwaltung in einem „Verkehrsexperiment“ erproben. Die Idee: der Raum wird anders aufgeteilt, der Verkehr soll in der wärmeren Jahreszeit – von Mai bis September – weniger, Fußgänger deutlich mehr Platz bekommen. So soll die Aufenthaltsqualität steigen, Gastronomen sollen profitieren, grüner könnte es auch werden. Das Geld für die Umgestaltung kommt zum größten Teil aus Fördermitteln des Bundes für sogenannte Pop-up-Maßnahmen, mit denen schon der Arsenal- und Karlsplatz sowie der Rathaushof umgestaltet wurden.

Die Vorschläge stoßen beim Großteil des Ludwigsburger Gemeinderats aber auf wenig Gegenliebe. Im Mobilität- und Umweltausschuss wurde gar das komplette Projekt in Frage gestellt. Klaus Herrmann (CDU) zog die Vorteile für die ansässigen Innenstadtakteure in Zweifel, er sieht „Gefahrenpotenzial“. Jochen Zeltwanger (Freie Wähler) befürchtet, dass die Pünktlichkeit der Busse unter der schmaleren Straße leiden wird. Er erinnerte auch daran, dass die Wilhelmstraße nicht einfach nach Gutdünken so gestaltet wurde, sondern den Planungen ein Bürgerentscheid vorausging. Stefanie Knecht (FDP) und Margit Liepins (SPD) erwarten noch mehr Konflikte zwischen Fußgängern und Radlern, wenn letztere von Bussen vor sich hergetrieben werden. Beide erinnerten an Anträge ihrer Fraktionen zu Radstreifen, die die Verwaltung mit dem Hinweis abgelehnt hatte, dass sie wegen der Bushaltestellen nicht zu realisieren seien.

Nur die Grünen finden die Idee richtig gut

Einzig die Grünen befanden die Idee für gut. Radfahrer würden die Busse viel weniger aufhalten als die Ampeln in der Wilhelmstraße, argumentierte Frank Handel. E-Bikes seien mit 25 Kilometern in der Stunde ohnehin fast so schnell wie die erlaubten 30. Christine Knoß rief in Erinnerung, dass es sich um eine befristeten Umbau handle, was viele ihrer Kolleginnen und Kollegen wohl aus den Augen verloren hatten. „Wenn wir nichts ausprobieren, werden wir nicht sehen, ob es funktioniert.“

Laura Härle vom Referat für Stadtentwicklung führte aus, dass man dem Bund verpflichtet sei, weil man sich mit dem Projekt um die Fördergelder beworben habe. Für dieses Jahr seien 157 000 Euro eingeplant.

Die Verwaltung wird nun die Ideen konkretisieren, unter anderem soll der Busbetreiber LVL eine Stellungnahme abgeben. Auch wenn es derzeit nicht danach aussieht, sollen die zuständigen Ausschüsse im ersten Quartal 2023 abstimmen. Im Mai könnte die Wilhelmstraße dann schmaler werden.