Phil Steck aus Murr ist Typ-1-Diabetiker. Der Teenager, bei dem die Krankheit mit drei Jahren ausbrach, hat gelernt, damit umzugehen. Foto: Ralf Poller/Avanti

Für viele Betroffene ist die Diagnose Diabetes ein Schock. Wenn es Kinder trifft, belastet es die Eltern oft am meisten. Dabei kann man mit der Zuckerkrankheit inzwischen gut leben, wie das Beispiel einer Familie aus dem Kreis Ludwigsburg zeigt.

Der erste Gedanke, den Heike Steck hatte, als ihr Sohn Phil die Diagnose Diabetes gestellt bekam, kommt ihr heute absurd vor: Mein Sohn wird nie am Lagerfeuer mit seinen Freunden ein Bier trinken können, habe sie damals gedacht. Phil war damals erst drei Jahre alt.

Bier trinkt Phil immer noch nicht, mit 13 wäre das noch ein bisschen früh. Ansonsten lebt der Achtklässler ein relativ normales Leben. Er besucht das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach, in seiner Freizeit spielt er erfolgreich Tischtennis. So gut, dass er sich mit Erwachsenen misst. Die Familie aus Murr hat sich ein Stück weit eingerichtet mit der Krankheit. „Ich kenne es ja nicht anders“, sagt Phil Steck. Essen könne er eigentlich alles, seine Eltern geben ihm ab und zu noch Hilfestellung – etwa mit Kärtchen in der Vesperbox, auf denen steht, wie viel Insulin er sich nach dem Essen spritzen muss.

Spritzen setzen muss die Familie schon lange nicht mehr

Phils Freunde wissen, dass er Diabetes hat, im Notfall können sie reagieren. Rücksicht nehmen sie deshalb aber nicht. „Das will ich auch gar nicht“, sagt der 13-Jährige. Wenn sein Blutzuckerspiegel zu niedrig ist, dann müsse er eben kurz eine Pause machen. Eine ganze Weile hat ihn dabei auch Retriever Evy unterstützt. Der Hund konnte den nahenden Unterzucker riechen und stupste Phil an. Inzwischen will Evy aber nicht mehr stupsen, sondern nur noch gestreichelt werden. Sie hat sich in Rente begeben.

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ist eine Stoffwechselerkrankung. Betroffenen mangelt es am Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Die in der Nahrung enthaltenen Brennstoffe, wie Glukose oder Kohlenhydrate, kann der Körper nicht mehr ausreichend in die Zellen schleusen und verstoffwechseln. Deshalb muss das Insulin extra gespritzt werden.

Spritzen gesetzt haben Phils Eltern ihrem Sohn nur etwa ein dreiviertel Jahr lang, dann bekam er eine Pumpe. Der Piks, um einen Tropfen Blut zu gewinnen und so den Zucker zu messen, ist inzwischen auch obsolet. Was früher bis zu 15-mal am Tag nötig war, übernimmt nun ein Sensor. Die Pumpe, die Phil derzeit benutzt, hat nicht einmal mehr einen Schlauch, sodass er auch ungehindert Sport treiben kann.

Großer Unterschied zwischen Typ-1 und Typ-2

„Die Technologie hat in den zurückliegenden Jahren große Sprünge gemacht“, sagt Oberarzt Harald Kerbel, der das Diabeteszentrum der RKH-Klinik Bietigheim-Vaihingen leitet. Die Geräte zur Bestimmung des Blutzuckerwerts seien gut, nachgemessen werden müsse trotzdem ab und zu. Bei Phil Stek ist das noch einmal in der Woche der Fall. „Wenn junge Menschen an Diabetes erkranken, dann ist das oft sehr schwierig für die Familien“, sagt Kerbel. Viele der Ängste und Sorgen, die bei Heike Steck aufkamen, haben sich nicht erfüllt. Anfangs hätten sie Äußerungen Außenstehender belastet. „Wenn man Sätze hört wie: ‚man muss halt schon auf die Ernährung seiner Kinder achten’, das trifft einen“, sagt Steck. Es habe ihr auch gezeigt, wie wenig die Allgemeinheit über die Zuckerkrankheit wisse.

Denn es gibt zwei Typen: Phil Steck ist Typ-1-Diabetiker. Wie bei ihm bricht die Krankheit meist schon im Kindesalter aus. Warum die Bauchspeicheldrüse versagt, ist nicht abschließend erforscht. Typ-2, früher auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet, entsteht zum einen durch eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin (Insulinresistenz), zum anderen erschöpft eine jahrelange Überproduktion von Insulin die Bauchspeicheldrüse. „Die beiden Typen kann man eigentlich nicht vergleichen“, sagt Harald Kerbel. Denn gegen Typ-2, an dem vermehrt auch Jugendliche und junge Erwachsene erkranken, lässt sich vorsorgen: betroffen sind vor allem Menschen mit Übergewicht. Sport und gesunde Ernährung helfen also – auch wenn man die Krankheit hat. Vorsicht sei zudem geboten, wenn Vater oder Mutter schon zuckerkrank waren, so Kerbel. „In der Hälfte der Fälle bekommen es die Kinder dann auch“, sagt der Mediziner. Ansonsten hätten sich die Medikamente für Typ-2-Diabetiker auch weiterentwickelt, seien verträglicher geworden.

Welche Anzeichen gibt es für Diabetes?

Heike Steck hat es zu Beginn geholfen, sich mit anderen Eltern, die Diabetiker-Kinder haben, auszutauschen. Inzwischen leitet sie die Gruppe „Sweet-Kids“. Sie meint, dass auch Hausärzte nicht immer gleich die richtige Diagnose stellen, insbesondere bei Mädchen. Deshalb rät sie Eltern besonders auf Symptome wie Gewichtsverlust, starken Durst sowie Harndrang, Übelkeit und Abgeschlagenheit zu achten. Außerdem entwickeln erkrankte Kinder häufig einen Geruch nach Aceton. Ihr Beispiel zeige, dass man gut mit der Krankheit leben könne – auch wenn es erst mal eine Umstellung für die ganze Familie sei. Sohn Phil findet das auch: „Eigentlich gibt’s keinen Grund rum zu heulen.“

Am 14. November ist Welt-Diabetes-Tag

Aktionstag
 Seit 1991 wird am Welt-Diabetes-Tag auf die steigende Verbreitung der Krankheit aufmerksam gemacht. Er findet am 14. November statt, dem Geburtstag von Sir Frederick Banting, der gemeinsam mit Charles Best 1922 das Hormon Insulin entdeckte .

Deutschland
 Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes sind hierzulande etwa 8,5 Millionen Menschen Typ-2-Diabetiker. Experten gehen davon aus, dass sich ihre Zahl bis zum Jahr 2040 auf 11,5 Millionen Menschen erhöhen wird. Vom Typ-1 sind deutlich weniger betroffen: Derzeit rund 32 000 Kinder und Jugendliche sowie 341 000 Erwachsene.

Hilfe
 Die Selbsthilfegruppe „Sweet Kids“ trifft sich mindestens einmal im Monat. Weitere Infos im Netz: www.sweet-kids.de