Zum Wochenanfang haben die meisten Wengerter mit der Hauptlese begonnen. Kleine Mengen, aber ansonsten ein sehr guter Jahrgang, das ist die Hoffnung während der ersten Lesetage. Was Weingenießer wissen sollten.
Am Mittwoch dieser Woche hat sich Christian Escher erst noch einmal Zeit genommen, nochmals Rosé abzufüllen, weil da die Nachfrage groß und die Zahl der verfügbaren vollen Flaschen klein geworden ist. „Wir sind ganz entspannt“, sagt er zum Lesestart, bei dem für das Schwaikheimer Weingut mit Wengertflächen bis nach Strümpfelbach am vergangenen Wochenende bereits Grauburgunder und Spätburgunder gelesen wurde. Am Freitag, so Escher, folgen Sauvignon und Zweigelt.
Schäden durch Frost im Frühjahr
Auch wenn es dieser Tage etwas oft und viel regnet, ist er absolut zuversichtlich, dass der 2024er ein sehr guter Jahrgang wird, wenn auch vergleichsweise klein aufgrund der witterungsbedingten Schäden vor allem im Frühjahr. Sein Eindruck derzeit: „Alle Sorten stehen top da, auch wenn es ein herausforderndes Jahr war.“
Was letztlich die Menge angeht, die beim Jahrgang in den Keller kommt, hält sich der Schwaikheimer Wengerter zurück. „Das kann ich im Oktober sagen“. Klar ist: auch er hat Einbußen. Neben Frost hat unter anderem ein starker Hagel bei Hertmannsweiler Schäden von 25 bis 80 Prozent verursacht. Insgesamt rechnet Christian Escher mit zehn bis 20 Prozent weniger Ertrag als im Durchschnitt. „Das wird ein kleiner, aber sehr feiner Jahrgang.“
Probleme für Biobetriebe
In Remshalden hat auch Sylvia Häfner-Hutt vom Geradstettener Weingut Häfner die Lesekampagne dieser Tage gestartet. Am Mittwoch war regenbedingt Ruhetag – „da fahren nur die Vollernter“. Bei Häfners gibt es ausschließlich Handarbeit, und die hat es manchmal in sich. Für biologisch wirtschaftende Weingüter sei das Weinjahr diesmal besonders schwierig gewesen, sagt sie. „Das war sehr spannend.“ Nun sehe es eigentlich nicht schlecht aus, ist ihre Einschätzung nach den ersten Lesetagen. Beim gewaltigen Druck durch den Falschen Mehltau sei man während der Starkregenphasen in den entscheidenden Momenten mit den Maschinen kaum in die Weinberge gekommen. „Das war manchmal wie in einem Peronospora-Treibhaus dieses Jahr.“
Massive Probleme machten in diesem Jahr, wegen des witterungsbedingten massiven Pilzbefalls, auch die nicht mehr gepflegten Rebflächen. Wegen des Eintrags aus einer Nachbarfläche, so Häfner-Hutt, habe ihr Weingut an einer ihrer Flächen sogar einen Totalausfall zu beklagen.
Furcht vor größeren Regenmengen
In Fellbach macht sich Johannes Bauerle, Chef im Weingut Johannes B., derzeit vor allem Sorgen um die Wetterentwicklung samt größerer Regenmengen. „Jetzt pressiert’s“, sagt er. Wie im vergangenen Jahr droht eine Situation, in der fast alles zugleich gelesen werden sollte. Wobei bei dem, was hängt, die Qualität in Ordnung sei, sagt Bauerle. Beim Spätburgunder misst er bereits 90 Grad Oechsle. „Und die ph-Werte sind hoch – da müssen wir zügig durch sein.“
Aber wie das Jahr werde auch die Lese aufwendig sein. Zumal auch noch mit der Kirschessigfliege zu rechnen sei. Der Schädling sei teils bereits zugange „und die KEF wird uns noch größere Probleme bereiten.“ Auch hier gilt: Sollten zum Regen womöglich noch wärmere Nächte kommen, könnte dies zu Problemen bei der Lesetaktung führen, aber auch die Qualität des Ertrags noch beeinträchtigen.
Was die zu erwartende Erntemenge angeht, deckt sich die Schätzung im Weingut Johannes B. weitgehend mit der im Weingut Häfner. Die Bioweingüter rechnen mit mindestens 40 Prozent an Minderertrag. Vor wenigen Tagen hatte der Weinbauverband Württemberg in seiner Herbstpressekonferenz noch verkündet: „Der sonnige Spätsommer sorgt für gesunde und reife Trauben.“ Eine sehr gute Wasserversorgung und teilweise erhebliche Frostschäden, so die Rückschau, hätten das Weinbaujahr geprägt. „Der Weinbauverband Württemberg erwartet eine unterdurchschnittliche Erntemenge bei gleichzeitig hohen Qualitäten.“
Totalausfälle in Jagst- und Taubertal
Spätfrost Ende April habe teilweise erhebliche Schäden in den Weinbergen angerichtet. In vielen Regionen bewege sich der Schaden bei 30 bis 80 Prozent. Insbesondere im Tauber- und Jagsttal seien größere zusammenhängende Flächen vollständig erfroren. „In Summe wurde von den Spätfrostereignissen mindestens die Hälfte der Rebflächen Württembergs teilweise oder gänzlich geschädigt.“
Aufgrund der punktuell feuchten Bedingungen hätten insbesondere biologisch wirtschaftende Betriebe vor großen Herausforderungen gestanden. Entsprechend erwarte der Weinbauverband Württemberg ein im Vergleich zum Vorjahr ein um rund 25 Prozent geringeres Ertragspotenzial „mit jedoch regional und sortenbedingt starken Unterschieden“. Das Zwischenfazit des Verbandsvizepräsidenten Bernhard Idler bei der Herbstpressekonferenz: „Trotz aller Herausforderungen versprechen die Traubenqualitäten aktuell einen guten Weinjahrgang 2024.“