Schönes Haar ist ihm gegeben: Walter Sittler. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie Walter Sittler Haarwuchsmittel rührte, wie man auf dem Mount Everest klettert, was ein Sauvignac ist und warum der Bauernkrieg immer noch in Württemberg tobt, konnte man beim Weindorf-Treff lernen.

Er hat volles Haar. Für seine 71 Jahre kommt Schauspieler Walter Sittler ansehnlich daher. Und offenbar braucht er weder Faltencreme noch Haarwuchsmittel. Dabei wüsste er, wo Letztes lagert, im Keller der Merz-Schule. Beim Weindorf-Treff des SWR, der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung in der BW-Bank-Kulturlaube verriet Sittler den Moderatoren Tom Hörner und Diana Hörger sowie vielen Zuhörern am Dienstagabend eines der Geheimnisse seiner Jugend. Mit zwei seiner Brüder ging er in Stuttgart auf die Merz-Schule. Da schaute eines Tages ein „hoch gebildeter Ägypter“ vorbei und erzählte Schulleiter Volker Merz, er kenne ein Rezept des Pharao Imhotep. Jahrtausendealt, ein sensationelles Haarwuchsmittel.

„Volker Merz witterte ein gutes Geschäft“, sagte Sittler. Er kaufte die Formel, „und wir Schüler rührten es in Bottichen mit unseren Händen um“. Bis zu den Ellbogen sei man gelb geworden. Das Problem: „Es roch gut, aber es funktionierte nicht.“ Kein Härchen spross. Kurz vor dem Tod von Volker Merz habe dieser Sittler noch erzählt, dass es das Mittel noch gibt, abgefüllt lagere es im Keller der Schule. Wo genau, sei allerdings im Dunkel der Geschichte verloren gegangen.

Beim Weindorf-Treff: Diana Hörger, Walter Sittler, Heidi Sand, Jule Mayr, Christina Haak, Tom Hörner Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Heidi Sand Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Dunkel der Geschichte zu erhellen ist die Arbeitsplatzbeschreibung von Christina Haak. Sie ist seit einem Jahr Direktorin des Landesmuseums Württemberg. Mit ihren knapp 200 Mitarbeitern bereitet sie gerade für den Herbst eine Große Landesausstellung vor. Nein, nicht zu Haarwuchsmitteln, sondern zu „500 Jahren Bauernkrieg“.

Da fragt man sich, war der nicht vor Kurzem, als die Traktoren überall umherkurvten? Nun, auch das wird Thema sein. Denn es geht jetzt nicht darum, Hellebarden auszustellen, das wäre dann doch sehr verstaubte Pädagogik. „Museen sind gut beraten zu überlegen, für wen sie Ausstellungen machen“, sagte Haak. Was genau einen erwartet, will sie nicht ausbuchstabieren, man will schließlich überraschen. Es gehe darum, Antworten zu finden auf die Fragen: „Warum und für was gehen Menschen auf die Straße?“ Was ist das Phänomen des Protests? Dabei solle sich der Besucher gerne beteiligen.

Christina Haak Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor drei Jahren hat man angefangen zu planen, „dass man nun so aktuell ist, war damals nicht zu erwarten“. Sie sind überall zu spüren, die Wut und der „Zorn“, das ist übrigens der Titel der Kinderausstellung. Mit Protest kennt sich Walter Sittler aus. Er war die Galionsfigur der Kritiker von Stuttgart 21 und sagt im Rückblick: „Wir hatten den Gegner nicht definiert, das war unser Fehler.“ „Wir hatten recht, aber recht haben genügt nicht.“ Und genauso wichtig wie die Artikulierung eines Protestes sei auch die Anerkennung einer Niederlage: „Man muss verlieren können!“

Oben bleiben! Das könnte auch das Motto von Heidi Sand sein. Die Hotelfachfrau und Mutter von drei Kindern kletterte auf Berge und lief Marathon, als der fieseste Gegner überhaupt auftauchte: Krebs. Während der Chemo wurde ihr klar, sie muss nach oben. „Ich muss mich belohnen“, sagte sie sich, „wenn ich das hier durchstehe, werde ich auf 8000 Meter steigen.“ Als sie das ihren Kindern erzählte, sagte der älteste Sohn: „Wenn schon, denn schon.“ Dann auf den Mount Everest. Und tatsächlich – 18 Monate nach der Diagnose stand sie auf dem höchsten Berg der Welt, 8846 Meter. Mehrere Wochen hatte sie sich auf 5300 Metern an die Höhe gewöhnt, und dann ging es so schnell hoch, dass sie zu früh oben waren. Im Dunkeln. Eine halbe Stunde später ging die Sonne auf, und die Welt lag ihr zu Füßen. Der Ausblick ist grandios, die Getränke sind eher schlicht. „Tee, Tee, Tee.“ Wobei der russische Kollege Kaviar und Wein dabeihatte. Doch Wein aus dem Plastikbecher der Thermoskanne sei ein eher zweifelhaftes Vergnügen, sagte Heidi Sand.

Jule Mayr Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das nächste Mal könnte sie ja einen Wein der Weinprinzessin Jule Mayr mitnehmen. Sie hat mit 16 in Hohenhaslach ihren eigenen Betrieb gegründet, obwohl sie nicht aus einer Wengerterfamilie stammt. Die Eltern mussten trotzdem ran. Bis Jule volljährig war, führten sie den Betrieb offiziell. Mittlerweile bewirtschaftet sie zweieinhalb Hektar und hatte einen Sauvignac mitgebracht, eine Kreuzung aus Riesling und Sauvignon Blanc, die robuster ist und nicht so leicht von Pilzen befallen wird. Denn es wird wärmer und feuchter, sagte Jule Mayr, da brauche es neue Sorten. Sie befürchtet, der Trollinger werde aussterben, weil er Hitze nicht vertrage. Was für manche wiederum nach einer guten Nachricht klingt.

Ein ganz besonderer Kellner

Wenn tatsächlich dereinst der erste ICE im Tiefbahnhof ausfährt, dann sollte man im Bordrestaurant den letzten Trollinger servieren. Walter Sittler würde das als guter Verlierer übernehmen und während der Fahrt bedienen. Die Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Winfried Hermann (Grüne) sollten dieses Angebot annehmen – sie bekommen auch ein Haarwuchsmittel dazu.