Die Weihnachtsspendenaktion der Eßlinger Zeitung unterstützt einen neuen Elterntreff des Kinderschutzbundes. Im Interview erklärt die Familienmediatorin Heidrun Gold, was das Projekt so wichtig macht – und warum die Finanzierung dennoch kompliziert ist.
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor: Alle Elternteile haben das Recht, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Unter bestimmten Umständen kann das Gericht jedoch anordnen, dass dabei eine dritte Person anwesend sein muss. „Begleiteter Umgang“ lautet der Fachbegriff dafür. Der Esslinger Kinderschutzbund (KSB) hat nun einen neuen Elterntreff eingeführt. Das Umgangscafé soll an den begleiteten Umgang anknüpfen. Im Interview spricht die Juristin und Familienmediatorin Heidrun Gold vom KSB-Kreisverband über das Projekt, das von der 58. Weihnachtsspendenaktion der Eßlinger Zeitung unterstützt wird.
Warum müssen Familien in den Begleiteten Umgang?
Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Zum Beispiel eine psychische Erkrankung, eine Suchterkrankung, ein zurückliegender Gefängnisaufenthalt oder häusliche Gewalt. All das können für das Gericht Argumente sein, das Umgangsrecht einzuschränken. Wir bieten dann einen neutralen, geschützten Rahmen und unabhängige geschulte Ehrenamtliche als auch Fachpersonal, das Eltern und Kinder begleitet.
Wie häufig sind diese Fälle?
Zu uns kommen etwa fünf bis zehn Prozent der Familien, die eine Trennung beziehungsweise Scheidung hinter sich haben. Meistens sind es die Väter, die ihre Kinder in unseren Räumen sehen. Die Zahl hört sich gering an, aber diese Familien haben einen sehr hohen Unterstützungsbedarf.
Eltern können bei Treff in Esslingen Vertrauen neu aufbauen
An wen richtet sich das Umgangscafé?
An Elternteile, die wir aus dem Begleiteten Umgang entlassen können. Bei ihnen hat sich die Beziehung zum Kind über Monate oder über Jahre gut entwickelt. In vielen Fällen ist das Vertrauen der Eltern untereinander aber noch nicht so groß, dass sie sich zutrauen, den Umgang selbstständig zu regeln.
Wie hilft der Treff den Eltern?
Hier haben sie einen nach wie vor sicheren, aber flexibleren Rahmen für die Zeit mit den Kindern. Manche Umgangsberechtigte wohnen nicht mehr in der Umgebung. Für sie ist der Treff ein Ort, an dem sie sich mit ihren Kindern auch mal zurückziehen und zum Beispiel etwas kochen können. In schwierigen Situationen können die Eltern außerdem unsere Kolleginnen ansprechen. Die halten sich beim Umgangscafé – im Gegensatz zum Begleiteten Umgang – im Hintergrund. Sie greifen aber beispielsweise bei Übergaben ein, falls es da in Gegenwart des Kindes schwierig wird.
Inwiefern schwierig?
Das sind manchmal Kleinigkeiten. Zum Beispiel, wenn der Vater bei der Übergabe etwas zu spät kommt oder sich das Kind auf dem Spielplatz leicht verletzt hat. In anderen Familien ist es normal, das in Ruhe zu besprechen. Hinter den Eltern hier liegt aber eine schwierige Zeit, sie müssen das erst wieder lernen. Alle, die in das Umgangscafé kommen, haben davor viel geleistet. Als Eltern den Begleiteten Umgang konsequent zu durchlaufen, das ist nach dem, was sie oft hinter sich haben, respektabel. Den freieren Rahmen im Umgangscafé können sie nutzen, um weiter Vertrauen aufzubauen.
Finanzierung von Kinderschutzbund: “Wird mit einer neuen Regierung wohl nicht besser“
Wie wichtig ist die Arbeit des KSB für die Kinder selbst?
Zu merken, dass sie in einer schwierigen Situation mit den Eltern nicht allein sind, kann ihnen enorme Sicherheit geben. Viele inzwischen Erwachsene, die als Kinder im Begleiteten Umgang waren, sagen, dass sie die Zeit bei uns positiv in Erinnerung haben. Das ermutigt uns als Lobby für die Kinder.
Was muss passieren, damit sie das Umgangscafé weiterführen können?
Wichtig ist die Finanzierung. Ich vermute, dass das Landratsamt mit einspringen wird, aber wir haben bislang keine schriftlichen Zusagen. Wir haben im Herbst vom Landratsamt einen höheren Stellenumfang bekommen. Dadurch entfällt für die betroffenen Kinder und ihre Eltern eine bislang mehrmonatige Wartezeit. Ansonsten ist es für mich immer wieder schwer auszuhalten, dass es so schwierig ist, für Kinder öffentliche Gelder locker zu machen. Und ich befürchte, dass das mit einer neuen Regierung nicht besser wird. Auch andere Bereiche sind wichtig und brauchen Geld, keine Frage. Aber wir arbeiten hier mit teils sehr schwer belasteten Kinder. Wenn sie im jungen Alter keine Unterstützung erhalten, wirkt sich das unter Umständen langfristig aus. Dann kann es passieren, dass sie ihren Schulabschluss nicht schaffen oder ihre Berufsausbildung nicht durchhalten, weil die Konflikte ihrer Eltern so sehr nachwirken. Wenn wir in dieser frühen Phase sparen, kostet es unsere Gesellschaft im Nachhinein ein Vielfaches.
Einsatz für Kinder
Person
Heidrun Gold ist von Beruf Juristin und hat eine Zusatzausbildung als Familienmediatorin absolviert. Die 59-Jährige arbeitet seit 2003 für den Kinderschutzbund. Seit 2018 ist die Stuttgarterin in Esslingen im Fachbereich begleiteter Umgang tätig.
Kampagne
Zum 58. Mal trommelt die EZ-Weihnachtsspendenaktion, hinter der der Verein „Gemeinsam helfen“ steht, für den guten Zweck. Die Spenden kommen Familien und Einzelpersonen im Kreis Esslingen zugute, die in finanziellen, medizinischen oder sozialen Notlagen sind. Auch soziale Projekte werden unterstützt.
Spenden
Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, IBAN: DE38 6115 0020 0000 9020 36; BW Bank, IBAN: DE24 6005 0101 0008 4053 53; Volksbank Mittlerer Neckar, IBAN: DE89 6129 0120 0126 8880 00. Oder im Internet auf der Spendenplattform www.wirwunder.de/projects/145000. Sachspenden können nicht angenommen werden.