Wieder Ausfälle und Verspätungen: die S-Bahn Stuttgart Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am Montag war es eine Person im Gleis, am Dienstag eine defekte Weiche: die S-Bahn-Pendler brauchen momentan starke Nerven. Seit Oktober haben die Infrastrukturstörungen stark zugenommen. Die Bahn ist ratlos.

Stuttgart - Vor sechs Wochen schwante manchen Regionalräten bereits Schlimmes, als die neuen Bauarbeiten im Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs vorgestellt wurden. Sie sind nötig, weil der S-Bahntunnel im Zuge von S 21 bis zur neuen Haltestelle Mittnachtstraße verlängert wird. Das müsse „möglichst stressfrei für die Fahrgäste“ ablaufen, schrieben die Politiker der S-21-Projekt-GmbH ins Stammbuch. Vergeblich: Am Dienstagmorgen war Stress pur für Zehntausende von Fahrgästen in der Hauptverkehrszeit. Wegen einer Weichenstörung fuhren die S-Bahnen statt im Viertel- nur im Halbstundentakt, jede zweite Bahn fiel bis weit in den Vormittag hinein aus. Insgesamt gab es – so die bahninterne Zählung – 75 Voll- und 15 Teilausfälle, 146 S-Bahnen fuhren mit insgesamt 380 Minuten Verspätung. Der Unmut der Pendler war groß, auch deshalb weil tags zuvor bereits eine vermutete Person auf den Gleisen für zahlreiche Ausfälle und Verspätungen im S-Bahnverkehr gesorgt hatte.

Am frühen Morgen funktioniert die Weiche nicht

Die Weichenstörung hängt direkt mit den nächtlichen S-21-Arbeiten für den S-Bahntunnelbau im Gleisvorfeld zusammen, die die dafür notwendige Sperrung des Gleises 1 vorbereiten. Nachts wird der Betrieb in diesem Bereich des Bahnhofs gestoppt, und als am frühen Morgen die Weiche wieder in Betrieb genommen werden sollte, funktionierte sie nicht. Sie wurde dann nur für eine Fahrtrichtung genutzt und musste wegen mangelnden Flankenschutzes aus Sicherheitsgründen überwacht werden. „Wir mussten deshalb vom Viertel- auf den Halbstundentakt bei den S-Bahnen gehen“, sagte der Sprecher der S-Bahn Stuttgart, Reinhold Willing. Die Störungen zogen sich dann bis in den Vormittag hinein.

Der Vorfall setzt die Reihe der Infrastrukturstörungen fort, die in den vergangenen Wochen den S-Bahn-Betrieb an fast jedem zweiten Tag durcheinanderbrachten. Hinzu kommen Ausfälle und Verspätungen wegen liegen gebliebener Züge und wegen Personen auf den Gleisen. Wenn dies auf der unterirdischen Stammstrecke passiert, ist das gesamte S-Bahnsystem aus dem Takt mit massiven Auswirkungen auf alle Linien.

Das System Diana soll Störungen reduzieren

Eigentlich sollten zumindest die Weichenstörungen mit Diana geringer werden. Nein, damit ist nicht die römische Göttin der Jagd gemeint, die Waidmännern Glück bringt, sondern ein Diagnose- und Analysesystem der Deutschen Bahn, das defekten Weichen auf die Spur kommen soll, bevor sie endgültig kaputt gehen. Dabei wird der Stromverbrauch erfasst, wenn die Antriebsmotoren die Weiche stellen. Die gemessene Stromkurve wird mit dem Sollverlauf verglichen. Bei Abweichungen schlägt das System Alarm. Damit könnten, so ein Vertreter der DB Netz AG vor dem Verkehrsausschuss der Regionalversammlung, unterschiedliche Mängel erkannt werden – vom mechanischem Schwergang bis zur Feststellung eines Fremdkörpers. Ein Reparaturtrupp werde dann sofort in Bewegung gesetzt. „Damit wollen wir die netzbedingten Störungen reduzieren“, so das Ziel der Bahn.

Seit dem Jahr 2015 wird das Diana-System für insgesamt 2,4 Millionen Euro ins S-Bahnnetz eingebaut. Bis in einigen Monaten sollen 620 Weichen damit ausgestattet sein. „Wir werden den Rollout fortsetzen“, bekräftigte Willing. Der Vorfall am Dienstag sei kein Fall für Diana gewesen, auch die massive Störung Mitte Oktober habe durch das System nicht entdeckt werden können. Damals war am 12. Oktober im Hauptbahnhof eine Weichenzunge gebrochen, es dauerte bis in die Abendstunden des Folgetages, bis ein Ersatzteil aus Witten herangeschafft und montiert war.

„Wir sind von der Anfälligkeit der Infrastruktur auch überrascht und haben keine Erklärung, warum wir das in diesen Wochen in dieser Häufigkeit und Ausprägung haben“, sagte Willing. Die Weicheninspektion und das Diagnosesystem würden weiter wie bisher eingesetzt. Es habe dabei keine Hinweise auf die Störungen gegeben.

Sicher freilich ist, dass die Pünktlichkeitswerte der S-Bahn, die sich im Verlauf des Jahres leicht verbessert hatten, sich wieder verschlechtern. Die Drei-Minuten-Pünktlichkeit ist von vergleichsweise guten Werten im Sommer schon im September wieder auf unter 88 Prozent gefallen, im Oktober wird sie sich vor allem auf den Linien S 1, S 2 und S 3 weiter verschlechtert haben. Laut dem Internetportal S-Bahn-Chaos liegt sie bei allen Linien auf knapp über 80 Prozent, im Berufsverkehr sogar nur noch bei 71,5 Prozent.