Winfried Kretschmann und Markus Söder rufen eine neue gemeinsame Wasserstoffallianz aus Foto: dpa/Stefan Puchner

Die Länderchefs Winfried Kretschmann und Markus Söder verkünden, durchaus kämpferisch, eine neue süddeutsche Wasserstoffallianz. Dafür haben sie schon konkrete Vorstellungen.

Winfried Kretschmann und Markus Söder zusammen an einem Rednerpult, in gemeinsamer, parteiübergreifender Sorge um süddeutsche Interessen, daraus könnte noch einmal Tradition werden. Am Montag, im Rathaus von Neu-Ulm, ist es wieder soweit. Die Länderchefs rufen eine neue gemeinsame Wasserstoffallianz aus. Es komme die Zeit, sagt Kretschmann, an der die Bundesregierung aus ihrem aktuellen Krisenmodus wieder herauskommt. Wo über andere Dinge geredet wird als den Ukraine-Krieg oder die Gasmangellage, wo nicht mehr „das Wichtige hinter dem Dringlichen zurückgestellt wird“, wie es gerade der Fall sei. Bis dahin aber könne es zu spät sein, beispielsweise die wichtige Versorgung der Industrien Baden-Württembergs und Bayerns mit grünem Wasserstoff zu sichern. Söder spricht von einer „Sackgassenplanung“.

Am Morgen sind sie noch zusammen auf Kurzbesuch in der Ulmer Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen in Nachbarschaft der Uni Ulm, um zu erfahren, wann wohl die Wasserstoffproduktion in industrielle Maßstäbe überführt werden kann. Um das Jahr 2030 herum könnte das sein, meinen Experten, deswegen müsse man jetzt Leitungen und Anschlüsse an ein europäisches Netz planen und budgetieren. Aber nicht abschnittweise, von Norden nach Süden, warnt Söder, sondern im Weg der Gleichzeitigkeit und so, dass die Wirtschaftslokomotiven im Süden mit vorne dabei sind. Nicht die windreichen Nordländer sollen allein Wasserstoff erzeugen und weiterleiten; auch im Süden Deutschlands müssten eigene Elektrolyseanlagen gebaut werden. Söder fordert in dem Zusammenhang den Aufbau einer eigene Bundesnetzagentur, wie bei der Windkraft.

Windkraft als Vorbild

Wasserstoff gilt als klimafreundliche Energiealternative für Kohle, Öl und Erdgas in Industrie, Verkehr, Schiffbau oder der Papierherstellung . Als grün gilt Wasserstoff aber nur, wenn Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt, um Wassermoleküle mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Forschungen und Pilotprojekte zur späteren Nutzung der neuen Energiequelle gibt es seit längerer Zeit in beiden südlichen Bundesländern.

Die bisherigen Trassenpläne zu Wasserstoffversorgung haben hingegen gesamteuropäische Umrisse. Fortgeschrieben werden sie von der „Initiative European Hydrogen Backbone“ (EHB). Die Gruppe schlägt vor, ein Wasserstoffnetz mit einer Gesamtlänge von 40 000 Kilometer bis zum Jahr 2040 zu errichten. Das Netz würde dann 21 europäische Länder verbinden. Zu etwa zwei Dritteln sollen bestehende Erdgasnetze benutzt, dazu neue Pipelines gebaut werden. Kostenrechnungen reichen aktuell bis ins Jahr 2040, sie liegen zwischen 40 und 80 Milliarden Euro.

Notfalls soll eine Wasserstoff-Pipeline kommen

Bisher steht in den Planungen unter anderem eine Anbindung Süddeutschlands Richtung Italien mittels der Umnutzung der Trans Austria Gasleitung sowie der West Austria-Gasleitung. Das sei nicht ausreichend, wird nun in Neu-Ulm kritisiert. Notfalls müssten Bayern und Baden-Württemberg ihre eigene Wasserstoff-Pipeline bauen, bestätigt Winfried Kretschmann. Es gibt sogar erste Streckenführungspläne entlang der Autobahn 8. Er halte es für „völlig absurd“, sagt Söder, auch nur daran zu denken, Deutschlands wirtschaftlich wichtigsten Bundesländer erst ab etwa 2035 ins neue Netz einzubeziehen.

Kongenial duzen sich der CSU-Parteichef und sein grüner Amtskollege. Vereint durch Zorn haben sie im Jahr 2019 in Meersburg am Bodensee die früher bekannte, konservative„Südschiene“ neu auferstehen lassen. Kurz zuvor war der 500-Millionen-Euro Zuschlag für ein neues Batterieforschungszentrum nach Münster gegangen, in die Nähe des Wahlkreises der damaligen CDU-Forschungsministerin Anja Karliczek. Das schon bestehende Batteriezentrum in Ulm unterlag. Kretschmann hat das nicht vergessen. „Gucken Sie mal, was da bis heute passiert ist“, sagt er in Neu-Ulm. In den weit entwickelten Ulmer Labors dagegen hätte man „sofort anfangen können“.

Kritik am 9-Euro-Ticket

Eine Übervorteilung durch Berliner Beschlüsse wollen beide Ministerpräsidenten ganz grundsätzlich nicht mehr hinnehmen. Söder kritisiert beispielhaft das neue, offensichtlich nicht gegenfinanzierte Berliner „Ticketversprechen“, wonach die 9-Euro-Fahrscheine auch ab September verkauft werden sollen. Kretschmann sagt über den Geist der Südschiene, es solle weder innerhalb der Berliner Ampelregierung noch im Bundesrat der Eindruck entstehen: „Wir sind reich und uns kann man einfach nur schröpfen.“ Er werde keinerlei Bundesgesetzen mehr zustimmen, „die nicht durchgerechnet sind, und dann stehen die Ausgaben irgendwo in unseren Haushalten“. Markus Söder lächelt und nickt