Hunderte Angestellte des öffentlichen Dienstes sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi am Donnerstag im Zuge des eintägigen Warnstreiks in Ludwigsburg auf die Straße gegangen. Stark vertreten waren auch Beschäftigte der Kliniken.
Trillerpfeifen sind schon aus der Ferne zu hören. Gelbe Westen mit Verdi-Aufdruck hellen an diesem trüben Donnerstagmorgen gegen 9.30 Uhr den Rathausplatz in Ludwigsburg auf. Bis dahin haben sich etwa 300 Angestellte des öffentlichen Dienstes eingefunden. Sie sind dem Aufruf von Verdi zum eintägigen Warnstreik gefolgt und warten in Grüppchen auf die Kundgebung, die um 10 Uhr beginnen soll.
Der Frust unter den Streikenden ist groß. Die Arbeitgeber haben bislang noch kein Angebot vorgelegt. Die Gewerkschaft fordert für die Angestellten in vielen Bereichen der öffentlichen Dienstleistung acht Prozent oder mindestens 350 Euro mehr. Mit dem Warnstreik, der am Vortag in Stuttgart begann und in Ludwigsburg auf die Landkreise des Verdi-Bezirks in der Region Stuttgart ausgedehnt wird, will die Arbeitnehmervertretung den Druck erhöhen.
Empört äußerte sich Sidar Carman, Geschäftsführerin von Verdi, über das Verhalten der Arbeitgeber, die immer noch kein Angebot vorlegten, obwohl sie viele Monate Zeit gehabt hätten. Bei einer Nullrunde nähmen sie Reallohnverluste der Arbeitnehmer in Kauf. Carman sprach von einer „Unverschämtheit“: Die Arbeitnehmer müssten für eine „verheerende Politik“ – sie nannte als Beispiel hohe Rüstungsausgaben – bezahlen. Das sei angesichts steigender Preise und der vorherrschenden Personalknappheit mit erhöhtem Druck auf jede Stelle klar abzulehnen.
Eine Pflegerin berichtet: „Die Qualität leidet“
Auf Plakaten sind an diesem Morgen die Problemfelder zu erkennen: Vom Burn-out des Pflegepersonals an den Kliniken ist zu lesen. „Wir haben eindeutig zu wenig Leute“, sagt eine Krankenschwester, die mit zwei Kolleginnen aus der RKH-Klinik in Ludwigsburg auf die Straße gegangen ist. Oft seien nur drei statt der erforderlichen fünf Pfleger im Einsatz – Schlaganfallpatienten könne aufgrund des Zeitmangels nicht genügend geholfen werden. „Die Qualität leidet.“
Als Streikleiter in den RKH-Kliniken im Kreis Ludwigsburg fungiert der Betriebsratsvorsitzende Hagen Klee, der mit dem Arbeitgeber eine Notversorgung ausgehandelt hatte, die aus seiner Sicht ein Niveau auch oberhalb der Wochenendversorgung bedeute. Auch wenn längst nicht alle Mitarbeiter am Streik teilnähmen sei klar, „dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen“. Er verteile deshalb Aufkleber bei den Diensthabenden mit Solidaritätsbotschaften. Klee hält eine bessere Bezahlung für ein wichtiges Zeichen: „Bei uns wird an der Unterkante geschafft“, sagt er später in seiner Rede und weist darauf hin, dass die Tariferhöhung nur das Allernotwendigste abdecke.
Der Personalmangel an den Kliniken stimmt unzufrieden
Dem Personalmangel müsse man, so Klee, mit einer angemessenen Entlohnung begegnen – das sei auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. „Wenn wir Zeitarbeiter in die Kliniken holen, kostet uns das ein Vermögen.“ Unter den Kolleginnen in der Pflege herrscht offenbar Unmut: Sie berichten, dass die Zeitarbeiter zum Teil sogar besser bezahlt würden und Privilegien bei der Einteilung der Arbeitszeit hätten.
Nach Angaben von Verdi streiken rund 1000 Mitarbeiter, von denen etwa 800 in Ludwigsburg Präsenz zeigen. Viele Bereiche sind an diesem Morgen vertreten – es sind unter anderem Mitarbeitende in Bauhöfen, dem Landratsamt, eine ganze EDV-Abteilung der Marbacher Stadtverwaltung streikt – und viele Erzieherinnen aus den Kitas der Kommunen.
Aus Bietigheim-Bissingen ist Eddy Warth gekommen. Der Betriebsratsvorsitzende der SWBB-Stadtwerke in der großen Kreisstadt hat beobachtet, dass es beim Streik vor zwei Jahren „schon doppelt so viele Mitarbeiter waren wie noch vor vier Jahren“. Zwar seien nur zehn Prozent Gewerkschaftsmitglieder, ein Drittel lehnten Streiks ab, aber unter den übrigen Mitarbeitern beobachte er eine zunehmende Bereitschaft, sich mit einer Arbeitsniederlegung zu engagieren.
Nicht untätig bleiben will auch eine Kreissparkassen-Mitarbeiterin aus Bietigheim-Bissingen, die seit mehr als 30 Jahren dort angestellt ist. „Früher hätte ich nicht gestreikt, es war in unserer Branche auch lange verpönt, aber ich merke, dass es immer wichtiger wird.“ Das sähen auch Kollegen so – ihre Filiale habe an diesem Tag nicht öffnen können. Sie selbst sei kein Gewerkschaftsmitglied. „Ich bin aber bereit, auf mein Gehalt zu verzichten.“ Sie gehe davon aus, dass nicht lange gestreikt werden müsse.
Um ihre Forderung zu bekräftigen, brechen die Teilnehmer zu einem Demo-Marsch durch die Ludwigsburger Innenstadt auf. Sie passieren dabei die Wilhelmstraße und die Stuttgarter Straße bis hin zur Abschlusskundgebung beim Forum.